Schutz für exponierte Personen und wohlhabende Familien
Es mag eine ziemlich stabile Konstante der Geschichte sein, dass die Zeiten von den Zeitgenossen als besonders unruhig oder gar unsicher empfunden werden. Wie berechtigt dieses Gefühl ist, lässt sich nicht so einfach messen. Allerdings: Die Nachfrage nach Personenschutz steigt. Anlass genug, für GIT SICHERHEIT, sich mit einer Expertin darüber zu unterhalten: Christina Schwung ist gemeinsam mit Sascha Neukirch bei dem Sicherheitsberatungsunternehmen Corporate Trust für das Thema verantwortlich.

Frau Schwung, Sie befassen sich bei Corporate Trust mit Personenschutz. Bevor wir das Thema weiter ausdifferenzieren: Wie prall sind Ihre Auftragsbücher gefüllt – und wie entwickelt sich Ihre Branche derzeit?
Christina Schwung: Die Auftragslage im Bereich Personenschutz ist derzeit ausgesprochen positiv. Nahezu wöchentlich gewinnen wir neue Klienten hinzu, wobei wir sowohl kurzfristige als auch langfristige Mandate betreuen. Der überwiegende Teil unserer Aufträge sind langfristige Schutzkonzepte, die eine kontinuierliche Betreuung erfordern.
Was wir besonders beobachten: Das Sicherheitsempfinden vermögender Personen hat sich in den letzten Jahren merklich verändert. Es ist nicht unbedingt eine konkrete Bedrohungslage, die unsere Klienten zu uns führt, sondern vielmehr ein gestiegenes Bewusstsein für potenzielle Risiken. Die geopolitischen Spannungen, zunehmende soziale Ungleichheit und die Verbreitung von Informationen über soziale Medien haben dazu beigetragen, dass High-Net-Worth-Individuals ihre Sicherheitsvorkehrungen überdenken und professionalisieren.
Sie unterstützen vor allem wohlhabende Familien, aber es gehören auch zum Beispiel Persönlichkeiten die für Unternehmen an exponierter Stelle tätig sind zu Ihren Kunden. Hier wird es eine große Schnittmenge geben. Wie kommt der Kontakt zu Ihnen zustande?
Christina Schwung: In der Regel erfolgt der erste Kontakt über die Vorzimmer oder bei Vorständen über die Sicherheitsverantwortlichen der Unternehmen. Die Kundenakquise im Personenschutzbereich stellt uns vor besondere Herausforderungen, da unsere Zielgruppe bewusst abgeschirmt und schwer direkt erreichbar ist. Klassische Werbemaßnahmen greifen in unserer Branche kaum. Stattdessen setzen wir auf gezielte Netzwerkarbeit und persönliche Präsenz bei exklusiven Veranstaltungen. Dort steht für uns die Vertrauensbildung im Vordergrund – nicht das aktive Verkaufen. Besonders wertvoll sind Empfehlungen bestehender Klienten sowie unsere Kontakte zu Family Offices, die als wichtige Vermittler zwischen uns und potenziellen Kunden fungieren.
Wovor brauchen Ihre Kunden vor allem Schutz – und woher kommen die Bedrohungen vor allem?
Christina Schwung: Unsere Klienten benötigen Schutz vor digitalen und physischen Bedrohungen. Im Cyberbereich dominieren Phishing, Ransomware und maßgeschneiderte Malware-Kampagnen. Physisch bleiben Entführungen, Einbrüche, Stalking und körperliche Angriffe relevant. Hinzu kommen finanzielle Betrugsmaschen, Social Engineering und zunehmend Reputationsrisiken durch Desinformationskampagnen. Die Bedrohungen stammen von organisierten kriminellen Gruppierungen, Insidern mit Zugang zu persönlichen Informationen und immer raffinierteren Cyberkriminellen. Auch geopolitische Faktoren und soziale Ungleichheit spielen eine wachsende Rolle. Die erhöhte Sichtbarkeit und der digitale Fußabdruck unserer Klienten erfordern maßgeschneiderte Schutzkonzepte statt Standardlösungen.
Was gehört alles zu Ihrem Angebot?
Christina Schwung: Bei Corporate Trust bieten wir im Bereich Personenschutz und Familiensicherheit ein ganzheitliches Schutzkonzept mit unserem „Family Care“-Programm. Dieses schafft einen unsichtbaren Schutzschirm für maximale Sicherheit, ohne die persönliche Lebensführung einzuschränken. Elementar ist dabei die Voraufklärung – eine diskrete Überwachung des Umfelds, um Gefahren frühzeitig zu erkennen und präventiv zu handeln. Unser „Perfect Matching“-Verfahren mit psychologischer Eignungsdiagnostik stellt sicher, dass wir den optimal passenden Personenschützer für jede Familie finden. Auf Basis einer individuellen Gefährdungsanalyse entwickeln wir maßgeschneiderte Sicherheitslösungen, die von umfassender Objektsicherheit mit Perimeterschutz und Einbruchmeldetechnik über digitalen Schutz mit Darknet-Recherchen und IT-Sicherheit bis hin zu Background-Checks und Auskunftssperren reichen. Ein persönlicher Sicherheitsmanager koordiniert alle Maßnahmen und steht Ihnen mit unserem 24/7-Krisenteam jederzeit zur Verfügung – quasi wie eine eigene kleine Unternehmenssicherheit für Ihre Familie. Alle Komponenten werden diskret implementiert, damit Sie sich unbeschwert auf Ihre Ziele konzentrieren können.
Können Sie mal anhand eines praktischen Beispiels darstellen, wie der Schutz etwa für einen CEO eines mittelständischen Familienunternehmens aussieht und was es alles umfasst?
Christina Schwung: Herr Müller führt in dritter Generation ein mittelständisches Familienunternehmen mit 500 Mitarbeitern. Nach Drohungen eines entlassenen Mitarbeiters und zunehmender Geschäftstätigkeit in instabilen Regionen entscheidet er sich für ein Sicherheitskonzept. Wir beginnen mit einer umfassenden Gefährdungsanalyse seiner Routinen, Wege und Immobilien. Eine Sichtbarkeitsrecherche zeigt öffentlich zugängliche private Details und im Darknet finden wir seine E-Mail-Adresse auf einer Liste gehackter Konten. Sofort implementieren wir Schutzmaßnahmen: Adresssperren bei Behörden, Bereinigung der Online-Präsenz und Installation moderner Sicherheitssysteme. Sein Fahrzeug erhält ein Tracking-System und er bekommt einen geschulten Fahrer, der gleichzeitig als Personenschützer fungiert.
Die Voraufklärung ist essenziell: Bevor Herr Müller sein Haus verlässt, hat unser Team die Umgebung gesichtet. Bei seiner wöchentlichen Golfrunde ist ein unauffälliger Begleiter in der Nähe. Für Geschäftsreisen erstellen wir detaillierte Sicherheitskonzepte mit lokalen Risikoanalysen. Unser Konzept ist modular erweiterbar: Bei abstrakter Gefährdung setzen wir auf indirekten Personenschutz mit intensivierter Voraufklärung. Bei konkreteren Bedrohungen erweitern wir um direkten Personenschutz mit permanenter Begleitung und speziellen Sicherheitsfahrzeugen. Im Unternehmen schulen wir das Personal und implementieren ein Besuchermanagementsystem. Die Familie erhält Sicherheitsschulungen und Zugang zu einer Echtzeit-Überwachungsplattform. Diese ineinandergreifenden Maßnahmen bilden einen unsichtbaren Schutzschirm, der Herrn Müller ein weitgehend normales Leben ermöglicht.
Sie beschäftigen sich ja sogar mit dem Thema Cyberangriffe?
Christina Schwung: Bei Corporate Trust vertreten wir die Überzeugung, dass moderner Personenschutz nur ganzheitlich funktionieren kann, wenn physische und digitale Sicherheitsmaßnahmen integriert werden. Viele Angriffe beginnen heute im digitalen Raum, bevor sie in der physischen Welt sichtbar werden. Unser Ansatz zur Cybersicherheit folgt dem Grundsatz „Angriffe abwehren, bevor sie passieren“. Wir bieten präventive Sicherheitsdienstleistungen, die auf realen Angriffsszenarien basieren und individuell angepasst werden.
Die digitalen Bedrohungen reichen von Ransomware über Industriespionage bis zu staatlich unterstützten Akteuren. Wir entwickeln technische Lösungen, die einen digitalen Grundschutz bilden, bevor physische Schutzmaßnahmen notwendig werden.
Besonders wichtig ist die Verbindung zwischen digitaler und physischer Sicherheit. Wenn wir etwa feststellen, dass persönliche Informationen im Darknet gehandelt werden, ergreifen wir präventive Maßnahmen, bevor diese für physische Angriffe genutzt werden können.
In der heutigen vernetzten Welt ist effektiver Personenschutz ohne robuste Cybersicherheitsmaßnahmen undenkbar. Durch die Integration beider Bereiche schaffen wir einen umfassenden Schutzschild für die ganzheitliche Sicherheit unserer Klienten.
Es steckt schon im Wort Personenschutz: Einen Menschen effektiv zu schützen, ist etwas wirklich sehr Persönliches. Das heißt, zwischen beiden Seiten muss die Chemie stimmen. Wie schwierig ist das?
Christina Schwung: Die Beziehung zwischen Schutzperson und Personenschützer ist hochkomplex. Unsere Klienten wünschen sich oft einen widersprüchlichen Mix: höchste Professionalität kombiniert mit persönlicher Sympathie. Das Schlüsselkonzept ist „Nähe-Distanz“ – die Fähigkeit, situativ zwischen vertrautem Begleiter und distanziertem Profi zu wechseln. Ich beschreibe es bildlich: Der Personenschützer steht vor dem Fenster, sieht hinein, geht aber nicht hinein. Er gehört zum „inner circle“, ist aber nie wirklich Teil davon.
Besonders herausfordernd ist die Anforderung, stets im Hintergrund zu bleiben – der unsichtbare Schatten, der präsent, aber nie dominant ist. Dies erfordert außergewöhnliche Selbstdisziplin und die Bereitschaft, ohne öffentliche Anerkennung zu arbeiten.
Deshalb verfechte ich unser „Perfect Matching“-Konzept mit psychologischer Eignungsdiagnostik. Wir analysieren Persönlichkeitsprofile, um die optimale Übereinstimmung zu finden, denn ein erfolgreicher Personenschützer braucht neben technischen Fähigkeiten vor allem emotionale Intelligenz und Anpassungsfähigkeit.
Es gibt ja keine fest definierte Aufgabe für so einen Job. Wie sieht sie denn idealerweise aus und wie kann man die Qualität sichern, die auch für den Kunden als solche erkennbar ist?
Christina Schwung: Es gibt tatsächlich klare Aufgabendefinitionen für Personenschützer im Familienkontext, auch wenn das Berufsbild in Deutschland nicht standardisiert ist. Bei Corporate Trust setzen wir ausschließlich auf Personenschützer mit behördlichem und militärischem Hintergrund. Diese spezielle Sozialisierung ist ein absoluter Qualitätsmarker für diese anspruchsvolle Tätigkeit. Ein entscheidender Vorteil ist ihre „Mission-first“-Mentalität: sie arbeiten nicht in starren Schichten, sondern bis der Auftrag erfüllt ist. Zu den Qualitätsmerkmalen gehören Situationsbewusstsein, Deeskalationstechniken, Selbstverteidigungsfähigkeiten und medizinische Kenntnisse. Wichtig sind vorausschauendes Denken, diskrete Integration ins Familienumfeld und die Fähigkeit, situativ unsichtbar oder präsent zu sein. Die Qualität zeigt sich darin, dass die Schutzperson ihr Leben ohne Einschränkungen führen kann, während im Hintergrund ein durchdachtes Sicherheitskonzept wirkt.
Frau Schwung, die Zeiten sind vergleichsweise unruhig, und wir haben eine neue Bundesregierung gewählt. Haben Sie von Ihrem Standpunkt aus Erwartungen auch an die Politik?
Christina Schwung: In meiner Funktion beobachte ich die aktuelle Lage mit professioneller Sorge. Ja, ich habe klare Erwartungen an die neue Bundesregierung. Vor allem wünsche ich mir eine Stärkung der Sicherheitsbehörden – nicht nur finanziell, sondern auch durch modernere rechtliche Rahmenbedingungen, die den aktuellen Bedrohungen gerecht werden.
Die Cybersicherheit muss deutlich mehr Priorität erhalten. In meiner täglichen Arbeit erlebe ich, wie verwundbar selbst wohlhabende Familien und Unternehmen im digitalen Raum sind. Hier brauchen wir dringend bessere Strukturen und eine engere Verzahnung zwischen staatlichen und privaten Sicherheitsdienstleistern.
Was mich persönlich umtreibt: Die zunehmende gesellschaftliche Polarisierung. Sie führt zu einer spürbaren Verrohung und steigenden Gewaltbereitschaft, die auch unsere Klienten direkt betrifft. Hier erwarte ich von der Politik klare Signale und Maßnahmen, die den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken. Letztlich geht es um eine Balance – zwischen notwendigen Sicherheitsmaßnahmen und dem Erhalt unserer freiheitlichen Lebensweise. Diese Balance zu finden, ist die große Herausforderung für die neue Regierung. Und daran werde ich sie messen.