Lithium-Ionen Energiespeicher: Abwehrender und vorbeugender Brandschutz
In den 1990er-Jahren begann die Karriere der Lithium-Ionen-Technologie. Sie haben eine hohe Energiedichte, geringe Selbstentladung, lange Lebensdauer und sind vielseitig einsetzbar – von Smartphones über E-Bikes bis hin zu Elektrofahrzeugen und stationären Speichern. Sie bergen aber auch Risiken – etwa im Brandschutz. Doch wer sich mit den Eigenschaften und Gefährdungen dieser Technologie auseinandersetzt, kann gezielt vorbeugen, sagt Jörn-Bo Hein, Geschäftsleiter E-Mobility und Li-Akku-Schutz von TSF Sales & Services in seinem Beitrag für GIT SICHERHEIT.

Wir klammern einmal aus, dass es möglicherweise schon vor rund 2.000 Jahren eine Nutzung von einfachsten Batterien (Stichwort: Bagdad-Batterie) gegeben hat. Ausgrabungen im heutigen Irak lassen, aufgrund der Komponenten Tonkrug, Kupferzylinder und Eisenstab und deren besondere Anordnung, die Vermutung zu, dass unsere heutigen Akkumulatoren frühe Vorläufer hatten.
Mit Blick in die Neuzeit ist die Geschichte der Energiespeicherung geprägt von einer kontinuierlichen Weiterentwicklung, getrieben vom wachsenden Energiebedarf und dem Streben nach Effizienz, Mobilität und Nachhaltigkeit. Bevor Lithium-Ionen-Akkus ihren weltweiten Durchbruch feierten, dominierten andere Technologien den Markt: Blei-Säure- und auch Blei-Gel Akkumulatoren. Diese sind seit dem 19. Jahrhundert bekannt und wurden vorrangig in der Automobiltechnik verwendet. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts folgten Nickel-Cadmium- (NiCd) und später Nickel-Metallhydrid-Akkus (NiMH), die in tragbaren Geräten wie Mobiltelefonen und Kameras verbreitet waren. Doch diese Technologie litt unter begrenzter Energiedichte, dem hohen Gewicht und dem Memory-Effekt (falsches Laden verkürzte die Lebenszeit).
Der Durchbruch gelang in den 1990er-Jahren mit der Einführung der Lithium-Ionen-Technologie. Sony brachte 1991 den ersten kommerziellen Lithium-Ionen-Akku auf den Markt – Das sollte ein Wendepunkt in der mobilen Energieversorgung werden. Lithium-Ionen-Akkus zeichnen sich durch eine hohe Energiedichte, geringe Selbstentladung, lange Lebensdauer und vielseitige Einsatzmöglichkeiten aus – von Smartphones über E-Bikes bis hin zu Elektrofahrzeugen und stationären Speichern.
Heute gängige Li-Akkutypen nach Zellchemie
Heute gibt es eine Vielzahl von Lithium-Ionen-Akkutypen, die jeweils auf spezifische Anforderungen hin optimiert wurden. Zu den wichtigsten zählen:
- Lithium-Cobalt-Oxid (LCO): Hohe Energiedichte, Verwendung vor allem in Smartphones, Tablets und Notebooks.
- Lithium-Eisenphosphat (LFP): Hohe Sicherheit und Zyklen-Festigkeit, bevorzugt in E-Fahrzeugen und stationären Speichern.
- Lithium-Nickel-Mangan-Cobalt-Oxid (NMC): Gute Balance zwischen Leistung, Energiedichte und Lebensdauer – Sehr verbreitet in der Elektromobilität sowie bei E-Bikes und -E-Scootern.
- Lithium-Nickel-Cobalt-Aluminium-Oxid (NCA): Ähnlich wie NMC, mit besonders hoher Energiedichte – Etwa bei Tesla im Einsatz.
Lithium-Titanat (LTO): Extrem langlebig und schnellladefähig, jedoch mit geringerer Energiedichte – Ideal für Spezialanwendungen, Medizintechnik, Militär- - Lithium-Polymer (LiPo oder Li-Ion Polymer): Zellchemisch meist identisch mit NMC oder LCO, aber statt eines flüssigen Elektrolyten wird ein Gel- oder Polymer-Elektrolyt verwendet. Einsatzbereich: Modellbau, Drohnen und tragbare Geräte.
Die verschiedenen Zell-Chemien reflektieren vor allem aber auch die regelmäßige Suche nach der höchstmöglichen Leistungsdichte. Im stationären Betrieb bedeuten das längere Akkulaufzeiten, im mobilen Bereich rückt vielfach eine höhere Reichweite von E-Fahrzeugen in den Fokus. Letzteres ist bis heute ein beliebtes Argument, von der Anschaffung eines E-Kfz abzusehen, obwohl gerade im urbanen Umfeld die durchschnittliche Fahrleistung aller in Deutschland zugelassenen Pkws deutlich unter 100 km/Tag liegt.
Gefahren Li-Ionen-basierter Energiespeicher

Sind Li-Akkus grundsätzlich als gefährlich einzustufen? – Der Advokat würde vielleicht zunächst antworten: „Das hängt davon ab...!“ Und in der Tat, viele Li-Akkus verrichten lange und ohne jedes Brandereignis den Dienst. Als problematisch lässt sich indes einstufen, dass sich ein bevorstehendes Umsetzen, also das so genannte thermale Durchgehen (Thermal Runaway) des Akkus, meist nicht eindeutig oder überhaupt ankündigt. Viele Brandereignisse finden buchstäblich von einem auf den anderen Moment statt, was den abwehrenden Brandschutz kompliziert macht.
Ein weiterer Aspekt: Früher hatten wir einfach nicht so viele Akkus. Die Vielfalt der Einsatzbereiche und die pure Masse an LI-Akkus in mittlerweile allen Branchen und Lebensbereichen müssen in jeder zeitgemäßen Gefährdungsbeurteilung berücksichtigt werden. Li-Akkus sind als Gefahrgut klassifiziert und Unternehmen sind verpflichtet, Maßnahmen für den vorbeugenden Brandschutz zu ergreifen und kontrolliert umzusetzen. Im privaten Umfeld ist es indes nicht weniger wichtig, sich mit der Prävention auseinander zu setzen.
Der Grund liegt in den unterschiedlichen Brandereignissen von LI-Akkus und herkömmlichen Bränden. Letztere lassen sich häufig durch den Entzug von Sauerstoff ersticken und damit Löschen. Was ist da beim LI-Akku anders?
Bei einem Brand von Lithium‑Ionen-Akkus zerfallen die Zellen rasch und setzen gefährliche Stoffe frei: Z. B. reagiert das Elektrolytsalz LiPF₆ mit Feuchtigkeit zu ätzendem Fluorwasserstoff (HF) und Phosphorsäure, die schon in geringen Mengen schwere Atemwegs- und Hautreizungen verursachen können. Zudem werden giftige Schwermetalloxide (z. B. Nickel- und Kobaltoxyde) sowie krebserzeugende organische Lösungsmittel und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) freigesetzt. In geschlossenen Räumen können sich diese Schadstoffe schnell auf gefährliche Konzentrationen anreichern Eben die Kombination dieser Stoffe – giftige, ätzende Gase, krebserzeugende Metalloxide sowie flüchtige organische Verbindungen – macht Lithium‑Ionen-Brände für den Menschen besonders gefährlich. In geschlossenen Räumen können sich diese Schadstoffe schnell in Konzentrationen ansammeln, die zu akuten Vergiftungen, Atemwegsreizungen und sogar lebensbedrohlichen Zuständen führen. Deshalb sind im Brandfall ein schnelles Evakuieren und der Einsatz professioneller Brandbegrenzung und Brandbekämpfung unerlässlich.
Allerdings verhalten sich nicht alle Lithium-Ionen Derivate im Brandereignis exakt gleich. Als Faustformel lässt sich sagen, hohe Energiedichte wird mit einer erhöhten Gefährdung erkauft (siehe Tabelle).

Was beim Thermal Runaway passiert
Ein Thermal Runaway ist eine unkontrollierte, sich selbst verstärkende Überhitzungsreaktion in einem Lithium-Ionen-Akku. Dabei setzt eine Zelle durch Überhitzung (z. B. durch Überladung, Kurzschluss oder Beschädigung) chemisch gebundene Energie als Hitze frei. Diese Hitze destabilisiert in der Folge benachbarte Zellen, was zu einer Kettenreaktion führt. Dabei:
- überhitzen die Zellen von innen heraus,
- setzen Sauerstoff und brennbare Gase frei,
- kann die Temperatur in Sekunden auf über 600–900 °C steigen,
- ist das Feuer meist nicht von außen kontrollierbar,
- kommt es oft zu Explosionen und toxischer Rauchentwicklung
- kann der Brand nicht durch den Entzug von Sauerstoff gelöscht werden
Ein umsetzender Li-Akku erzeugt also eine enorme Hitze und hohe Volumina an Brand- und toxischen Gasen. Diese Kombination bringt auch Aufbewahrungsbehältnisse, wie z. B. Li-Akkutaschen und Li-Akkuboxen regelmäßig an die Grenzen. Brandversuche mit neuen Li-Akkus in der 500–600 Wh-Klasse (klassisch E-Bike und E-Scooter) zeigen über den Brandverlauf einen Rauchgas-Ausstoß von 190–200 m3, was im geschlossenen Behältnis den Effekt einer Rohrbombe entwickeln kann.
Abwehrender Brandschutz
Zwar kann ein in Brand geratener Akku von Einsatzkräften mit Wasser gekühlt werden, dies verlangsamt aber den chemischen Zersetzungsprozess des LI-Akkus nur – und stoppt ihn nicht etwa. Übrigens ist auch dies ein Aspekt für den Recycler, der häufig gar nicht wissen kann, in welchem Zustand ihn ein LI-Akku, eine Traktionsbatterie erreicht. Die Einsatzkräfte müssen außerdem einen Zugang zum Brandereignis legen können, was beispielsweise bei typischen Einsatzfahrzeugen (Tanklöschfahrzeuge & Co) z.B. in einer Hotel- oder Tiefgaragensituation zu einer zusätzlichen Herausforderung wird. Es gibt eine Reihe von Beispielen, in denen man mit zigtausend Litern Löschwasser dem Entstehungs- oder Vollbrand eines E-Fahrzeuges begegnet. Was im Außenbereich ökologisch äußerst bedenklich ist, kann im Innenbereich (Werkstatt, Halle, Garage) den Kollateralschaden noch deutlich vergrößern.
Für die sichere, stationäre Aufbewahrung von Li-Akkus, gibt es zertifizierte Lithium-Ionen-Akku Aufbewahrungsschränke in verschiedenen Größen und mit kundenspezifisch anpassbaren Konfigurationen. – Für den sicheren Transport sind ebenfalls besondere Behälter mit speziellen Zulassungen (z. B.: BAM, ADR) erforderlich und mittlerweile am Markt erhältlich.
Obwohl Li-Akkus, in Abhängigkeit ihres jeweiligen Einsatzes, über die Lebensdauer latent an Kapazität und damit an Leistung verlieren, werden sie indes auch brennfreudiger. Daraus lässt sich ableiten, dass eine Vielzahl von Li-Akkus erst in der jungen bis mittleren Zukunft im Gefährdungspotential zunehmen. Die Eintrittswahrscheinlichkeit eines durch einen Li-Akku ausgelösten Brands sollte nicht den Blick auf den möglichen Folge- oder Kollateralschaden verstellen.
Vorbeugender Brandschutz
Die gute Nachricht: Bislang hat die absolute Mehrheit aller Li-Zellen und Li-Akkus kein Brandereignis ausgelöst und wird das mit hoher Wahrscheinlichkeit auch nicht tun. Vorbeugender Brandschutz beginnt deshalb und wie so häufig mit Wissen, Weitergabe von Wissen und dessen Anwendung. Anwendung bereits im alltäglichen Umgang: Durch korrektes Laden, sicheres Lagern, bewussten Transport und frühzeitiges Erkennen von Gefahrenzeichen. Ziel ist es, Risiken zu minimieren, die Lebensdauer der Akkus zu verlängern und im Ernstfall vorbereitet zu sein.
Fazit
Lithium-Ionen-Akkus sind aus unserem Alltag und vielen Branchen nicht mehr wegzudenken – als leistungsfähige Energiespeicher eröffnen sie enorme Chancen für Mobilität, Digitalisierung und Energiewende. Doch mit ihrer Verbreitung steigen auch die Risiken. Wer sich mit den Eigenschaften und Gefährdungen dieser Technologie auseinandersetzt, kann fundierte Entscheidungen treffen und gezielt vorbeugen. Ob privat oder im gewerblichen Kontext: Sicherheitsbewusstsein, Schulung und technische Schutzmaßnahmen sind heute keine Kür mehr – sie sind Pflichtprogramm im Umgang mit moderner Energiespeicherung.
Sicherer Umgang mit Lithium-Ionen-Akkus
1. Sicheres Laden
- Original- und zugelassene Ladegeräte verwenden
- soweit technisch kontrollierbar, niemals überladen oder tiefentladen
- langsames Laden (Ladestrombegrenzung) den Ladeprozess nicht unbeaufsichtigt lassen
2. Temperatur beachten
- optimaler Temperaturbereich 0-45°C
- Temperaturen <0°C kann wie bei zu hohen Ladeströmen zum Brand führen
- Temperaturen >60°C Gefahr der beginnenden internen Zersetzung
- Akku keiner Hitzequelle oder langer Sonneneinstrahlung aussetzen
3. Transport & Erschütterung
- Akkus stoßgeschützt, gut verpackt transportieren
- Kurzschlüsse vermeiden, z. B. auch Batteriepole abkleben
- ADR/IATA-Vorschriften kennen und beachten
- keine beschädigten Akkus transportieren
- heruntergefallene, gestürzte Akkus in Quarantäne geben
4. Lagerung
- kühl und trocken (15-20°C), brandsicher lagern
- nur teilgeladen (SOC=30-50%) aufbewahren
- geeignete, zertifizierte Aufbewahrungsboxen und -schränke verwenden
- regelmäßige Zustandsprüfung gem. Gefährdungsbeurteilung
5. Weitere Schutzmaßnahmen
- Akku-eigenes oder externes Batterie-Management-System (BMS) nutzen
- defekte Akku (auch Sichtprüfung) sofort entsorgen (Quarantäne)
- niemals auf oder in der Nähe brennbarer Materialien laden
- Überwachungs-Sensorik einsetzen (Rauchgas, Temperatur)
- Quarantäne-Plätze einrichten und vorhalten
- Gefährdungsbeurteilung zum Akku-Einsatz regelmäßig aktualisieren
- Brandbegrenzungsdecken für Fahrzeuge oder/und LI-Akkus bereithalten