Sichere Sensorik reagiert flexibel auf veränderte Anforderungen

Wenn kurz vor dem geplanten Auslieferungstermin nochmals grundlegende Änderungen an einer Maschine notwendig werden, bleibt das meist nicht ohne Folgen für das gewählte Sicherheits...

Wenn kurz vor dem geplanten Auslieferungstermin nochmals grundlegende Änderungen an einer Maschine notwendig ­werden, bleibt das meist nicht ohne Folgen für das gewählte Sicherheitskonzept. Gut, wenn in solchen Fällen die Kreativität eines mittelständischen Sondermaschinenherstellers auf die Sicherheitskompetenz eines schwäbischen Automatisierungsexperten trifft: In einer konzertierten ­Aktion haben der Sondermaschinenhersteller Herbst und das Automatisierungsunternehmen Pilz einen Horizontalmischer mit dem sicheren Schutztürsystem PSENmlock nachgerüstet. Die Anlage ging termin­gerecht vom Hof.

Erfinder- und Entwicklergeist sind es, die gerade kleinere Hersteller von Sondermaschinen auszeichnen. Standard können viele, die absolute Zentrierung auf individuelle Kundenwünsche erfordert jedoch ein hohes Maß an Kompetenz und Erfahrung, was technisch und unter ökonomischen Gesichtspunkten machbar ist.

Spezialist in Rührwerkstechnik
Als mittelständisches Unternehmen hat sich die Herbst Maschinentechnik GmbH mit Sitz in Buxtehude insbesondere in den Bereichen Rührwerkstechnik, Sonder- und Spezialmaschinenbau sowie prozessgesteuerte Maschinen, Anlagenbau, Handlings- und Entleerungstechnik weltweit einen Namen gemacht. Mit 30 Mitarbeitern entwickelt und stellt das Unternehmen ein breites Sortiment an Rührmaschinen wie Planetenrührwerke, Zentralrührwerke und Horizontalmischer her. Herbst fertigt Anlagen für unterschiedliche Branchen exakt nach Kundenwunsch und stellt ein eigenes Technikum für Versuchszwecke zur Verfügung.

Vom Podest gestoßen: Neues Sicherheitskonzept notwendig
Horizontalmischer sind Anlagen, die überwiegend feste Stoffe mischen. Die Beschickung erfolgt über Stutzen oder Klappen am Oberteil der fest stehenden zylindrischen Mischtrommel, die Entleerung über den unteren Bereich des Mischers. Entlang einer zentralen Mischwelle sind mehrere Mischwerkzeuge angeordnet, für besonders intensives Vermischen wird mitunter auch ein Planetenrührsystem genutzt. Über einen Doppelmantel lässt sich das Mischgut aufheizen oder kühlen, bei Bedarf arbeiten Horizontalmischer auch unter Vakuum oder Druck.

Im Mai 2018 erlebte Stephan Schöning, Projektleiter bei Herbst, eine Situation, die zum Glück nicht jeden Tag vorkommt. „Ein Horizontalmischer stand fast versandfertig im Hof, als die Nachricht kam, dass die Einbausituation nicht wie zuvor auf einem Podest, sondern ebenerdig und frei zugänglich erfolgen sollte“, erinnert sich Stephan Schöning. Eine Änderung mit weitreichenderen Folgen, da das bisherige Sicherheitskonzept komplett neu überarbeitet werden musste.

Der von Herbst nach Kundenanforderung entwickelte Horizontalmischer dient dem Mischen unterschiedlicher Stoffe in der Futtermittelindustrie. Er besteht aus einem zylindrischen Mischbehälter mit rund 2.500 Liter Fassungsvermögen, ein 30 kW-Motor treibt das Rührwerk mit bis zu 50 Umdrehungen pro Minute an. Die oben und unten liegenden Füll- und Ablassstutzen sind sicherheitstechnisch ohne Bedeutung, nicht jedoch die beiden frontseitigen Service- und Reinigungsklappen: Diese verfügen zwar über mechanische Verriegelungen, es besteht jedoch Verletzungsgefahr für den Bediener, da das Rührwerk nach dem Öffnen der Klappen noch eine Zeit lang nachlaufen kann. „In der Vorversion stand der Mischer auf einem Podest, der Zugang war über eine Schutztür und das sichere Schutztürsystem PSENsgate von Pilz gesichert, die Position der Klappen wurde von berührungslosen Sensoren abgefragt. Die Zugriffszeit war in jedem Fall größer als die Anhaltzeit des Rührwerks, die Anlage somit sicher“, erläutert Stephan Schöning.

Kreative Lösungskompetenz gefragt
Mit der neuen Einbausituation war das bisherige Sicherheitskonzept hinfällig, der zugesagte Liefer- und Installationstermin war aber fix. „Wir hatten zu diesem Zeitpunkt ein echtes Problem, das wir schnell und optimal lösen mussten“, ergänzt Stephan Schöning. An dieser Stelle kam der langjährige Partner Pilz ins Spiel: „Ich war an diesem Tag auf dem Weg zu Herbst und wollte Herrn Schöning eigentlich ‚nur‘ unsere neuen Produkte vorstellen“, erinnert sich Michael Müller, im Vertrieb bei Pilz für diese Region zuständig. Noch ehe er sich versah, war er eingebunden in ein Team, das nach einer der neuen Situation angepassten Sicherheitslösung für den terminierten Horizontalmischer rang.

Die Lösung: Schutztürsystem PSENmlock plus!
Die zwei großen, im Radius des Behälters gebogenen Klappen erforderten einen robusten und flexiblen Schließmechanismus. Diverse Lösungsvarianten wurden diskutiert, verworfen, unter anderem auch ein Schlüsseltransfersystem. Schlussendlich wurde deutlich, dass die gestellte Aufgabe am effizientesten vom robusten Schutztürsystem PSENmlock zu lösen sein würde. PSENmlock von Pilz übernimmt gleich zwei Funktionen in einem Gerät: sichere Zuhaltung und sichere Verriegelung mit einer Zuhaltekraft von 7.500 N. Dabei steht der flexibel gelagerte mechanische Betätiger für einen hohen Toleranzausgleich. Ein bemerkenswertes Detail des Zuhaltesystems ist die gute Ablesbarkeit für Diagnosezwecke über die an drei Seiten angebrachten LEDs

Aufgrund der Geometrie der Klappen und des Auftreffwinkels des Schließbolzens entwickelten die Ingenieure von Herbst eine unterstützende mechanische Lösung: PSENmlock wird dabei auf einer axial beweglichen Vorrichtung mit Federwirkung montiert. Damit erhöht sich die Schließtoleranz des sicheren Schutztürsystems um weitere 10 Millimeter. PSENmlock entriegelt erst dann, wenn das System den sicheren Halt des Rührwerks meldet. Das Management der Position der Klappen wird ebenso von Pilz übernommen: Je ein codierter Sicherheitsschalter PSENcode fragt diese ab, das Sicherheitsrelais PNOZsigma ist für die Steuerung und Überwachung der sicheren Signale zuständig.

Optimale Lösung und Umsetzung ­just-in-time
Die zielfokussierte konzertierte Aktion – von der Aufgabenstellung, der Lieferung des PSENmlock innerhalb weniger Stunden bis zur finalen Umsetzung inklusive Montage des erweiterten Schließmechanismus´ in nur wenigen Tagen – wusste man bei Herbst zu schätzen. „Pilz kam tatsächlich genau zum richtigen Zeitpunkt. Wir wurden ausgezeichnet beraten, inklusive aller Pro- und Contra-Argumente! Gemeinsam entwickelten wir so die optimale Lösung“, fasst Stephan Schöning zusammen.

Modulares Schutztürsystem für alle Anwendungsfälle
Das modulare Schutztürsystem von Pilz bietet individuelle Schutztürlösungen, die optimal abgestimmt auf die Anforderungen unterschiedlicher Applikationen sind. Passend zur Anwendung können unterschiedliche Komponenten kombiniert, Schutztürlösung individuell und optimal auf die jeweilige Applikation abgestimmte werden.

Das Schutztürsystem-Paket beinhaltet diverses Zubehör wie unterschiedliche Fluchtentriegelungen und Typen von Türgriffen für Schwenk- oder Schiebetüren. Die Taster-Unit PITgatebox, die mit den beiden Schutztürsensoren PSENmlock bzw. PSENslock eingesetzt werden kann, komplettiert das System. Im Zusammenspiel mit der Diagnoselösung Safety Device Diagnostics und in Verbindung mit Steuerungstechnik von Pilz entsteht eine wirtschaftliche Komplettlösung für den Schutztüren-Bereich.

Dem Schutztürsensor PSENmlock für sichere Verriegelung und sichere Zuhaltung steht im Schutztürsystem auch die Variante „PSENmlock mit Reihenschaltung“ zur Verfügung. Mit ihr können in Kombination mit der Diagnoselösung Safety Device Diagnostics (SDD) von Pilz einzelne Schalter bzw. Türen auch gezielt angesteuert werden – ganz im Sinne von Industrie 4.0.

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