VDMA-Einheitsblatt 24994: Erster einheitlicher Prüfstandard für die Zertifizierung von Lager-/Ladeschränken für Lithium-Ionen-Akkus
Mit dem VDMA-Einheitsblatt 24994 gibt es seit August vergangenen Jahres erstmals eine Grundlage für einen einheitlichen Prüfstandard im Bereich von Lager- bzw. Ladeschränken und -einrichtungen für Lithium-Ionen-Akkus. Das soll für mehr Sicherheit auf Seiten der Anwender und Hersteller sorgen. Im ersten Beitrag unserer vierteiligen Reihe zum VDMA-Einheitsblatt 24994, erläutert Dr. Andre Horstenkamp, zuständig für das Projektmanagement beim Gefahrgutspezialisten Düperthal, die spezifischen Herausforderungen auf Seiten der Hersteller, die Fortschritte im Bereich der Innentests sowie die Auswirkungen auf das Produktportfolio bei Düperthal.

GIT SICHERHEIT Wie stellt sich gegenwärtig die Situation im Bereich der Prüfung von Lagerschränken/Lagereinrichtungen für Lithium-Ionen-Akkus dar? Schafft das neue VDMA-Einheitsblatt 24994 mehr Transparenz und Klarheit sowohl für Hersteller als auch für Konsumenten?
Dr. Andre Horstenkamp: Obwohl bereits seit annähernd 10 Jahren Lagerschränke für das Laden und Lagern von Lithium-Ionen-Akkus am Markt verfügbar sind gab es bisher keinen einheitlichen Prüfstandard für diese Produkte. Wir von Düperthal haben daher unsere Battery line Sicherheitsschränke bereits frühzeitig in Zusammenarbeit mit dem Frauhofer ICT mit Lithium-Ionen-Akkus unterschiedlicher Größe getestet.
Das VDMA-Einheitsblatt 24994 bietet den Herstellern die Möglichkeit ihre Produkte nach einheitlichen und vergleichbaren Kriterien prüfen zu lassen. So ist eine Prüfung mit realen Batteriezellen mit einer definierten Zellchemie im vorgegeben. Weiterhin beinhaltet das VDMA-Einheitsblatt grundlegende Konstruktive Vorgaben für den Lagerschrank, wie z. B. den Einbau eines Rauchmelders.
Ein Brandtest von außen wird zwar im VDMA-Einheitsblatt beschrieben, ist jedoch nicht zwingend erforderlich. Hier bleibt es dem Hersteller überlassen, ob er seine Produkte entsprechend zertifizieren und kennzeichnen möchte.
Für den Betreiber bzw. Nutzer schafft das VDMA-Einheitsblatt insofern Transparent, dass man entsprechend gekennzeichnete Produkte nach objektiven Kriterien miteinander vergleichen kann. Ein weiterer großer Vorteil für den Nutzer ist, dass die maximal Batteriekapazität, die im Schrank bzw. pro Lagerbereich gelagert werden kann, angegeben werden muss.
Welche spezifischen Herausforderungen und Widersprüche sehen Sie bei den aktuellen Prüfszenarien und Normen für Lagerschränke für Lithium-Ionen-Akkus ?
Dr. Andre Horstenkamp: Derzeit findet man viele Produkte am Markt, die nach unterschiedlichen Normen und Standards geprüft wurden. Dazu gehören beispielsweise Prüfungen nach DIN EN 14470-1, der Prüfnorm für Sicherheitsschränke zum Lagern von brennbaren Flüssigkeiten, Brandprüfungen nach DIN EN 1363-1 und auch die von uns in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer ICT durchgeführten Tests mit Lithium-Ionen-Akkus unterschiedlicher Größe. Teilweise finden sich aktuell Produkte, die nur in Anlehnung an einen Prüfstandard oder bereits vor Veröffentlichung eines Prüfstandards, wie z. B. dem VDMA-Einheitsblatt, geprüft wurden. Das führt aus unserer Sicht zu einer erhöhten Unsicherheit bei der Produktauswahl beim Kunden, da die Produkte so nur schwer miteinander vergleichbar sind.
Wie bewerten Sie die freiwilligen Außenbrandtests nach VDMA, und welche Fortschritte wurden beim Innenbrandtest erzielt?
Dr. Andre Horstenkamp: Der Thermal-Runaway-Test, wie er in dem VDMA-Einheitsblatt beschrieben ist, ist aus unserer Sicht eine gute Lösung, um die Leistungsfähigkeit eines Lagerschranks unter Beweis zu stellen. Durch die Definition des für den Test zu nutzenden Zellformats (zylindrisch)und der Zellchemie (NMC 8-1-1 oder NMC 9-0,5-0,5) sowie der Ladung (SoC => 98 %) der Zellen werden die Tests untereinander vergleichbar.
Den äußeren Brandschutz des Sicherheitsschranks sehen wir als wichtigen Bestandteil unseres Sicherheitskonzepts. Durch den Brandschutz von außen wird gewährleistet, dass im Falle eines Brandes im Raum die im Sicherheitsschrank gelagerten Batterien das Brandgeschehen nicht zusätzlich verstärken und Personen den Gefahrenbereich sicher verlassen können und Rettungskräfte vor den gelagerten Lithium-Ionen-Batterien geschützt sind.

Welche Schwachstellen sehen Sie im VDMA-Einheitsblatt?
Dr. Andre Horstenkamp: Wir sehen an einigen Stellen des VDMA-Einheitsblatts noch ein gewisses Verbesserungspotential. So kann der Thermal-Runaway-Test auf eine Lagerebene begrenzt werden, wenn die darunter und darüber gelagerten Lithium-Ionen-Akkus nicht propagieren. Eine weitere Aufteilung der jeweiligen Lagerebenen in kleinere Bereiche auf die der Thermal Runaway begrenzt bleibt ist bisher nicht vorgesehen, obwohl dadurch die Sicherheit für den Betreiber und die Nutzer weiter erhöht wird.
Eine weitere Herausforderung stellen die bei einem Thermal Runaway austretenden Gase dar. In der aktuellen Fassung des VDMA Einheitsblatts werden austretende Gase nur am Rande erwähnt, obwohl sie ein erhebliches Gefährdungspotential für die Nutzer darstellen.
Ebenso wird im VDMA Einheitsblatt die elektrische Sicherheit der Lagerschränke bisher nicht betrachtet. Da ein großer Teil der auf dem Markt angebotenen Lagerschränke mit Steckdosen zum Laden von Akkus ausgestattet ist, sollte die elektrische Sicherheit aus unserer Sicht ein weiteres Prüfkriterium darstellen.
Gibt es Modifikationen an den Produkten von Düperthal, die durch das VDMA-Einheitsblatt bedingt sind?
Dr. Andre Horstenkamp: Ja, es ergeben sich Modifikationen, da das VDMA Einheitsblatt vorsieht, dass der Schrankinnenraum durch einen Temperatursensor und einen Rauchmelder überwacht wird, müssen die nach dem VDMA-Einheitsblatt gekennzeichneten Schränke mit der entsprechenden Sensorik ausgestattet werden. Bisher wurde die Sensorik für den präventiven Brandschutz nur als optionales Zubehör angeboten.
Weiterhin ergeben sich Modifikationen beim Brandschutz von außen. Im Vergleich zur DIN EN 14470-1, der Prüfnorm für Lagerschränke für brennbare Flüssigkeiten, sieht das VDMA Einheitsblatt bei einem Außenbrand eine maximale Temperaturerhöhung um 100 K bzw. 120 K im Schrankinneren vor. Im Vergleich hierzu ist bei der Brandprüfung nach DIN EN 14470-1 eine Temperaturerhöhung um 180 K erlaubt.
Wie sieht es mit dem Thema Explosion aus? Wird dies vom VDMA-Einheitsblatt berücksichtigt und wie wird mit austretenden Gasen umgegangen?
Dr. Andre Horstenkamp: Das Thema Explosionen wird nur am Rande berücksichtigt, da es während des Thermal Runaway Test zu vielen kleinen Explosionen kommen kann. Diesen Explosionen muss der Schrank standhalten.
Ein zusätzlichen Explosionstest mit einer größeren Gasmenge, wie ihn z. B. die neu erschienene UL 1487 vorsieht, ist im VDMA-Einheitsblatt nicht beschrieben. Mit einem solchen Test soll gezeigt werden, dass der Lagerschrank auch dem Explosionsdruck einer größeren Gasmenge standhalten kann. Eine solche Gasmenge kann sich ansammeln, wenn Lithium-Ionen-Batterien nur ausgasen und die Gase nicht direkt gezündet werden.

Welche zukünftigen Entwicklungen und Innovationen planen Sie im Bereich der Akkuaufbewahrung, um auf zukünftige Herausforderungen zu reagieren?
Dr. Andre Horstenkamp: Auch zukünftig ist es unser Ziel innovative und nachhaltige Produkte, die dem Stand der Technik entsprechen anzubieten. Dazu bieten wir optimierte Lagerlösungen für die Lagerung und das sichere Laden von Lithium-Ionen-Akkus an. Dabei orientieren wir uns an den Wünschen unserer Kunden. So können wir z. B. Schließfachlösungen mit unterschiedlichen Schließungen oder spezielle Lösungen für den Einbau von Ladesystemen, wie sie viele Batterie-System-Hersteller auf den Markt bringen, anbieten.
Für den präventiven Brandschutz bieten wir auf die Bedürfnisse unserer Kunden angepasste Monitoring Lösungen an. Hier können wir offline Lösungen liefern, wie z. B. die kombinierte Überwachung des Sicherheitsschranks mit einem oder mehreren Temperatursensoren und einem Rauchmelder. Darüber hinaus können wir auch vernetzte Rauchmelder einbauen und über unsere Düperthal connect Lagermanagementsoftware den Sicherheitsschrank und die integrierte Sensorik online überwachen.