BVSW: Blackout! Totaler Stromausfall – eine unterschätzte Gefahr für Unternehmen

Der Bayerische Verband für Sicherheit in der Wirtschaft, BVSW, informierte auf seinen Sicherheitspolitischen ­Tagen über Entwicklungen, die die Sicherheitslage in der Welt verändern.

Herbert Saurugg, ­Experte für Krisen­vorsorge, warnte auf den...
Herbert Saurugg, ­Experte für Krisen­vorsorge, warnte auf den Sicherheits­politischen Tagen des BVSW darauf hin, dass die wenigsten ­Unternehmen hin­­reichend auf Blackouts vorbereitet sind. Foto: BVSW

Den Auftakt machte dabei ein ­Vortrag von Herbert Saurugg, internationaler Blackout- und Krisenvorsorgeexperte, der praxisorientiert über die Risiken eines kompletten Stromausfalls informierte.

GIT SICHERHEIT: Herr Saurugg, am 8. Januar 2021 wäre das europäische Stromnetz beinahe zusammengebrochen. Was ist da passiert?

Herbert Saurugg: Eine Überlastung in einem kroatischen Umspannwerk löste eine Kettenreaktion aus und führte zu einer Kaskade von dreizehn Abschaltungen, was eine Aufspaltung des europäischen Stromnetzes in zwei Teilbereiche zur Folge hatte. Strom ist in Europa ein grenzüberschreitendes Gut – ein Vorfall im Stromnetz eines einzelnen Landes kann demnach die Stromversorgung in ganz Europa beeinflussen. Nur die gute Vorbereitung und schnelle Intervention der europäischen Netzbetreiber konnte ein Blackout verhindern.

In diesem Fall war alles gutgegangen. Wie ernst ist das Thema Blackout insgesamt?

Herbert Saurugg: Es handelte sich durchaus um ein kritisches Ereignis, wenn man beachtet, dass seit Jahren massive Vorkehrungen gegen solch eine Situation getroffen werden. 2006 kam es erstmals zu einer Netzaufspaltung und seitdem hat man intensiv in Schutzmaßnahmen investiert, die aber offensichtlich noch immer nicht ausreichen. Das Zusammenschalten zweier Teilnetze ist ein kritischer Moment. Im Januar lief alles problemlos, doch die Simulationen der Netzbetreiber zeigen, dass es bei der Zusammenschaltung durchaus zum Ausfall des gesamten Netzes kommen kann. Außerdem war der Frequenzeinbruch sehr massiv. Kommt in so einer Situation noch ein weiteres Ereignis hinzu, ist ein Blackout durchaus denkbar.

Wie konnte es zu einem so massiven Frequenzeinbruch kommen?

Herbert Saurugg: Es wurde zu diesem Zeitpunkt eine große Menge Energie von Südosteuropa nach Nordwesteuropa transferiert. Für gewöhnlich finden diese Lastflüsse in die umgekehrte Richtung statt. Ganz generell sind um den Stundenwechsel häufiger Frequenzsprünge zu beobachten, welche maßgeblich durch die effizienzsteigernden Maßnahmen des Stromhandels und Kraftwerkseinsatzes verursacht werden. Ob das diesmal auch eine Rolle gespielt hat, ist noch unklar, da das Problem doch deutlich später aufgetreten ist als gewöhnlich. Dass ein derart hoher Stromfluss stattgefunden hat, dürfte aber mit dem überregionalen Stromhandel zusammenhängen. Warum die Netzsicherheitsrechnungen das Problem nicht erkannt haben, wird noch untersucht. Der steile Frequenzeinbruch deutet auch darauf hin, dass zu wenig Momentanreserve, also rotierende Masse, verfügbar gewesen sein könnte. Das Thema Stromhandel und die generell sinkende rotieren Masse durch die Abschaltung von immer mehr Großkraftwerken findet bisher bei der Blackout-Betrachtung noch viel zu wenig Beachtung. Aber gerade die Momentanreserve ist von zentraler Bedeutung für die Systemstabilität, für die es bisher kaum Ersatzlösungen gibt. Daher steigt mit dem deutschen Atom- und Kohleausstieg bis Ende 2022 die Blackout-Gefahr deutlich an.

Stehen den Stromhändlern technische Berater zur Seite?

Herbert Saurugg: Die Europäische Union ist vor allem daran interessiert, den Markt weiterzuentwickeln. Die Strombörsen in Leipzig und Paris funktionieren wie Wertpapierbörsen und sind auch wie solche organisiert. Physikalische Gesetze und Techniker, die beraten können, setzen sich hier leider nicht durch.

Welche Rolle spielen die erneuerbaren Energien?

Herbert Saurugg: Erneuerbare Energien können nur erzeugt werden, wenn die Primärenergie, sprich Wind oder Sonne, gerade verfügbar sind. Das eigentliche Problem sind aber weniger die erneuerbaren Energien an sich, als vielmehr die fehlenden Speichermöglichkeiten, um die Schwankungen in der Produktion ausgleichen zu können. Werden in absehbarer Zeit keine Speichermöglichkeiten in großen Dimensionen gebaut, wird sich die Gefahr eines Blackouts in den nächsten Jahren zusätzlich deutlich erhöhen.

Wie konkret ist die Bedrohungslage für Unternehmen?

Herbert Saurugg: Wir sehen immer wieder, dass die wenigsten Unternehmen auf einen Blackout vorbereitet sind. Schon ein kurzer Stromausfall kann weitreichende Konsequenzen haben, wenn sich die Systeme unkontrolliert abschalten und es damit zu Hardwareschäden kommt. Nicht nur IT-Hardware, wie Netzteile, Festplatten und Server können Schaden nehmen, sondern beispielsweise auch Druckluft- und Kühlsysteme. Wie sich in der Corona-Pandemie gezeigt hat, lassen sich bestimmte Geräte nicht einfach wieder neu anschaffen, wenn die Nachfrage aufgrund eines unvorhergesehenen Ereignisses sprunghaft ansteigt. Bei einem totalen Stromausfall käme erschwerend hinzu, dass keinerlei Kommunikation möglich ist. Es ist also durchaus ratsam, sich die Konsequenzen eines Blackouts für ein Unternehmen zu verdeutlichen, um dann entsprechende Vorsorgemaßnahmen zu treffen.

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