Brandschutz in Senioren- und Pflegeeinrichtungen

Der Trockner im Keller, das Essen auf dem Herd, ein Schwelbrand im Batteriekasten der Notstromversorgung die Ursachen für Brände im Pflegeheim sind vielfältig, wie ein Blick in di...

Dr. Wolfram Krause, Geschäftsführer des bvfa – Bundesverband Technischer...
Dr. Wolfram Krause, Geschäftsführer des bvfa – Bundesverband Technischer Brandschutz e.V.

Der Trockner im Keller, das Essen auf dem Herd, ein Schwelbrand im Batteriekasten der Notstromversorgung – die Ursachen für Brände im Pflegeheim sind vielfältig, wie ein Blick in die Statistik des bvfa - Bundesverband Technischer Brandschutz e.V. schnell deutlich macht. Dennoch steht es sicherheits­technisch nicht zum Besten in ­deutschen Pflegeeinrichtungen. Zum Stand der Dinge befragte Matthias Erler von GIT SICHERHEIT Dr. Wolfram Krause, Geschäfts­führer des bvfa.

GIT SICHERHEIT: Herr Dr. Krause, Ihr Verband hat vor etwa zwei Jahren anlässlich eines Expertenforums gefordert, „die drastischen Sicherheitsmängel in deutschen Senioren- und Pflegeeinrichtungen“ dringend zu beseitigen. Hat sich seitdem etwas zum Besseren verändert? Sie hatten ja sogar vor einer Verschlechterung gewarnt?

Wolfram Krause: Die leider nach wie vor häufigen Meldungen über Brände in sozialen Einrichtungen zeigen eindringlich, dass die Umsetzung strengerer Brandschutzvorschriften weiterhin überfällig ist. Im vergangenen Jahr weist die Statistik des bvfa 111 Brandfälle in Alten- und Pflegeheimen auf, bei denen 251 Personen verletzt wurden und 16 Menschen ums Leben kamen. Das heißt, wir haben im Schnitt mehr als zwei Mal wöchentlich einen Brand in sozialen Einrichtungen. 2014 haben wir – das zum Vergleich – 66 Brände registriert mit 163 Verletzten und 11 Toten.

Es gibt sicher auch eine Dunkelziffer?

Wolfram Krause: Das sind in der Tat nur von uns registrierte Brände, unsere Statistik erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, die tatsächliche Zahl dürfte dabei durchaus noch höher liegen. Unsere Erhebung zeigt aber auf, von welchem Ausmaß wir bei Brandschutz in sozialen Einrichtungen überhaupt sprechen und führt die Dimensionen vor Augen. In den letzten Jahren stellen wir fest, dass wir vermehrt auf das Thema angesprochen werden und Brandschutz zunehmend bei den Verantwortlichen in den Häusern auf der Agenda steht, die Brisanz ist also an wichtigen Stellen angekommen. Das ist sehr positiv – der Weg der Umsetzung ist allerdings noch weit. In einer älter werdenden Gesellschaft gehen wir davon aus, dass der Bedarf an Betten in Senioren- und Pflegeeinrichtungen weiter zunehmen wird. Damit geht einher, dass auch die Brandschutzkonzepte dringend weiter ausgebaut und vermehrt Präventionsmaßnahmen getroffen werden müssen.

Sie sprechen davon, dass man in Pflegeheimen ein sechsmal höheres Risiko hat, bei einem Brand ums Leben zu kommen, als in anderen Gebäuden. Warum ist das so?

Wolfram Krause: Die Situation in Pflegeheimen ist eine besondere, denn anders als beispielsweise bei einem Wohnhausbrand müssen in kurzer Zeit eine in der Regel deutlich größere Anzahl Personen in Sicherheit gebracht werden, bei denen die meisten körperlich und/oder geistig eingeschränkt sind. Das heißt, sie benötigen besondere Unterstützung und können sich nicht alleine retten. Hier ist das Pflegepersonal vor Ort gefragt. Allerdings ist es ungemein schwierig, innerhalb so kurzer Zeit eine so große Evakuierungsmaßnahme durchzuführen. Ein Mensch, der in seiner Mobilität eingeschränkt ist, benötigt eigentlich zwei Personen, die ihn in Sicherheit bringen. Ganz sicher ist das dann der Fall, wenn die Person bettlägerig ist. Gerade in personell schwach besetzten Zeiten wie bspw. in der Nachtschicht, gestaltet sich das umso schwieriger. Die Evakuierung einer Person, die auf fremde Hilfe angewiesen ist, dauert im Schnitt drei Minuten. Sind sechs Patienten von zwei Pflegern zu retten, dauert das also etwa 18 Minuten. Eigentlich sollte der direkte Brandbereich wegen der starken Rauchentwicklung in fünf Minuten geräumt sein, da die giftigen Rauchgase sonst zu einer Kohlenmonoxidvergiftung führen.

Welche speziellen technischen Probleme gibt es bei Pflegeeinrichtungen im Vergleich zu anderen Wohnimmobilien?

Wolfram Krause: Die Brandgefahr in Pflegeheimen geht, was die Technik anbelangt, zunächst von denselben Gegenständen aus wie man das aus dem Privathaushalt auch kennt: Geräte bzw. Kabel, die defekt sind. Der Brand greift dann schnell auf Mobiliar und die Textilien wie Kleidung, Wäsche, Bettzeug und Matratzen über. Mindestens ebenso häufig registrieren wir Brände, deren Ursache darin liegen, dass eine Kerze oder eine Zigarette nicht ausgemacht oder dass das Essen auf dem Herd vergessen wurde. Aber auch hier gilt wie bei der Problematik um die Evakuierung, dass die betroffenen Personen eben in der Gefahrensituation oftmals durch körperliche Einschränkungen nicht so schnell reagieren können und ein schnelles eigenes Eingriffen dann nicht mehr möglich ist.

Welche technischen Lösungen sind aus Ihrer Sicht vorrangig?

Wolfram Krause: Aus unserer Sicht müssen solche Gebäude wie Krankenhäuser und Pflegeheime komplett mit Sprinkleranlagen ausgestattet werden. Sie können die Gefahr eindämmen, indem sie den Brand schon in der Entstehungsphase bekämpfen – im besten Falle schon löschen – oder so sehr eingrenzen, dass nach der Alarmierung der Einsatzkräfte genügend Zeit für die Evakuierung bleibt. In den USA beispielsweise sind zehnmal mehr Sprinkler vorhanden als in Deutschland. Erhebungen aus den Staaten zufolge sind dort, wo Sprinkleranlagen vorhanden sind, keine Todesfälle zu verzeichnen: Sprinkleranlagen schützen tatsächlich Leben. Sie zeichnen sich durch eine sehr hohe Zuverlässigkeit aus.

Warum gibt es hier Vorbehalte?

Wolfram Krause: Das größte Vorurteil gegenüber Sprinkleranlagen in sozialen Einrichtungen gilt wohl den Kosten. Allerdings ist eine Sprinkleranlage auf den Quadratmeter gerechnet nicht teurer als das Verlegen eines Teppichbodens. Sehr oft hört man zudem noch das Vorurteil, die Sprinkleranlage würde gänzlich auslösen, wenn es brennt. Das ist schlicht falsch: Nur diejenigen Sprinklerköpfe öffnen sich, die einer gewissen Hitzeentwicklung ausgesetzt sind, die Anlage löscht also selektiv und nur dort, wo sie auch wirklich benötigt wird.

Inwieweit hapert es bei uns noch an den Brandschutzstandards gerade bei Pflegeeinrichtungen?

Wolfram Krause: Die Brandschutzbestimmungen in Deutschland sind von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich geregelt, das heißt es gibt keine einheitlichen Vorschriften. Weder für Wohnhäuser, Büros, Gewerbeimmobilien oder soziale Einrichtungen. Der derzeitige Standard sieht in der Regel für soziale Einrichtungen vor, dass eine Rauchmelde- bzw. Brandmeldeanlage verbaut ist. Das ist zwar positiv, aber aus den eben genannten Gründen nicht ausreichend. Wir benötigend dringend mehr vorbeugenden Brandschutz, eine Sprinkleranlage ist unserer Meinung nach das richtige Mittel der Wahl.

Man sollte meinen, Träger und Gesetzgeber müssten hier an einem Strang ziehen. Wer ist hier am meisten gefordert?

Wolfram Krause: Als Bundesverband Technischer Brandschutz bringen wir das Thema in Fachgremiensitzungen, in denen brandschutztechnische Regeln erstellt werden, immer wieder auf, denn wir sind der Meinung, dass Verbesserungen des Brandschutzes durch Nachrüstung dringend notwendig sind. Krankenhaus-Spezialisten und Verantwortliche sind angesichts der Ereignisse, die sie täglich in den Medien mitbekommen oder auch aus unserer Statistik mit der Auflistung der Schadensursachen herauslesen können, dazu angehalten, die notwendigen Schlüsse zu ziehen, wo in Krankenhäusern zur Verbesserung des Brandschutzes zuerst angesetzt werden muss. Der Gesetzgeber wiederum ist gefordert, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass die Bewohner von Pflegeeinrichtungen ausreichend geschützt sind und der Brandschutz für die Träger dieser Einrichtungen inhaltlich nachvollziehbar und realistisch umsetzbar ist.

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