Denios: Bei Gefahrstoff-Leckagen zählen Know-how und der richtige Handgriff
Im Umgang mit flüssigen Gefahrstoffen kann es bei der täglichen Arbeit auch zu Leckagen oder anderen Zwischenfällen kommen.
Im Umgang mit flüssigen Gefahrstoffen kann es bei der täglichen Arbeit auch zu Leckagen oder anderen Zwischenfällen kommen. Dann ist ein schnelles und routiniertes Handeln erforderlich, bei dem jede Sekunde zählt, um Sach-, Personen- und Umweltschäden einzudämmen und um die Anforderungen des Gesetzgebers oder von Versicherungen einzuhalten.
Damit es erst gar nicht zu unerwünschten Schäden kommt, können Unternehmen präventiv viele Maßnahmen im Leckagemanagement treffen, um gesetzeskonform zu agieren. Doch für „Nichtfachleute“ kann es schnell schwierig und zeitaufwändig werden, sich bei der Vielzahl an gesetzlichen Rahmenbedingungen zurecht zu finden und die geeigneten Maßnahmen für den eigenen Betrieb auszuwählen. Um sich einen leichteren Überblick zu verschaffen, steht Gefahrstoffexperte Tobias Authmann, Fachreferent für Gefahrstofflagerung und Arbeitssicherheit bei Denios im Interview rund um das Thema Leckagemanagement mit GIT SICHERHEIT Rede und Antwort.
GIT SICHERHEIT: Herr Authmann Sie führen seit Jahren regelmäßig das „Leckage-Notfall-Training“ in der Denios Academy für die unterschiedlichsten Unternehmen und deren Mitarbeiter durch. Wo liegen aus Ihrer Sicht die Hauptursachen für Gefahrstoffleckagen?
Tobias Authmann: Die Ursachen für Leckagen sind vielfältig und schwer auf eine Hauptursache einzugrenzen. Man kann aber eine Unterscheidung nach quantitativen Aspekten vornehmen: Bei händisch durchgeführten Arbeiten mit kleineren Gefäßen sowie Umfüllvorgängen kommt es im Normalfall zu kleineren, meist gut beherrschbaren Leckagen. Anders ist es dagegen bei der Anlieferung und Entsorgung, im innerbetrieblichen Transport sowie bei der Einspeisung großer Mengen von Gefahrstoffen in Anlagen, also dort, wo große Behältnisse im Spiel sind. Wenn es an diesen Stellen zu einer Leckage kommt, kann die Schadensbegrenzung zu einer ernsten Herausforderung werden und die daraus folgenden Schäden können erheblich sein.
In welchem Bereich im Umgang mit Gefahrstoffleckagen herrscht die größte Unsicherheit? Wo liegen die typischen Gefahrenpotentiale im Unternehmen?
Tobias Authmann: Sobald der Normalbetrieb aufgrund unvorhergesehener Ereignisse wie Leckagen verlassen wird, entstehen Unsicherheiten. Je nach ausgetretener Menge, Gefährlichkeit der Substanz sowie Örtlichkeit, an dem sich die Leckage ereignet hat, kann bei vielen Mitarbeitern schnell Nervosität und Überforderung eintreten. Um dem Entgegenzuwirken ist es grundsätzlich notwendig, dass sich die Unternehmen bereits vor dem Eintritt des Ernstfalls Notfallpläne erarbeiten, in denen unter anderem auch klare Handlungsanweisungen für diese Situationen festgelegt werden.
Gibt es im Leckagemanagement von Gefahrstoffen Unterschiede für Gefahrenpotentiale durch die Unternehmensgröße?
Tobias Authmann: Gefahrenpotentiale sind einmal quantitativ, nach der Menge der vorhandenen Betriebsstoffe zu bewerten. Hier lässt sich in vielen Fällen ein Zusammenhang zwischen der Unternehmensgröße und dem Gefahrenpotential herstellen.
Hingegen ist die rein qualitative Gefahr vorrangig von den Stoffeigenschaften abhängig. In Bezug darauf lässt die Unternehmensgröße nicht zwangsläufig einen Rückschluss auf das Gefahrenpotential zu. Werden sehr viele unterschiedliche Chemikalien auf dem Betriebsgelände vorgehalten, stellen sich bereits an eine sichere gesetzeskonforme Lagerung hohe Ansprüche. Für den Leckagefall ergeben sich so mehr Szenarien, die im Notfallplan bedacht werden und auf welche die Mitarbeiter vorbereitet werden müssen.
Können Sie grundsätzlich aufzeigen, wie man im Falle einer Leckage mit den jeweiligen Gefahrstoffen vorgeht? Bei einer Leckage mit Öl muss sicherlich anders vorgegangen werden als bei einer Leckage mit Säuren oder Laugen. Worin genau liegen hier die Unterschiede?
Tobias Authmann: Bei der Eindämmung und Aufnahme von Leckagen gibt es keine großen Unterschiede. Wichtig sind vor allem die Wahl eines für den jeweiligen Fall geeigneten Bindemittels sowie die adäquate Persönlicher Schutzausrüstung (PSA). Der Selbstschutz der Mitarbeiter sollte bei jeglicher Aktivität immer die höchste Priorität genießen! Insofern sind die Fragen nach der adäquaten Schutzausrüstung und ob man die Leckage selbst bereinigen kann oder doch besser die Feuerwehr zur Hilfe ruft, im wahrsten Sinne des Wortes von existenzieller Bedeutung.
Wie können Unternehmen in Bezug auf Gefahrstoffleckagen aktiv Vorsorge betreiben?
Tobias Authmann: Der §5 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) schreibt Gefährdungsbeurteilungen vor. Daraus leiten sich Schutzmaßnahmen, Betriebsanweisungen und Notfallpläne ab. Werden in diesen Zuständigkeiten, Vorgehensweisen im Unternehmen klar definiert, und eine den Stoffen und Mengen entsprechende Notfallausrüstung vorgehalten und deren Verwendung trainiert, ist ein Unternehmen gut vorbereitet!
Wie wichtig sind aus Ihrer Sicht Mitarbeiterschulungen für das Leckagemanagement bei Gefahrstoffen?
Tobias Authmann: Die Mitarbeiterschulung ist ein unverzichtbarer Baustein der Betriebssicherheit. Der beste Notfallplan kann nur funktionieren, wenn er unter Einbeziehung der Mitarbeiter auf Praxistauglichkeit getestet wurde. Daher beinhaltet das Leckage Notfall-Training der Denios Academy auch den aktiven Trainingsteil. Entsprechend geschulte Mitarbeiter beachten den Eigenschutz, kennen die verfügbaren technischen Hilfsmittel, deren Aufbewahrungsort und wissen, wie sie diese verwenden müssen. So ist es ihnen möglich, im Ernstfall souveräner und routinierter zu reagieren. Verkürzte Reaktionszeiten tragen wesentlich zum besseren Schutz der Umwelt und des Unternehmens bei.
Aus welchen Bestandteilen sollte sich die persönliche Schutzausrüstung für die Beschäftigten zusammensetzen, wenn sie sich in einem Leckagenotfall mit Gefahrstoffen befinden?
Tobias Authmann: Als minimale Schutzausrüstung sollten ausnahmslos geschlossene Sicherheitsschuhe, eine dicht schließende Schutzbrille sowie medienbeständige Schutzhandschuhe getragen werden! In manchen Fällen kann auch Atemschutz erforderlich sein. Sobald die Verwendung von Vollschutz notwendig ist, muss man sich fragen, ob die Feuerwehr verständigt werden sollte. Wurden die Voraussetzungen hierfür bereits im Notfallplan definiert, so schafft das für alle Beteiligten zusätzlich Sicherheit und spart ggf. Zeit! In Ex-Zonen muss zudem auf eine ATEX-konforme Ausrüstung geachtet werden.
Welche technischen Schutzmaßnahmen sollten am Arbeitsplatz für den Leckagenotfall mit Gefahrstoffen zur Verfügung stehen?
Tobias Authmann: Am Arbeitsplatz sind die geeignete PSA und sonstige Schutzmaßnahmen bereits für die reguläre tägliche Arbeit essentiell. Darüber hinaus sollten erweiterte technische Schutzmaßnahmen wie geeignete Bindemittel, Gullyabdeckungen, Faltwannen etc. bereitgehalten werden. Am besten nahe an den Orten platziert, an denen nach der Gefährdungsbeurteilung am ehesten mit Leckagen zu rechnen ist.
Welche Maßnahmen schreibt der Gesetzgeber vor, um Umweltgefährdungen im Leckagenotfall mit Gefahrstoffen zu vermeiden?
Tobias Authmann: Es gibt zwei elementare Ansätze bei der Vermeidung von Umwelt-beeinträchtigungen: Zum einen gibt es die präventiven Maßnahmen, zu denen das gesetzeskonforme Lagern von Gefahrstoffen in speziellen Gefahrstofflagern zählt. Dazu zählt auch die passende Auffangwanne für den jeweiligen Gefahrstoff, um bei der Lagerung kein Risiko einzugehen. Zum anderen sollten die Maßnahmen, die nach dem Notfallplan aufgestellt, berücksichtigt werden, um die bestmögliche Minimierung der Auswirkungen im Schadensfall zu bewirken.
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