Bodil Sonesson im Gespräch mit GIT SICHERHEIT
Bodil Sonesson ist bei Axis Communications Vice President Global Sales. Sie studierte von 1988-91 Internationales Finanzwesen an der Universität Lund, wo sie als MBA abschloss. 199...
Bodil Sonesson ist bei Axis Communications Vice President Global Sales. Sie studierte von 1988-91 Internationales Finanzwesen an der Universität Lund, wo sie als MBA abschloss. 1996 startete sie dann bei Axis Communications, dem Pionier in IP-Video, die damals im selben Jahr dem Markt präsentiert wurde. Somit war Bodil Sonesson fast vom Anfang an an der strategischen Ausrichtung des Unternehmens beteiligt. Beim Axis-Partnertag Mitte Oktober traf sich Steffen Ebert mit Bodil Sonesson zum Gespräch.
GIT SICHERHEIT: Frau Sonesson, seit nun mehr als 21 Jahren sind Sie im Markt für Sicherheitstechnologie aktiv – dabei sogar einmal als “Woman of the Year” ausgezeichnet worden. Die Technologie hat Riesensprünge gemacht in der Zeit: IP-Technologie für Sicherheit war früher Pionieraufgabe, heute ist es selbstverständlich. Wo wird die Reise noch hingehen?
Bodil Sonesson: Superviel hat sich getan, das stimmt – und die Entwicklung geht natürlich immer weiter. Internet of Things, smarte Anwendungen und entsprechende Devices, die Cloud, Cyber Security, Deep Learning – all das gibt uns zahlreiche neue Möglichkeiten. Bedingt aber auch entsprechend viele neue Kenntnisse. Weil: all das zu integrieren, und zwar sicher zu integrieren – das ist die Herausforderung.
Dies noch vor dem Hintergrund ganz neuer Anwendungen, denken wir an die neuen Anforderungen beim Thema Safe City?
Bodil Sonesson: Richtig, die Vernetzung lässt sich heute schon sehr weit denken. Mit dem Thema Sicherheit als zentralem Bestandteil, aber auch darüber hinaus. Wer möchte zum Beispiel nicht täglich fünfzehn Minuten weniger Zeit brauchen, um reibungsfrei zur Arbeit zu kommen. Eine wichtige Rolle spielt für Axis dabei der Zukauf des Unternehmens Citylog…
…ein Video-Analytics-Unternehmen aus Frankreich, das Axis Anfang 2016 zugekauft hat und das Lösungen für das Monitoring von Verkehrsflüssen entwickelt…
Bodil Sonesson:…mit deren Systemen im Verbund wir einen wichtigen Beitrag leisten können zu mehr Sicherheit in Städten und auf Verkehrswegen. Damit sind wir in der Lage, mit unseren Partnern und Kunden Lösungen zur Überwachung von Straßen, Tunnels, Brücken und weiteren Infrastrukturen zu realisieren. Mit dem Ziel, Städte sicherer und smarter und damit lebenswerter zu machen – eben auch durch eine Verbesserung von Sicherheit und Effizienz für Verkehr und Transport.
Die Vernetzung vieler Gewerke in Gebäuden kommt, mehr und mehr soll „smart“ werden: Neben Smart City sind Smart Home, Smart Hospital oder Smart Factory die Schlagworte. Welche Rolle will Axis dabei spielen?
Bodil Sonesson: Eine sehr aktive! Wir entwickeln selbst dafür passende Produkte – und wir haben Unternehmenszukäufe getätigt, um in diese und weitere Richtungen Lösungen anbieten zu können. Neben Citylog das Unternehmen 2N für den Bereich IP Intercom und Cognimatics für unser Portfolio im Bereich Einzelhandel.
Und wie geht´s weiter, welche Zukäufe stehen noch an?
Bodil Sonesson: Eine eigene Abteilung beschäftigt sich ausschließlich damit. Mögliche neue Axis-Familienmitglieder könnten Unternehmen sein, die Lösungen anbieten, Software, Analytics. Aber auch bestimmte Hardware-Anbieter könnten gut zu uns passen. Wichtig ist uns, dass die Chemie stimmt, dass wir die selben Werte teilen – und Mehrwert für Kunden und Anwender schaffen. Der „Helikopter-Blick“ ist im Übrigen dabei essentiell: Ein Unternehmen muss stets Lösungen bieten, die den Anforderungen hinsichtlich Cyber Security und Datenschutzgesetze absolut gerecht werden.
Was bedeuten die jüngsten Zukäufe und die noch anstehenden denn für Ihre Partnerstrategie – machen Sie da Ihren derzeitigen Partnern und Kunden nicht Konkurrenz?
Bodil Sonesson: Gerade auch unseren bisherigen Partnern, denen wir in jedem Fall auch weiterhin die Treue halten werden, sollen unsere Kompetenzen in Sachen Lösungen helfen. Ganz deutlich: Wir bleiben beim indirekten Verkauf. Wir wollen und müssen aber auch wissen, was die Endkunden, die Anwender beschäftigt, was ihre Herausforderungen sind. Wir brauchen diese Kenntnisse, um auch weiterhin der beste Ratgeber zu sein. Die Welt ist nicht sicherer geworden, leider. Daher wollen wir dabei helfen, kriminelle Handlungen zu verhindern. Ein Beispiel: Wenn an einem öffentlichen Zugang durch Videotechnik eine riskante Lage erkannt wird, sind Lösungen von uns in der Lage, diesen Bereich intelligent zu sperren.
Also Videotechnik als Präventivmaßnahme…?
Bodil Sonesson:…und als Unterstützung für Einsatzkräfte. Viele Vorfälle wurden mittlerweile schneller und besser aufgeklärt, weil Axis die richtigen Lösungen hat – Stichwort Forensic Search. Früher musste die Polizei – ich hoffe, sie verzeiht mir die Formulierung – oft auch mal „blind fliegen“. Heute können viel mehr Infos den Einsatzkräften zur Verfügung gestellt werden. Weltweit gibt es schon Projekte mit diesem Ansatz – in Detroit, Buenos Aires oder im niederländischen Maastricht.
Zutrittssteuerung, Sprachalarm, Radar. In welche Richtungen wird sich das Portfolio von Axis noch entwickeln?
Bodil Sonesson: Noch mehr in Richtung Perimeterschutz, in Richtung Schutz kritischer Infrastruktur – und produktseitig ganz aktuell in Richtung Radar. Derzeit steht ja sogar schon eine erste eigene Radar-Entwicklung am Start. Mehr als tausend Leute in der Entwicklung in Lund beschäftigen sich täglich mit neuen Ideen. Die meisten sind kreativ in der Weiterentwicklung von Videotechnologie – ein Gutteil jedoch in Dingen, die gar nichts direkt mit Video zu tun haben. Insgesamt hat Axis weltweit mittlerweile übrigens an 52 Standorten über 2800 Mitarbeiter, davon 1700 in Lund. 2019 wird dort unser neuer Hauptsitz fertig gestellt sein, mit dann satten 42000 Quadratmetern Fläche. Wir freuen uns alle schon riesig darauf. Und es ist ein Zeichen, dass wir weiter unserer gemeinsamen Zukunft arbeiten.
Was man nicht unbedingt hätte vermuten müssen beim Kauf von Axis durch Canon. Eine Integration des Unternehmens in die japanische Organisation wäre ja auch eine Option gewesen. Lernen Sie schon Japanisch?
Bodil Sonesson: Japanisch lerne ich tatsächlich, weil ich seit jeher sehr sprachinteressiert bin. Zur Integration: …nicht wirklich. Das stand nie zur Debatte.
Trotzdem die Frage: Axis vor der Canon-Ära und heute – was hat sich geändert seit der Übernahme durch die Tokioter?
Bodil Sonesson: Von Axis-Warte aus gesehen ganz klar: dieser Verkauf hat sehr wenig verändert. Eher schon die Strategie von Canon: der Blick ist nicht mehr nur auf Consumer gerichtet, sondern auch auf B2B, Business-to-Business. Ersichtlich auch durch den Zukauf von Toshiba. Hier war der Sektor Life Science das Ziel. Und Axis ist für Canon der Schlüssel zu Safety und Security.
Schließt das wirklich eine Integration von Axis aus, und damit den Verlust von Schnelligkeit und Flexibilität?
Bodil Sonesson: Nochmal: Axis wird definitiv nicht integriert, das wurde, unter anderem per Handshake, festgelegt zwischen unserem Gründer Martin Gren und dem Canon-Präsidenten Fujio Mitarai. Er wird weltweit, nicht nur bei Canon, sehr respektiert und leitete über 25 Jahre Canon äußerst erfolgreich in den USA. Fuijo Mitarai ist bereits seit 1961 maßgeblich für den Erfolg von Canon verantwortlich. Man sagt ihm zurecht nach, dass er sehr weise sei und immer noch sehr agil – sowie ein Verfechter der positiven Effekte von Globalisierung.
Welche Auswirkungen hat diese Konstellation auf Produktebene?
Bodil Sonesson: Die Zugehörigkeit zu Canon bringt auch weitere Vorteile: So gehört die Company zusammen mit Microsoft und IBM zu den Top Drei beim Patentschutz. Wichtig ist das gerade auch im Analytics-Bereich. Konkret ist die Kamera Axis Q1659 eine Koproduktion – die Netzwerk-Kompetenz kommt von Axis, die fürs Objektiv von Canon.
Speziell der Videosicherheitsmarkt ist nun schon seit einiger Zeit massiv unter Druck. Wie läuft Ihr Geschäft?
Bodil Sonesson: Europa insgesamt läuft gut für uns. Deutschland zum Beispiel bleibt ein toller Markt. Schwierig ist für uns aktuell einzig Großbritannien. Was wir jedoch auf den Brexit zurückführen. Wir werden auch weiter investieren in die Märkte. Unsere Qualität, unsere Werte, ich habe ein gutes Gefühl. Alles passt. Das Team – nicht nur in Deutschland – ist superstabil. Und kürzlich haben wir eine Umfrage unter unseren Partnern gemacht. 12000 waren weltweit eingebunden, in D haben 2000 Partner mitgemacht, sich eingebracht – und haben uns beste Noten gegeben.
Ihr Ziel für 2018?
Bodil Sonesson: Wir sind auf einer Reise, mit Fokus auf Produkten, aber noch mehr auf: Lösungen bieten. Wir werden vielleicht bald schon die ersten Services auf den Markt bringen, die es so noch nicht von uns gab.
Beispiele?
Bodil Sonesson: Finanzservices für unsere Partner könnten wir uns gut vorstellen. Aber auch, nun wieder an Projektlösungen gedacht, Remote Services – zum Beispiel zum Sichern von Tunneln. Und: Noch mehr Fokus auf Retail und Safe Cities. Zur Sicherung von öffentlichen Bereichen gibt es nach den unseligen LKW-Attacken von Stockholm und Berlin oder dem Berliner U-Bahntreter eine andere Haltung der Bevölkerung. Der Großteil der Bevölkerungen steht Videotechnik und anderen Maßnahmen heute viel offener gegenüber als zuvor. Ein an sich trauriger Umstand, aber das ist die Realität.
Frau Sonesson – wir danken für das Gespräch.