Homeland Security zu Lande, zu Wasser und in der Luft
Das Gefahren-Management im zivilen Bereich, bei Unglücksfällen, Naturkatastrophen aber auch bei Terrorangriffen oder bei der Grenzsicherung - das ist der Gegenstand des Geschäftsfe...
Das Gefahren-Management im zivilen Bereich, bei Unglücksfällen, Naturkatastrophen aber auch bei Terrorangriffen oder bei der Grenzsicherung - das ist der Gegenstand des Geschäftsfelds „Homeland Security" von Telefunken Racoms. Das Unternehmen bietet Systemlösungen zur Unterstützung der Behörden, Organisationen und Einsatzkräfte. Matthias Erler von GIT SICHERHEIT sprach mit Ulrich Skubsch (Berater Marketing Homeland Security) und Manfred Müller (Head of Marketing and Projects) von Telefunken Racoms.
GIT SICHERHEIT: Herr Skubsch, Herr Müller, lassen Sie uns zunächst einmal einen einleitenden Blick auf das Thema Digitalfunk für BOS in Deutschland werfen. Geben Sie uns bitte einmal eine Einschätzung der momentanen Situation?
U. Skubsch: Die BOS haben bis jetzt analog gefunkt - eine Kommunikations-Technik, bei der Rauschen und Gesprächslücken sich häufig negativ bemerkbar machten. Auch die neue digitale Funktechnik, die wir jetzt haben, zeigt in der Praxis Lücken, die vergleichbar sind mit dem GSM-Mobilfunk. Der Ton wird unbemerkt vom Sprechenden plötzlich nicht mehr übertragen oder kommt lückenhaft und mit Unterbrechungen an. Makaber ist der Umstand, dass wir uns seit inzwischen 12 Jahren in einer Art Findungsphase befinden, in der man sehr vieles durchdiskutiert hat. Schließlich hat man sich entschieden, ein System einzusetzen, das mit denen der Nachbarstaaten und mit den EU-Regelungen, dem sog. ETSI Standard nicht übereinstimmt. Die Geräte sind nicht kompatibel, was den Informations-Austausch etwa bei terroristischen Anschlägen geradezu verhindert. Im Moment kann selbst nur über Stadtgrenzen hinweg teilweise nicht mit der Feuerwehr der Nachbargemeinde kommuniziert werden.
Was kann Ihr Unternehmen dem entgegensetzen?
U. Skubsch: Telefunken Racoms verknüpft analoge und digitale Kommunikations-Technik, Inkompatibilitäten werden schlichtweg überbrückt. Das Ganze ist eingebunden in ein System, das Sensorik, Management und sogar das Ergreifen von Maßnahmen miteinander vernetzt.
Geben Sie uns ein Beispiel aus der Praxis?
U. Skubsch: Kritische Infrastrukturen wie etwa ein Flughafen brauchen z.B. bei der Bearbeitung von Schadensfällen nicht nur die Flughafen- und örtliche Feuerwehr, sondern Unterstützung von draußen - etwa der Feuerwehr in Nachbargemeinden. Hier entsteht schon die erste Schwierigkeit: Hat man dort - im Nachbarbundesland - die gleichen Funkgeräte? Ähnliche Probleme gibt es auch bei großen Industriebetrieben, an Bahnhöfen, kurz, überall, wo viele Menschen sich bewegen, arbeiten und aufhalten.
Sie fassen Ihre Produkte im Bereich „Homeland Security" zusammen. Können Sie unseren Lesern diesen Begriff einmal erläutern?
U. Skubsch: Ich muss vorausschicken, dass wir von einem Oberbegriff „Homeland Security" ausgehen, der bei uns in Deutschland nicht wirklich definiert worden ist. Seit über einem Jahr versuchen wir in diesem Sinne die entsprechenden Behörden und Verbände auf Kongressen, Tagungen und bei uns im Hause zu synchronisieren. Der Begriff hat ja seit dem Angriff auf die Twin-Towers in New York traurige Berühmtheit erlangt und wird seit dem international ganz unterschiedlich mit Inhalten gefüllt. Wir können diesen Begriff „Homeland Security" auch nicht einfach auf deutsche Verhältnisse übertragen, vor allem nicht wegen unseres föderalen Systems, in dem es faktisch keine Ansprechstelle wie z.B. bei Angelegenheiten der Bundeswehr gibt, die einheitlich für alle verknüpften Aufgaben zuständig ist. Wir müssen also mit 16 Bundesländern und der Bundespolizei reden.
Sie müssen also eine Art von Verbandsarbeit im Vorfeld leisten?
U. Skubsch: Im Grunde tun wir mehr als das. Abweichend zu einem Verband kümmern wir uns nicht nur um Interessen mit lokalem, firmenspezifischen Hintergrund, sondern auch um volkswirtschaftliche, bundesweite Belange - hier kommt uns die militärische Erfahrung von Telefunken zugute. Als Bundeskanzlerin Angela Merkel in 2008 dazu aufrief, stärker die militärischen Erfahrungen in die zivile Nutzung zu integrieren, konnten wir bereits kurzfristig Konzepte vorlegen, die den Schulterschluss aller Beteiligten Institutionen mit vorsehen - etwa der Behörden des Katastrophenschutzes, der Feuerwehren, THW, polizeilicher Stellen, Sondereinsatzkommandos, die Innenministerien, etc. Wir können hier als Traditionsunternehmen maßgeschneidert auf die deutschen Bedürfnisse eingehen, anders als viele andersartig operierende und orientierte Globalisten. Gleichzeitig haben wir durch unseren Konzernhintergrund Zugang zu in Israel bereits felderprobten Produkten. Produkte für alle Aufgaben, die man zu den „Homeland Security" Technologien zählen kann.
Was im Einzelnen kennzeichnet diese Konzepte, die Sie gerade ansprachen?
U. Skubsch: Ein Verständnis für unseren ganzheitlichen Ansatz ergibt sich zunächst einmal aus dem Problem der bundesweit eingeschränkten Finanzmittel: Man kann einfach nicht alles notwendige von Grund auf neu machen, weshalb eine wirklich gute Lösung vor allem durch höchst flexible Vorgehensweise und Integration gekennzeichnet ist. Und das bedeutet in erster Linie, dass ein Konzept den Installiert-Bestand berücksichtigen muss - genau dies erfüllen unsere Konzepte: der analoge, wie der digitale Funk werden integriert, die unterschiedlichsten Managementsysteme von kleinen Facility-Management- oder größten Gefahrenmanagementsystem angefangen, unterschiedlichste Kamerasysteme, - all dies wird berücksichtigt. Das lässt sich nicht mit „aus dem Regal gezogenen Produkten" sondern nur mit dann spezifisch für den Kunden individuell angepassten Lösungen realisieren.
Es handelt sich also nicht nur um „Customizing", sondern generell um ein stark Consulting-betontes Konzept?
U. Skubsch: Es ist ein C4I-Masterkonzept (Command, Control, Communications, Computer, Intelligence), das sich aus dem militärischen Bereich ableitet. Telefunken Racoms hat bereits eine Vielzahl von Managementsystemen für Brandmeldeanlagen, für die Videoüberwachung und generell für das Gefahrenmanagement bis hin zu Heizung, Lüftung, Klima. Wichtig ist hier die Verknüpfung dieser einzelnen Systeme zu einem einheitlichen System.
Herr Müller, könnten Sie unseren Lesern einmal darstellen, welche Produkte Ihr Unternehmen für das Management solcher von Herrn Skubsch gerade skizzierten Szenarien anbietet?
M. Müller: Zunächst einmal besteht ein solches Risikomanagementsystem grundsätzlich aus drei Teilen: der Sensorik, dem eigentlichen Managementsystem mit Benutzerschnittstelle und drittens aus einer nachgeordneten Technologie, die automatisch oder auf Benutzeranforderung reagieren kann. Wir können im Rahmen der Sensorik hochwertige Systeme einbringen, etwa Kameras mit sehr hohen Reichweiten, die auch unter den widrigsten Bedingungen wie Nebel und Regen selbst extrem weit entfernte Objekte erkennen oder gar identifizieren können. Beispielsweise bieten wir Nachtsichttechnologien an, mit deren Hilfe im Rahmen des Küstenschutzes Schiffe in 8 km Entfernung beobachtet und deren Namen identifiziert werden können. Außerdem sollten unsere unbemannten Fahrzeuge erwähnt werden, die wir zu Land, zu Wasser und in der Luft überall dort einsetzen, wo es für Menschen zu gefährlich ist.
Als zweiten Schwerpunkt nannten Sie die Managementsysteme?
M. Müller: Hier ist die Lagebilddarstellung das wichtigste Element. Mit Hilfe der Videotechnologien können relevante Ereignisse abgefragt werden. Genauso wichtig ist das Thema Kommunikation. Wir sind in der Lage, Übergänge von einem Funkkreis in einen anderen sicher zu stellen und die häufig bestehende Inkompatibilität mit Hilfe unserer Systeme zu überwinden. Die Klammer über allem ist die Vernetzung: Die Leiststelle ist also nicht nur da, wo sie irgendwann einmal eingerichtet wurde, sondern dort wo man sie benötigt. Wir können sie mit wenigen Mausklicks dorthin übertragen, wo sie benötigt wird - eine browsergestützte Technologie. „Safe City" heißt dieses Konzept. Es arbeitet mit offenen Schnittstellen, so dass wir den Altbestand ebenso einbinden, wie neue Technologien. So können wir uns in jeder Situation auf die Anforderung vor Ort einstellen - unabhängig davon, ob es um den Schutz einer Grenze, eines Küstenstreifens oder um die Überwachung im Innenstadtbereich geht.
Kommen wir zum dritten Bestandteil Ihres Konzepts, in dem es um die eigentlichen Maßnahmen im Gefahrenmanagement geht?
M. Müller: Es umfasst neben der Alarmierung auch die reaktiven Systeme. Bei einem terroristischen Anschlag müssen wir davon ausgehen, dass bestimmte Infrastrukturen automatisch zu blockieren sind, wie dies in anderen Ländern bereits heute gemacht wird. Wenn etwa erkennbar wird, dass Sprengsätze über ein Handynetz gezündet werden, könnte man sämtliche Basisstationen abschalten, damit es nicht zu weitern Zündungen kommen kann. Darüber hinaus sind wir in der Lage, sog. Jammer einzusetzen. Damit kann zum Schutz der Zivilbevölkerung jegliche funkbasierende Kommunikation wahlweise komplett unterdrückt oder selektiv so gestört werden, dass z.B. nur noch die Rettungskräfte kommunizieren können. Der Einsatz dieser Technologie ist allerdings zur Zeit in Deutschland noch nicht hinreichend gesetzlich geregelt.
Herr Skubsch, es wurden vorhin Ihre Gesichtserkennungssysteme erwähnt - warum sind diese so leistungsfähig, wie Sie es beschrieben haben?
U. Skubsch: Die sehr verbreitete Wärmebildtechnologie stößt ja dort an ihre Grenzen, wo Dinge erkannt werden sollen, die selbst keine Wärme erkennen. Was steht etwa auf dem Schild neben der Person geschrieben? Was hat es mit dem Fahrzeug daneben auf sich? Unsere Systeme arbeiten mit aktiver Lasertechnologie. Sie stammt aus dem militärischen Bereich und ist jetzt erstmalig für zivile Anwendungen verfügbar. Damit können wir präzise Details auch dort erkennen, wo das menschliche Auge selbst mit Scheinwerfern unterstützt, etwa bei Nebel, Laub, Schnee oder Regen, lange nichts mehr erkennen würde.
Diese Technologie kommt in der zivilen Nutzung bislang noch nicht vor?
U. Skubsch: Man könnte scherzhaft sagen, wo James Bond aufhört, fangen wir an... Es ist aber, wie gesagt, eine Technologie, die in der Tat bislang nur im Militär entwickelt und angewendet wurde, wo man mit ganz anderen finanziellen Mitteln budgetiert. Hier reden wir nun allerdings über Produkte, die auf den zivilen Bereich herunter gebrochen wurden - auch finanziell.
Das gilt auch für die anderen Produkte, die Sie nannten?
U. Skubsch: Zum größten Teil gilt das für alle unsere Produkte, die wir für Anwendungen zu Land, zu Wasser und in der Luft anzubieten haben. Dazu gehört etwa Skylark I, ein unbemanntes Flugzeug, das völlig automatisiert fliegt, so dass sich der Anwender nur noch auf die Fernsteuerung der Kamera zu konzentrieren braucht. Es kann überall landen, nötigenfalls sogar auf dem Hubschrauberlandedeck eines Zollkreuzers auf der Ostsee. Eine Eigenentwicklung ist unser Telestat. Das ist eine Art Fesselballon, der als solcher bei uns außerhalb des Zuständigkeitsbereichs des Luftfahrtbundesamtes schon jetzt rechtlich zulässig ist. Das hier übliche Problem, dass jede Windböe den klassischen Ballon nach unten drücken würde, besteht hier nicht, da der Telestat wie bei einem Drachen vom Wind nicht nach unten, sondern nach oben gezogen wird. Daran können wir z.B. Kameras, Relais etc. installieren.
Gehen wir mal aufs Land?
U. Skubsch: Hier ist der Viper zu nennen, ein Fahrzeug mit einer besonderen Radkonstruktion: Es verfügt über einen variablen Raupenantrieb und ist damit in der Lage durch unwegsames Gelände, zerstörte Häuser, durch Wasser, etc. zu fahren, auch durch Sand und Gestrüpp. Darauf kann man Gasdetektoren, Greifarme, Kameras, etc. montieren. So kann man Informationen beschaffen ohne Menschen zu gefährden. Guardium heißt das größere Modell - es dient z.B. der Grenzüberwachung. Auf dem Wasser schließlich: Das Powerboot „Silver Marlin" durchpflügt mit Hochgeschwindigkeit das Meer und kann die Suche nach Personen oder Objekten im Meer auf hochpräzise Weise ausführen und diese dann sogar bergen. So sind wir in allen Medien in der Lage Technologie einzusetzen, wo sonst Menschen gefährdet würden.
Herr Skubsch, Herr Müller, besten Dank für das Gespräch.
Business Partner
Telefunken Radio Communication Systems GmbH & Co.KGEberhard-Finckh-Str. 55
89075 Ulm
Deutschland
Meist gelesen
Gesundheit von Pferden mit KI überwachen
Mit einer Kombination von Videotechnologie und KI geht der Hersteller Novostable neue Wege bei der Gesundheitsüberwachung von Pferden.
Wie Unternehmen und Polizei zusammenarbeiten
GIT SICHERHEIT im Interview mit Julia Vincke, Leiterin Unternehmenssicherheit BASF, und Bettina Rommelfanger, Polizeivollzugsbeamtin am Landeskriminalamt Baden-Württemberg (LKA BW).
Konzernsicherheit und Krisenmanagement bei Carl Zeiss
Risikobasierter Sicherheitsansatz: "Wer alles schützen will, schützt nichts." GIT SICHERHEIT im Interview mit Sven Franke, Head of Security, Crisis Management & BCM bei Carl Zeiss.
Coded Processing: Funktionale Sicherheit ohne spezielle Hardware ermöglichen
Im Interview mit GIT SICHERHEIT erläutern Claudio Gregorio (Innotec) und Martin Süßkraut (Silistra Systems) wie die Technologie funktioniert.
General Product Safety Regulation (GPSR): Was regelt sie und welche Akteure müssen sich damit befassen?
Neue EU-Produktsicherheitsverordnung (GPSR) ab 13.12.2024: Wichtige Änderungen und Anforderungen für Verbraucherprodukte