20.11.2025 • Topstory

11. Bayerischer Sicherheitstag: Sicherheit neu denken

Fachvorträge und Diskussionen zu Migration, Wirtschaftskriminalität, Datenschutz und europäischer Souveränität prägten den 11. Bayerischen Sicherheitstag von BVSW und BDSW

Der 11. Bayerische Sicherheitstag von BVSW und BDSW brachte am 18. und 19. November 2025 im Münchner „Paulaner am Nockherberg“ Fachleute aus Wirtschaft, Behörden und Sicherheitsdienstleistern zusammen. Im Mittelpunkt: aktuelle Herausforderungen wie hybride Bedrohungen, Migration, Wirtschaftskriminalität, Datenschutz und europäische Sicherheit. Vorträge, Diskussionen und ein Dialogforum boten praxisnahe Einblicke in zentrale Entwicklungen der Sicherheitsbranche.

Der Bayerische Sicherheitstag, der in diesem Jahr zum elften Mal stattfand, wurde von BVSW und BDSW gemeinsam ausgerichtet. Die Veranstaltung richtete sich an Vertreterinnen und Vertreter aus Wirtschaft, Behörden und Sicherheitsdienstleistern und bot die Gelegenheit, sich über aktuelle Entwicklungen im Bereich Sicherheit zu informieren und zu vernetzen.

Drei Männer vor einem Auditorium
Begrüßung durch BDSW-Präsident Werner Landstorfer (l.) und BVSW-Vorstandsvorsitzender Markus Klaedtke (M.). Rechts im Bild: Moderator Oliver Luxenburger
© BVSW

Sicherheitspartnerschaften und ganzheitliches Denken

Bereits zur Eröffnung der in der Fachwelt etablierten Netzwerkveranstaltung gaben Werner Landstorfer, Präsident des BDSW, und Markus Klaedtke, seit Juli 2025 neuer Vorstandsvorsitzender des BVSW, das Motto „Sicherheit neu denken“ aus, das sich denn auch wie ein roter Faden durch das Programm zog. Die Bedeutung von Kooperation und Innovation wurde von den Veranstaltern betont, um den vielfältigen Herausforderungen im Sicherheitsbereich zu begegnen.

In einer Videobotschaft hob der Bayerische Innenminister Joachim Herrmann die Bedeutung von Investitionen in Personal und Ausrüstung der Polizei hervor. Er betonte, dass Sicherheit ein zentrales Anliegen der Politik sei.

Die Notwendigkeit, Sicherheit ganzheitlich zu denken und die Zusammenarbeit zwischen Behörden, Wirtschaft und Dienstleistern zu stärken, wurde von den Verbands-Chefs Landstorfer und Klaedtke zu Beginn des eigentlichen Vortragsprogramms noch einmal unterstrichen.

Leinwand vor Publikum
Daten und Fakten rund um die Grenzschutzagentur Frontex
© BVSW

Grenzschutz und Migration: Herausforderungen für Europa

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Reza Ahmari, Grenzschutzagentur Frontex
© GIT SICHERHEIT

Reza Ahmari von Frontex erläuterte die Aufgaben und Herausforderungen der europäischen Grenzschutzagentur Frontex. Diese Agentur ist für die Kontrolle der EU-Außengrenzen verantwortlich und Ahmari zeigte, welche unterschiedlichen Aufgaben Frontex zur Erfüllung dieser Mission übernimmt. An erster Stelle steht die Unterstützung der EU-Mitgliedsstaaten bei der Sicherung ihrer Grenzen, wobei insbesondere bei der Überwachung der Küsten ein hoher technischer Aufwand betrieben wird. Zudem kooperiert Frontex eng mit nationalen Behörden und EU-Agenturen, um grenzüberschreitende Kriminalität zu bekämpfen, wie beispielweise Schmuggel oder Menschenhandel. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Analyse potenzieller Risiken, die zur Auslösung erhöhter Flüchtlingsströme führen könnten.

Ahmari betonte zudem die Allgegenwärtigkeit hybrider Bedrohungen, die sich auch im Bereich der Migration zeigten. Russland soll wiederholt mutmaßlich Migranten an die finnische Grenze gelenkt haben. In der Folge sah sich Finnland 2024 veranlasst, den Grenzübergang vollständig zu schließen – mit spürbaren wirtschaftlichen Auswirkungen in der Region. Beobachterinnen und Beobachter gehen davon aus, dass Moskau sehr genau wisse, wie sensibel das Thema Migration ist und wie stark es die EU politisch unter Druck setzt. Einerseits brauche man Arbeitskräfte, wolle die Menschenrechte schützen und zugleich die Kontrolle über die Einwanderung behalten. Ahmari merkte an, dass die Politik vor einer anspruchsvollen Aufgabe stehe und dabei häufig der Eindruck entstehe, es gebe einfache Lösungen, obwohl die Realität im Bereich Migration deutlich komplexer sei.

Ahmari wies zudem darauf hin, dass die Sicherung der EU-Außengrenzen angesichts von 24 Millionen Passagieren am Flughafen Frankfurt, 60.000 Kilometern Küstenschutz und 15.000 Kilometern Landgrenze eine komplexe Aufgabe sei. Er benannte ein sogenanntes Migrations-Trilemma: den Bedarf an Fachkräften, die Einhaltung der Menschenrechte und das Ziel einer kontrollierten Migration. Zudem stellte er das neue ETIAS-System vor, das künftig eine Vorabprüfung von Reisenden ermöglichen soll und damit einen Sicherheitsgewinn für den Schengen-Raum verspricht.

Wirtschaftskriminalität und Betrugsprävention im Fokus

Alexander Resch, Leiter der Einheit für Finanzkriminalität bei Europol, gab - direkt aus Den Haag per Video zugeschaltet - Einblicke in die Arbeit der europäischen Polizeibehörde. Er sprach über die Erscheinungsformen internationaler Finanzkriminalität sowie die Rolle der europäischen Polizeibehörde Europol. Die Behörde unterstützt und verstärkt die Arbeit der zuständigen Stellen in den EU-Mitgliedsstaaten und darüber hinaus. Dabei erläuterte er, wie Europol die Mitgliedstaaten bei der Bekämpfung von Korruption, Geldwäsche, Produktpiraterie und Betrug unterstützt. Resch verwies auf konkrete Fälle wie die Operation Jumita in Spanien und die Bekämpfung von Umsatzsteuerbetrug.

Diese weltweite Kooperation ist von zentraler Bedeutung, denn Finanzkriminalität sei mittlerweile international stark vernetzt und hochprofessionell organisiert. Betrüger bauen dabei sogar legale Strukturen auf, bis hin zum Betrieb eigener Banken. Zu den von Europol bekämpften Kriminalitätsphänomenen gehören unter anderem gefälschte Onlineshops, Produktpiraterie oder Kreditkartenbetrug.

Besonders stark wächst derzeit der Anlagebetrug sowie Business Email Compromise (BEC), was vor allem für Unternehmen ein zunehmendes Problem darstellt. Dabei werden Emails von scheinbar vertrauenswürdigen Domains verschickt, die Empfänger zum Klicken auf Links oder Anhänge verleiten sollen. Tatsächlich sind aber die Domains gefälscht und über die Aktion wird Schadsoftware in die Netzwerke des Empfängers eingeschleust. 

Fünf Herren und eine Dame vor einer Leinwand
Gastgeber des 11. Bayerischen Sicherheitstages: BVSW-Vorstand Ernst Steuger, BVSW-Vorstandsvorsitzender Markus Klaedtke, BDSW-Geschäftsführer Andreas Paulick, BVSW-Geschäftsführerin Caroline Eder, BDSW-Präsident Werner Landstorfer, Moderator Oliver Luxenburger
© BVSW

Europäische Souveränität und wirtschaftliche Herausforderungen

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Korrespondentin Sabine Seeger-Regling
© GIT SICHERHEIT

Sabine Seeger-Regling, Senior Advisor und Europa-Korrespondentin, beleuchtete die Rolle Europas in einer neuen Weltordnung. Sie stellte fest, dass Europa zwischen den Großmächten USA, China und Russland zunehmend eigenständige Strategien entwickeln müsse. Seeger-Regling wies auf die wirtschaftlichen Herausforderungen hin, darunter eine anhaltende Rezession und Handelskonflikte. 

Sie betonte die Notwendigkeit, bürokratische Hürden abzubauen und die Souveränität Europas zu stärken. Die Referentin hob hervor, dass die Transformation im Sicherheitsbereich alle gesellschaftlichen Akteure einbeziehe und eine stärkere Einbindung der Bevölkerung erforderlich sei.

Es sei wichtig, innerhalb Europas Resilienz aufzubauen. Ein wichtiger Baustein dafür sei die Stärkung der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit. Hierbei begrenzten allerdings die Überregulierung und der Mangel an Risikokapital die Möglichkeiten. Es gelte, den Binnenmarkt zu stärken, der mit immerhin 450 Millionen Verbrauchern der größte der Welt ist. Ein gemeinsamer, europäischer Kapitalmarkt ist ebenso entscheidend, wie der Bürokratieabbau.  

Der zweite Baustein zur Schaffung der Resilienz sei die verteidigungspolitische Handlungsfähigkeit. Viele für die Verteidigung wesentlichen Kompetenzen lägen derzeit noch in amerikanischer Hand. 

Datenschutz auf Kosten der Sicherheit? Balanceakt für die Gesellschaft

Prof. Dr. Thomas Petri, Landesbeauftragter für Datenschutz in Bayern, thematisierte in seinem Impulsvortrag die Unterschiede im Datenschutz zwischen Europa, den USA und China. Er betonte die Bedeutung des Grundrechtsschutzes und warnte vor einer zu zentralisierten Datenschutzregelung. Der bayerische Landesbeauftragte für Datenschutz Prof. Dr. Thomas Petri betonte in seinem Impulsvortrag, dass Datenschutz ein fortwährender Balanceakt zwischen Sicherheit und Freiheit sei.

Datenschutz solle den Menschen in unserer Gesellschaft Privatsphäre zugestehen, ebenso wie eine Mitbestimmungsmöglichkeit darüber, was bei der Verarbeitung ihrer persönlichen Daten geschieht. In anderen Ländern hat der Datenschutz eine weit geringere Priorität. Das führe zu Situationen, die nach europäischen Vorstellungen nicht erwünscht sind.  So laufen in den USA beispielsweise rund 80 Prozent der Datenströme über die Server der sieben größten Tech-Unternehmen und das geschieht außerhalb jeglicher Kontrolle. In China werden die Menschen in gewissen Regionen auf Schritt und Tritt überwacht, ein Fehlverhalten fließt in das Social Scoring der Menschen ein. Dieses Scoring wiederum hat weitreichende Folgen nicht nur für den betroffenen Menschen selbst, sondern möglicherweise auch für dessen Kinder, denen beispielsweise der Zugang zu bestimmten Schulen verwehrt bleibe.

In der anschließenden Podiumsdiskussion diskutierten Petri, Christian Huber (Polizeipräsidium München) und Torsten Malt (DB Sicherheit GmbH) die Herausforderungen bei der Vereinbarkeit von Datenschutz und Sicherheitsanforderungen. Die Diskussion verdeutlichte, wie wichtig eine ernsthafte Abwägung von Datenschutz gegenüber Sicherheitsinteressen ist. Thorsten Malt machte dies an einem Praxisbeispiel deutlich: Bodycams würden die Sicherheit der Bahnmitarbeitenden deutlich verbessern, jedoch gebe es immer wieder datenschutzrechtliche Vorbehalte gegenüber dieser Technologie. Zwar wurde für die Bahn eine passende Lösung gefunden, doch Malt plädierte dafür, die Prozesse rund um den Datenschutz bundesweit zu vereinheitlichen. Prof. Dr. Petri gab zu bedenken, dass bei einem solchen Vorgehen regionale Besonderheiten nicht mehr ausreichend berücksichtigt werden könnten.

Christian Huber berichtete von einem spürbaren Wandel in der Bevölkerung: Überwachungsmaßnahmen würden heute deutlich mehr Akzeptanz erfahren als noch vor einigen Jahren. Ein möglicher Grund dafür sei, dass die subjektive Unsicherheit deutlich zugenommen habe. Gleichzeitig zeige sich, dass Überwachungstechnologie an Hotspots nachweislich die Kriminalität eindämmen kann. So habe die Münchner Polizei im Alten Botanischen Garten Videoüberwachung eingesetzt, die zu einem deutlichen Rückgang von Delikten geführt hat. Videotürme – deutlich erkennbar im „Polizei-Design“ – leisteten zudem, so Huber, in München gute Dienste für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger der Stadt. Die Podiumsdiskutanten forderten eine stärkere Digitalisierung und den Abbau bürokratischer Hürden, um die Effizienz im Sicherheitsbereich zu steigern.

Sicherheit ist systemrelevant

Im abschließenden Dialogforum diskutierten BVSW-Vorstand Ernst Steuger und BDSW-Präsident Werner Landstorfer über die zukünftigen Schwerpunkte der Sicherheitsbranche. Sie betonten die Notwendigkeit, Regularien zu vereinfachen und die Anerkennung von Sicherheitsdiensten durch die Politik als systemrelevant voranzutreiben. Die Referenten wiesen darauf hin, dass technologische Lösungen wie Drohnenabwehrsysteme zwar verfügbar seien, deren Einsatz jedoch rechtliche Klarheit erfordere.

Werner Landstorfer, Präsident des BDSW, wünschte sich ein schnelleres Handeln auf Unternehmensseite, um die Sicherheit auch in Zukunft aufrechterhalten zu können. Als weitere Herausforderung für die Zukunft sahen beide Gesprächsteilnehmer die zunehmenden Desinformationskampagnen an und äußerten Bedenken, ob die Menschen zukünftig noch in der Lage sein werden, Falschinformationen als solche zu identifizieren. 

Zudem wurde die Bedeutung der Vorbereitung auf Krisenfälle und die Rolle der sicherheitsrelevanten Industrie hervorgehoben. Die Diskussion machte deutlich, dass eine enge Zusammenarbeit zwischen Staat, Wirtschaft und Gesellschaft erforderlich ist, um den zukünftigen Anforderungen an die Sicherheit gerecht zu werden.

Fazit

Austausch, Zusammenarbeit, schnelles Handeln: Die Verbände gehen mit gutem Beispiel voran und planen bereits den nächsten Sicherheitstag im Jahr 2026. „Unsere Veranstaltung hat wieder einmal gezeigt, wie wichtig es ist, die unterschiedlichen Aspekte der Sicherheitsherausforderungen zu betrachten“, sagt Caroline Eder, Geschäftsführerin des BVSW. „Wir werden weiterhin unsere Mitglieder mit den neuesten Informationen versorgen und freuen uns schon auf den nächsten Sicherheitstag. Ein besonderer Dank geht auch an unsere Sponsoren, die diesen Event unterstützt haben: Piepenbrock, Dienstplan Macher, Hensec, ESD, ID Ausweissysteme, Kötter Security, Security Robotics, Nürnberger Wach- und Schließgesellschaft, Securitas und Wisag.“

Der 11. Bayerische Sicherheitstag zeigte, dass die Sicherheitsbranche vor vielfältigen Herausforderungen steht, die von Migration und Wirtschaftskriminalität über Datenschutz bis hin zu Fragen der europäischen Souveränität reichen.

Die Veranstaltung unterstrich die Bedeutung von Kooperation, Innovation und einer ausgewogenen Balance zwischen Sicherheit und Grundrechten. Die Diskussionen und Vorträge lieferten wertvolle Impulse für die Weiterentwicklung der Sicherheitsstrategie in Bayern und darüber hinaus.


Auch 2026 wird der Bayerische Sicherheitstag erneut stattfinden. Unverbindliche Informationen und Vorab-Zugriff auf die begrenzten Plätze sind erhältlich per E-Mail an mail@bdsw.de oder info@bvsw.de, Stichwort "Bayerischer Sicherheitstag 2026".


Links zu den Verbänden:

Bundesverband der Sicherheitswirtschaft (BDSW)

Bayerischer Verband für Sicherheit in der Wirtschaft (BVSW) e.V. 

[man]

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