General Product Safety Regulation (GPSR): Was regelt sie und welche Akteure müssen sich damit befassen?
Ab dem 13. Dezember 2024 wird EU-weit die neue EU-Produktsicherheitsverordnung (GPSR – General Product Safety Regulation) gelten. Konkret handelt es sich um die Verordnung (EU) 2023/988 über die allgemeine Produktsicherheit, welche die derzeit noch gültige sogenannte Allgemeine Produktsicherheitsrichtlinie (Richtlinie 2001/95/EG) ablösen wird. Da es sich um eine EU-Verordnung handelt, muss sie – anders als bei einer Richtlinie – nicht mehr in nationales Recht umgesetzt werden. Sie gilt unmittelbar in allen 27 EU-Mitgliedstaaten. Ein Beitrag von Rechtsanwalt Dr. Carsten Schucht.
Die Allgemeine Produktsicherheitsrichtlinie, die seit 2004 im Zentrum des allgemeinen Produktsicherheitsrechts auf europäischer Ebene stand, wird mit Wirkung vom 13. Dezember 2024 aufgehoben: Die neue GPSR – General Product Safety Regulation – beginnt zu gelten. Wichtig ist der Übergang zwischen den beiden EU-Rechtsakten, der in Art. 51 GPSR gesondert geregelt wird. Danach müssen mit der Allgemeinen Produktsicherheitsrichtlinie konforme Produkte bis zum 13.12.2024 in Verkehr gebracht worden sein. Ist dies der Fall, können sie auch nach dem Stichtag weiterhin (insbesondere von Händlern) ungehindert auf dem Markt bereitgestellt werden.
Inhalt:
- Verbraucherprodukte im Fokus: Die Geltung der GPSR und ihre Auswirkungen auf B2C-Produkte
- Neue GPSR-Regelungen: Wer ist betroffen und was ändert sich?
- Produktsicherheit gemäß GPSR: Anforderungen und Pflichten für Verbraucherprodukte
- Pflichten der Wirtschaftsakteure gemäß GPSR: Hersteller, Bevollmächtigte, Einführer und Händler im Fokus
Verbraucherprodukte im Fokus: Die Geltung der GPSR und ihre Auswirkungen auf B2C-Produkte
Zunächst ist zu klären, für welche Produkte die GPSR Geltung beansprucht. Gemäß Art. 3 Nr. 1 GPSR geht es allein um Verbraucherprodukte bzw. B2C-Produkte. Denn Produkt im Sinne der GPSR ist jeder „Gegenstand, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Gegenständen entgeltlich oder unentgeltlich – auch im Rahmen der Erbringung einer Dienstleistung – geliefert oder bereitgestellt wird und für Verbraucher bestimmt ist oder unter vernünftigerweise vorhersehbaren Bedingungen wahrscheinlich von Verbrauchern benutzt wird, selbst wenn er nicht für diese bestimmt ist“.
Schon diese – juristisch fraglos „schwammige“ – Formulierung führt vor Augen, dass ein weiter Begriff des Verbraucherprodukts gelten soll. Ausreichend ist eben schon die vorhersehbar wahrscheinliche Benutzung durch Verbraucher. Tatsächlich zeigt auch der Vollzug der Marktüberwachungs- und Zollbehörden seit längerer Zeit eine klare Tendenz dahingehend, bei Produkten im „Graubereich“ im Zweifel ein Verbraucherprodukt anzunehmen. Damit soll nicht gesagt werden, dass ein Vertrieb von Nicht-Verbraucherprodukten bzw. B2B-Produkten nicht (mehr) in Betracht kommt. Selbstverständlich wird eine für die produzierende Industrie bestimmte Sondermaschine am Zoll nicht als Verbraucherprodukt eingestuft. Dort jedoch, wo die Sachlage weniger klar ist, steigt der Begründungsaufwand des betreffenden Wirtschaftsakteurs, wenn er sich (gerade im nicht-harmonisierten Bereich) außerhalb des (leicht strengeren) B2C-Regelungsregimes bewegen möchte. In solchen Fällen ist es dann ratsam, einschlägige Aussagen in der Gebrauchsanleitung oder die gewählten (B2B-)Vertriebskanäle ins Feld zu führen.
Aufgrund ihrer Dachfunktion wird die EU-Produktsicherheitsverordnung zudem ergänzend im harmonisierten Bereich Anwendung finden: Wer also CE-gekennzeichnete Maschinen oder Elektrogeräte für Verbraucher herstellt, importiert oder handelt, wird sich mit der neuen EU-Verordnung befassen müssen. Die Abgrenzung der CE-Rechtsakte von der GPSR ist leider misslungen. Keine Anwendung findet die GPSR demgegenüber auf den reinen B2B-Bereich. Weil sich die GPSR allein für Verbraucherprodukte interessiert, gibt es insoweit auch keine Schnittstelle zum Betriebssicherheitsrecht. Die Betriebssicherheitsverordnung regelt ausschließlich Beschaffenheitsanforderungen an Arbeitsmittel, also an B2B-Produkte.
Neue GPSR-Regelungen: Wer ist betroffen und was ändert sich?
Wenn geklärt ist, dass die GPSR nur für Verbraucherprodukte gilt, stellt sich die Frage, welche Akteure sich mit dem neuen Regelungsrahmen befassen müssen. Insoweit wird die Gefechtslage etwas unübersichtlicher als sie es noch in der Allgemeinen Produktsicherheitsrichtlinie war. Tatsächlich gab es im Jahr 2001 nur den Hersteller und den Händler. Der Herstellerbegriff ist indes denkbar weit, weil er auch den Importeur und Bevollmächtigten erfasst. Mit Blick auf die GPSR müssen bei verständiger Würdigung zukünftig drei Gruppen unterschieden werden:
- Wirtschaftsakteure
- Anbieter von Online-Marktplätzen
- EU-Wirtschaftsakteure
Zunächst zu den Wirtschaftsakteuren und damit jenem Kreis, der zuletzt über viele Jahre stabil blieb: Der Wirtschaftsakteur erfasste seit 2008 den Hersteller, Bevollmächtigten, Einführer und Händler. Seit dem 16.7.2021 kam der für den Vertrieb von Produkten im Online-Handel wichtige Fulfilment-Dienstleister dazu, Art. 3 Nr. 13 VO (EU) 2019/1020 (sog. EU-Marktüberwachungsverordnung). Dieser erfuhr eine vergleichsweise schematische Definition: Jede Person wird grundsätzlich zum Fulfiment-Dienstleister, wenn sie mindestens zwei der folgenden vier Kriterien erfüllt: Lagerhaltung, Verpackung, Adressierung und Versand von Produkten. Der GPSR-Gesetzgeber hat unmittelbar daran angeknüpft, indem er diesen Dienstleister zum einen weiterhin als Wirtschaftsakteur ansieht, Art. 3 Nr. 13 GPSR. Zum anderen hat er auch die Begriffsbestimmung mit den vier Kriterien übernommen, Art. 3 Nr. 12 GPSR. Neu ist seit dem 16.7.2021 im Übrigen, dass auch jede Person als Wirtschaftsakteur angesehen wird, wenn sie spezifischen Pflichten unterliegt. Im Anwendungsbereich der GPSR müssen diese Pflichten aus der GPSR herrühren. Bemerkenswerterweise gibt es indes gar kein Anwendungsbeispiel für eine Person, die auf diesem Weg zum GPSR-Wirtschaftsakteur wird. Die Anbieter von Online-Marktplätzen, die prima facie hierfür in Betracht kämen, sind jedenfalls keine Wirtschaftsakteure.
Gemeint sind mit diesen Anbietern die Verkaufs- bzw. Onlineplattformen. Diese werden in der GPSR mehrfach ausdrücklich neben den Wirtschaftsakteuren erwähnt. Die Plattformen wurden ebenfalls schon in der EU-Marktüberwachungsverordnung als produktsicherheitsrechtliche Player anerkannt. Schließlich knüpft der GPSR-Gesetzgeber auch bei den EU-Wirtschaftsakteuren bzw. verantwortlichen Personen an die EU-Marktüberwachungsverordnung an. Diese Person, zumeist der Bevollmächtigte oder Einführer, dient als Ansprechpartner für die Marktüberwachungsbehörden eben mit Sitz in der EU; zugleich wird damit eine Verkehrsfähigkeitsvoraussetzung statuiert: Ohne EU-Wirtschaftsakteur darf ein Produkt ab dem 13.12.2024 gar nicht erst durch den Zoll kommen. Verankert ist der Wirtschaftsakteur in Art. 16 GPSR, der vornehmlich, jedoch nicht ausschließlich auf den Online-Handel abzielt.
Produktsicherheit gemäß GPSR: Anforderungen und Pflichten für Verbraucherprodukte
Zentrale Bedeutung kommt naturgemäß den Anforderungen an die Verkehrsfähigkeit der (Verbraucher-)Produkte zu. Maßgeblich ist insoweit in erster Linie das allgemeine Sicherheitsgebot aus Art. 5 GPSR. Danach dürfen die Wirtschaftsakteure nur sichere Produkte in Verkehr bringen oder auf dem Markt bereitstellen. Ein sicheres Produkt wiederum ist gemäß Art. 3 Nr. 2 GPSR „jedes Produkt, das bei normaler oder vernünftigerweise vorhersehbarer Verwendung, was auch die tatsächliche Gebrauchsdauer einschließt, keine oder nur geringe mit seiner Verwendung zu vereinbarende, als annehmbar erachtete und mit einem hohen Schutzniveau für die Gesundheit und Sicherheit der Verbraucher vereinbare Risiken birgt“. Die schon aus der Richtlinie 2001/95/EG bekannte sog. Bagatellklausel bleibt damit erhalten. Auf den B2B-Bereich lässt sich diese Überlegung ohne Weiteres übertragen: Absolute Sicherheit wird produktsicherheitsrechtlich weder im B2C- noch im B2B-Bereich verlangt. Im Übrigen dominieren die üblichen Kennzeichnungs- und Instruktionspflichten, die in erster Linie als Hersteller- und Einführerpflichten ausgestaltet sind.
Die neue EU-Produktsicherheitsverordnung (GPSR)
In einem Online-Web-Seminar von IBFSolutions
informiert Dr. Carsten Schucht
kompakt darüber, welche Anforderungen
der GPSR relevant sind und
wie diese effizient angewendet
werden.
Pflichten der Wirtschaftsakteure gemäß GPSR: Hersteller, Bevollmächtigte, Einführer und Händler im Fokus
Zentrale Bedeutung kommt sodann den Pflichten der Wirtschaftsakteure zu, die in den Artikeln 9 ff. GPSR statuiert werden. Diesbezüglich werden den Herstellern (Art. 9 GPSR), Bevollmächtigten (Art. 10 GPSR), Einführern (Art. 11 GPSR) und Händlern (Art. 12 GPSR) spezifische Pflichten zugewiesen. Demgegenüber müssen die Fulfillment-Dienstleister keine spezifischen Pflichten erfüllen. Während der Hersteller die uneingeschränkte Verantwortung für die Produktkonformität trägt und – das ist neu – für jedes noch so unkritische Produkt eine Risikoanalyse durchführen muss, werden den Einführern und Händlern insbesondere formelle Prüfpflichten auferlegt, die bereits aus dem harmonisierten CE-Bereich bekannt sind und sich insbesondere auf Kennzeichnungen und Instruktionen beziehen.
Zu beachten ist, dass es daneben noch Pflichten aller Wirtschaftsakteure gibt. So muss jeder Wirtschaftsakteur zukünftig über interne Verfahren verfügen, um die jeweiligen Pflichten zu erfüllen (Art. 14 GPSR) und mit den Marktüberwachungsbehörden zwecks Gefahrabwendung im Nachmarkt kooperieren (Art. 15 GPSR).
Den Verkaufsplattformen wird schließlich in Art. 22 GPSR eine Vielzahl neuer produktsicherheitsrechtlicher Pflichten auferlegt. Gleichwohl müssen sie nicht aktiv nach Umständen forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit in Gestalt von angebotenen gefährlichen Produkten auf dem jeweiligen Portal hinweisen.
Schließlich gibt es spezifische Pflichten der Wirtschaftsakteure im Fernabsatz, die in Art. 19 GPSR geregelt sind. Sie spielen vor allem im Online-Handel als wichtigster Form des Fernabsatzes eine Rolle und machen Vorgaben für etwaige Angebote, die eindeutige und gut sichtbare Angaben enthalten müssen. Die Angaben beziehen sich auf die Identifizierung des Herstellers (Buchst. a)), des EU-Wirtschaftsakteurs (Buchst. b)) und des Produkts (Buchst. c)) sowie der Instruktionen (Buchst. d)).
Fazit
Die EU-Produktsicherheitsverordnung wird ab dem 13.12.2024 EU-weit das Recht der Verbraucherprodukte prägen. Sie wird dabei ergänzend auch für den europäisch-harmonisierten (B2C-)Bereich Anwendung finden. Wichtig für die Praxis werden die neuen bzw. stark modifizierten Pflichten der Wirtschaftsakteure und Verkaufsplattformen, die national über entsprechende Ordnungswidrigkeitstatbestände „scharf gestellt“ werden können. Umgekehrt gibt es auch neue Verbraucherrechte gerade im Falle des Rückrufs, die sich mit Blick auf etwaige Kostenfolgen nicht unerheblich auf den für die Feldaktion verantwortlichen Wirtschaftsakteur auswirken können.
Schließlich wird das nationale Produktsicherheitsgesetz (ProdSG) einen Bedeutungsverlust erleiden. Relevant wird es voraussichtlich vor allem für die Regulierung nicht-harmonisierter B2B-Produkte, das GS-Zeichen („geprüfte Sicherheit“) und die Sanktionen in Gestalt insbesondere von Ordnungswidrigkeiten und Straftaten bleiben.