Dormakaba: Noch vor kurzem waren das zwei Unternehmen – schon jetzt ist das kaum noch zu bemerken

Er gehörte zu den spannendsten Vorgängen in der Security-Welt in den letzten Jahren: Der Zusammenschluss von Dorma und Kaba zu Dormakaba. Hier haben sich zwei komplementäre Partner...

Er gehörte zu den spannendsten Vorgängen in der Security-Welt in den letzten Jahren: Der Zusammenschluss von Dorma und Kaba zu Dormakaba. Hier haben sich zwei komplementäre Partner gefunden, die jetzt weltweit sicheren Zutritt zu Gebäuden und Räumen aus einer Hand anbieten. Über die neuen Chancen des Cross Sellings zwischen den ehemals zwei Produkt- und Kundenwelten, über neue Business-Modelle und über weitere Trends in der Welt von Tür und Zutritt sprach Matthias Erler von GIT SICHERHEIT mit Michael Hensel, verantwortlich für das Deutschlandgeschäft und Uwe Eisele Leiter Marketing Deutschland bei Dormakaba.

GIT SICHERHEIT: Herr Hensel, Herr Eisele auf der Security haben Sie sich erstmals gemeinsam und vollständig als Dormakaba mit einem neu gestalteten 700m²-Stand der gesamten Sicherheits-Community präsentiert. Wie kam das bei den Fachbesuchern an?

Michael Hensel: Wir haben mit nur kurzem Vorlauf diesen neuen Stand entwickelt, der das Unternehmen mit seinem kompletten Produktportfolio präsentiert. Dafür haben wir sehr gutes Feedback bekommen – die Besucher waren sowohl von der Dimension als auch den präsentierten Inhalten beeindruckt. Es war nicht mehr wahrnehmbar, dass es sich vor kurzem noch um zwei Unternehmen gehandelt hat.

. . . nur an den Produkten kann man es noch erkennen.

Uwe Eisele:
Die Produkte folgen jetzt nach und nach bei der Umsetzung unserer Markenstrategie. Das ist nicht immer einfach, weil es auch Fertigungsrelevanz hat. Auf dem Zylinder, auf den etwa das alte Kaba-Logo passte, muss jetzt das recht lange Dormakaba-Logo Platz finden. Insgesamt geht es uns jetzt darum, die Dachmarke mit unserer neuen Corporate Identity umzusetzen. Die Security war dazu gewissermaßen der Big Bang für das neue Branding in Deutschland.

Leuchten die Vorteile des Zusammenschlusses von Dorma und Kaba Ihren jeweiligen Kunden ein?

Michael Hensel: Die beiden Unternehmen passen strategisch sehr gut zueinander – das ist auch auf der Messe deutlich geworden, wo alle Exponate rund um die Themen Sicherheit und Tür kreisten. Dort konnte man etwa an den Automatiktüren, den Fluchttüren, etc. sehen, wie die Produktwelten sich treffen. Die Komplementarität zwischen den beiden Unternehmen ist sehr hoch – es gibt kaum signifikante Überschneidungen. Stattdessen gibt es erhebliche Vorteile für unsere verarbeitenden Partner und unsere Handelspartner: Sie erhalten ein vollständiges Portfolio aus einer Hand. Hier ergeben sich vor allem auch erhebliche Chancen für ein Cross Selling.

Dieses Cross Selling und den Vertrieb überhaupt möchten Sie ja auch mit neuen Tools stärken. Die virtuelle Präsentation der „Dormakaba 360° City“ hat ja bereits in Essen für Aufsehen und Bewunderung gesorgt?

Uwe Eisele: Diese 3D-Präsentations-App erleichtert den Vertriebsmitarbeitern – unseren und denen unserer Partner – die Arbeit sehr, weil der Kunde selbst sieht, wo überall unsere Produkte zum Einsatz kommen. So ergibt sich der Einstieg ins Cross Selling schon automatisch. Ein Experte für einen bestimmten Bereich kann dem Kunden auch benachbarte Produkte gleich zeigen, mit denen er sich selbst nicht so auskennt. Er kann alles auch einzeln anklicken und dort schon vertiefte Informationen abrufen. Man sieht in interaktiv steuerbaren Animationen bereits, wie das Produkt funktioniert und in der Praxis aussieht, weil es die Prozesse im Gebäude abbildet. Und selbst technische Informationen auch in Form von Explosionszeichnungen lassen sich aufrufen. Es ist ein Vertriebstool, das man gewissermaßen auch immer dabeihat – abrufbar auch auf einem Tablet und Smartphone. Der Umgang mit diesem sehr modernen und technisch innovativen Tool macht übrigens Kunden wie Mitarbeitern gleichermaßen Spaß – und gleichzeitig können wir uns damit auch im Wettbewerb deutlich positionieren und abgrenzen.

Ganz aktuell ist Ihr im Oktober gestartetes neues Partnerprogramm – das „Dormakaba leadership partner program“. Welches Konzept liegt dem zugrunde?

Michael Hensel: Unser Programm bildet die Grundlage für unseren indirekten Vertrieb – und es beinhaltet weit mehr als eine bloße Mitgliedschaft. Unser Anspruch ist es, gemeinsam mit unseren Partnern zu wachsen. Starke Partnerschaft führt zu gemeinsamem Erfolg – das ist die Grundidee. Bei dem neuen Programm haben wir neben ausführenden Unternehmen – also Planungs- und Errichtungsunternehmen oder Softwarepartner – auch unsere Distributoren mit einbezogen. Denn ein Großteil unseres Geschäfts besteht in maßgeschneiderten Lösungen, die ein ausführendes Unternehmen beim Kunden individuell planen und realisieren muss. Andererseits läuft die gesamte Türschließtechnik über Distributoren, bei dem die ausführenden Firmen sich mit Produkten versorgen. Sie sind also ein wichtiger Teil der Vermarktungskette.

Was beinhaltet das Programm im Einzelnen?

Uwe Eisele: Wir haben unsere Partner in Form verschiedener Kategorien zusammengefasst. Bei den ausführenden Unternehmen sind das die Bereiche Türtechnik, Interior Glass, Sicherheits- und Zutrittslösungen sowie Zeit- und Datenmanagement. Das findet sich dann auch im Partner-Logo wieder. Daneben gibt es sogenannte Partner-Level – angefangen vom normalen Partner über Solution- und Selected Solution-Partner, bis hin zum Executive Solution Partner.

Michael Hensel: Der Partner-Level ist Ausdruck der Intensität in der Zusammenarbeit. Die Einstufung ist jeweils von genau definierten Kriterien abhängig. Es ist ein abgestuftes System, bei dem das Niveau des Know-hows entscheidet. Schulungsteilnahmen sind deshalb wichtig, denn wir möchten nicht, dass unsere Partner über den Preis verkaufen, sondern in der Lage sind, unser erklärungsbedürftiges Portfolio dem Kundenbedürfnis entsprechend anzubieten. Das Programm ist im Übrigen dynamisch, d.h., es wird jährlich überprüft, ob die Partner noch die jeweiligen Kriterien des Partner-Level erfüllen – dabei kann der Partner sich in den nächst höheren Level entwickeln, aber auch in den nächst tieferen.

Es gibt exklusive Partner-Leistungen – worin bestehen diese?

Uwe Eisele: Wir bieten vor allem Zugang zu Know-how, Support und Marketing-Unterstützung. Die Konditionen für die Partnerleistungen sind für alle gleich – dafür haben wir eine Preisliste mit mehr als 80 Partner-Leistungen. Aber Partner mit hohem Level können beispielsweise für den Bereich Automatiktüren auf Ersatzteillieferung über Nacht zurückgreifen. Wir liefern dann direkt ins Fahrzeug oder Depot des Partners – das macht ihn schneller, flexibler und damit wettbewerbsfähiger. Für alle unsere Partner gilt, dass wir ihnen konkreten Nutzen bieten – mit Demo-Equipment, Schulungen, VIP-Hotline, Marketing-Broschüren und anderem. Eine Besonderheit ist unsere Partner-Währung, die „Dormakaba-Credits“, die wir an Partner des Partnerprogramms ausschütten und die sie in solche Partner-Leistungen investieren können. Es gibt außerdem eine Vielzahl von Veranstaltungen – Kongresse, Spezialforen zu Einzelthemen, Vertriebstreffen, etc., die auch als Kommunikationsplattform für die Partnerunternehmen untereinander dienen. Dieses Netzwerk hilft allen, denn hier haben die Firmen Kontakt zu anderen Unternehmen, deren Know-how das ihre ergänzt. Das führt nicht selten zu gemeinsamen Projekten.

Wer kann Partner werden?

Michael Hensel: Jeder, der die jeweiligen Voraussetzungen erfüllt, kann bei uns eine Partnerschaft anstreben. Wir bauen keinerlei Blockaden auf, wollen aber Qualität. Die Kriterien sind transparent und nachvollziehbar. Abgesehen davon beliefern wir selbstverständlich auch Unternehmen, die nicht am Partnerprogramm teilnehmen – der Unterschied besteht hier eben darin, dass sie nicht auf die damit verbundenen Leistungen zurückgreifen können. Mit der Partnerschaft soll ja auch ein gewisses Gütesiegel für Qualität verbunden sein – das bedeutet vor allem auch Sicherheit für den Endkunden.

Das Denken in Geschäftsmodellen macht sich auch bei der Gestaltung von Produkten bemerkbar: Die jüngst vorgestellte Zutrittslösung ­Exivo basiert auf dem Business-Modell „Access Control as a Service“. Der Endnutzer braucht dabei keine eigene IT-Serverstruktur und keine Software – nach Art der Daten-Cloud vertraut er dabei Daten einem Dritten an. Wie funktioniert das im Einzelnen und wie schätzen Sie die Nachfrage nach diesem Modell ein?

Uwe Eisele: Wir glauben, dass der Markt für solche Lösungen reif ist – und zwar deshalb, weil wir der Meinung sind, dass die unübersehbaren Vorteile alles aufwiegen, was an eventuellen Bedenken auftauchen könnte. Die Nachfrage wird steigen – sie ist getrieben durch allgemeine Entwicklungen der Informationstechnologie, Smartphones, etc. Cloud-based-Lösungen sind ja inzwischen längst gang und gäbe.

Exivo ist ja speziell für KMU gedacht, denen Zeit und Leute fehlen, sich mit einer Zutrittslösung näher auseinandersetzen?

Michael Hensel: Ja. Stellen Sie sich einfach mal eine Rechtsanwaltskanzlei vor mit einigen Mitarbeitern, Schreibkräften, etc. Hier hat niemand die Zeit oder das technische Verständnis für die Betreuung einer komplexen Zutrittslösung. Sicherheitstechnik ist nicht ihre Kernkompetenz. Das gleich gilt für Arztpraxen und viele kleinere Unternehmen bis zu vielleicht 50 Mitarbeitern. Bei unserer Lösung ist die ganze Prozesskette berücksichtigt. Für die Leistung zahlt der Nutzer pro eingebundener Tür pro Monat. Der Endanwender kann alles per Webzugang gut dargestellt nachvollziehen und auch jederzeit Erweiterungen in Auftrag geben. Er braucht keine Infrastruktur, muss also keinen separaten Rechner vorhalten, der immer läuft und immer funktionieren müsste. Alles was er braucht, ist W-LAN oder eine LAN-Steckdose. Der Kunde bekommt das System installiert und in Betrieb genommen. Bei Software-Updates ist er von Anfang an automatisch dabei – er braucht nichts zu unternehmen. Selbst wenn es zu einer Störung kommen sollte, kann der Händler über das integrierte Messaging-System direkt kontaktiert werden. Dieser kann die Fehleranalyse dann direkt auf der Plattform durchführen. Das Planungstool, Dokumentation und Service ist enthalten und die ganze Erlebniskette ist im System abgebildet – von Planung und Beschaffung bis zum Service.

Ein weiteres aktuelles Thema: Das Smartphone als Schlüssel. Diese Technik setzt sich langsam durch – etwa in Form Ihrer Hotellösung. In welchem Maße ist das bereits im Einsatz?

Uwe Eisele: Unsere Lösung trifft hier einen immer deutlicher zutage tretenden Trend, der ganz wesentlich von den internationalen Hotelketten vorangetrieben wird. Im Hotelgeschäft besteht insofern nämlich ein starker Handlungsdruck. Dieser verdankt sich der extrem gestiegenen Veränderung des Marktes durch die Online-Portale. Für die Hotels geht wegen der damit verbundenen Gebühren Marge verloren – deshalb versuchen sie, Direktkunden zurückzugewinnen als Direktbucher. Für diese ist es ein guter Service, den Schlüssel zu ihrem Zimmer auf ihr Smartphone geschickt zu bekommen. Das ist für das Hotel lukrativ, weil es sich die Portalgebühr spart, woraus sich wiederum ein schneller Return-on-Invest für die Anschaffung unserer Hotellösung ergibt.

... und das Hotel spart ja nicht nur die Portalkosten...

Michael Hensel: ... sondern auch Personalkosten, richtig. Beispielsweise am Check-in. Für den Hotelgast steht natürlich die Bequemlichkeit im Vordergrund. Er kann ohne zu warten und einchecken zu müssen – und auch ohne unhandlichen Schlüsselanhänger – in sein Zimmer. Das ist gerade für Businesshotels ein sehr attraktives Modell.

Im Bereich der elektronischen Beschläge tut sich derzeit auch einiges bei Dormakaba?

Uwe Eisele: Das ist in der Tat ein großes Thema. Es hängt mit der generellen Digitalisierung im Bereich der Tür zusammen. Dafür haben wir ein umfassendes Portfolio, so dass unsere Partner und Endkunden gewissermaßen aus dem Vollen schöpfen können. Darunter finden sich für verschiedenste Anwendungsfälle die entsprechenden Beschläge, Zylinder, kabelgebunden Türleser – und Möglichkeiten, Komponenten drahtlos anzubinden. Wir haben hier alle Technologien im Programm – offline und online, virtuelle Netzwerke. Wir legen angesichts dieser Vielfalt besonderen Wert auf professionelle und individuelle Beratung.

Ihr COO Dieter Sichelschmidt hat in Essen hervorgehoben, dass Dormakaba Innovationsführerschaft vor allem auch durch Investition von 4 bis 5 Prozent des Gesamtumsatzes in Innovationsprojekte stecken möchte. Was kommt hier noch alles auf uns zu. Geben Sie uns eine kleine Vorschau auf 2017?

Uwe Eisele: Es geht gleich los mit der Messe Bau in München – hier zeigen wir Innovationen aus dem Bereich der Türschließtechnik. Das werden vor allem eine neue Generation von Türschließern sowie Neuheiten aus der Automatik und im Glasbereich sein. Mittelfristig gehen wir davon aus, dass künftig die Komponenten der Türen viel mehr miteinander kommunizieren werden und ihre jeweiligen Betriebszustände austauschen werden. Türöffner und Zutrittskontrollsystem werden etwa Informationen austauschen – etwa bezüglich der Anzahl der tatsächlichen Öffnungen. Wird eine Tür sehr oft begangen, zeigt sich dies daran, wie oft der Drücker betätigt wurde. Daraus lassen sich beispielsweise bedarfsgerechte Wartungszyklen ableiten. Bislang werden die Türen meist alle gleichbehandelt, unabhängig von der Nutzungsfrequenz – hier eröffnet sich also ein Einsparpotential.

Michael Hensel: Auf diese Weise wird sich der gesamte Service weiter verändern – vergleichbar mit dem Auto: Man fährt nicht nur einmal im Jahr sozusagen pauschal zur Inspektion, sondern es wird laufend der Zustand der Einzelkomponenten überwacht und löst dann passgenau den Service aus. Auch unser Modell wird neben der bloßen Installation immer stärker auch die dauerhafte Sicherstellung des Betriebs mit enthalten. Wir kommen immer mehr weg von reinen Produkt- und Systemlieferungen – hin zum Einbinden der Prozessketten unserer Kunden. Es geht um die Durchgängigkeit von Sicherheitsprozessen, um Auslagerung und Abbildung in Form von Services.

Dorma und Kaba hatten vor dem Zusammenschluss jeweils bereits mehr als eine Milliarde Euro bzw. Schweizer Franken Umsatz – das ist schon sehr beeindruckend. Wo sehen Sie – nach dem ersten Jahr des gemeinsamen Auftritts – das Potential für noch weiteres Wachstum?

Michael Hensel: Unser Zusammenschluss eröffnet die Chance, die jeweils vorhandenen Marktzugänge zu nutzen, um das jetzt bestehende Gesamtportfolio zu platzieren. In der Vergangenheit hatten beide Vorgängerunternehmen jeweils ihre eigenen Marktzugänge und Strukturen. Allerdings wird nach wie vor nicht jedes Produkt über jeden Kanal vertrieben werden. Der Bezug von Produkten folgt den Regeln der Zusammenarbeit, wie sie unser Partnerprogramm vorsieht. Im Vordergrund steht für uns das Cross Selling der Produktportfolios an die jeweils neu hinzugekommenen Kunden. Hier ergeben sich für Architekten und Planer im Objektgeschäft erhebliche Chancen und Möglichkeiten. Am Ende entschiedet natürlich immer das Kundenbedürfnis.

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