11.04.2025 • Topstory

Globale Sicherheitsstrategien der DHL Group

Im Interview mit Frank Ewald, Senior Vice President, Head of Corporate Security & Crisis Management bei der DHL Group, wird deutlich, wie die Logistikbranche als Brennglas für wesentliche Trends unserer Zeit fungiert. Von globalem Handel über Klimawandel bis hin zur Digitalisierung – diese Faktoren treiben die „Strategie 2030“ der DHL Group voran, die auf nachhaltiges Wachstum abzielt. Mit 80 Prozent des Umsatzes außerhalb Deutschlands muss die Konzernsicherheit weltweit sicherheitsrelevante Trends und Ereignisse im Blick behalten. FIm Gespräch mit GIT SICHERHEIT erläutert Frank Ewald die Herausforderungen und Strategien der Konzernsicherheit.

Frank Ewald, Senior Vice President, Head of Corporate Security & Crisis Management, DHL Group, lehnt an einem Arbeitsplatz mit verschränkten Armen
© © DHL Group/Autorin: Sonja Beyland


GIT SICHERHEIT: Herr Ewald, bevor wir über Ihre eigenen Aufgaben und Funktionen sprechen, lassen sie uns erst mal über die DHL Group selbst sprechen. Was einmal aus der früheren Deutschen Post hervorging, ist heute ein wachsender Logistik-Konzern mit bald 600.000 Mitarbeitern. In welchem Größenverhältnis stehen Ihre weltweiten und deutschen Aktivitäten?

Frank Ewald: Es ist wahr, aus der alten Deutschen Bundespost ist über die Jahrzehnte ein global aktiver und sehr erfolgreicher Konzern geworden: Diverse Akquisen wie DHL, Exel oder Danzas sorgten für ein breites Portfolio an Logistikdienstleistungen und einen globalen Footprint. Und das meine ich wörtlich: Fast zwei Drittel unserer Kolleginnen und Kollegen arbeiten mittlerweile außerhalb Deutschlands, in Büros, an Häfen, Hubs, Terminals oder auf den Fahrtwegen ihrer Länder. Wir sprechen gern von „über 220 Ländern und Territorien“, in denen die DHL Group aktiv ist, denn manchmal ist die Staatlichkeit nicht ganz unumstritten. Aber als global aktiver Logistiker umspannen unsere Routen und Netze eben die gesamte Welt. Hinsichtlich des Konzernumsatzes ist es etwas unklarer, aber wenn wir den Bereich Post & Paket Deutschland betrachten – den direkten Erben der Deutschen Bundespost – dann machte dieser Bereich 2023 ca 20 % unseres Jahresumsatzes von etwa 80 Mrd. € aus. Umgekehrt heißt das, dass ca. 80 % außerhalb von Deutschland erwirtschaftet wird. Das bedeutet wiederum, dass alle sicherheitsrelevanten Trends, Vorfälle und Spannungen dieser zunehmend unsicheren Welt uns betreffen. Und damit auch den Bereich der Sicherheitsfunktionen der DHL Group.


Die klassischen Postfilialen sind aber weitgehend externen Betreibern gewichen oder gehören zur Postbank und damit der Deutschen Bank?

Frank Ewald: Ja, das ist richtig, aber wir sind weiter noch auf unterschiedlichste Arten und Weisen verflochten. Das gilt besonders für das flächendeckende Netz der Paketshops in Deutschland, die teilweise sehr lokale Versorgung sicherstellen. Aber das ist genauso der Fall bei den vielen größeren Partnerfilialen der Postbank, die unsere Produkte und Services anbieten. Auch wenn es die früher auch städtebaulich so prominenten Postämter nicht mehr gibt, können unsere Kunden immer in der Nähe eine Anlaufstelle der DHL Group finden.


Post- und Paketdienste sowie Express- und Kuriersendungen sind die größten Unternehmensbereiche? Für letztere soll die DHL Group sogar mehr Flugzeuge als die Lufthansa haben...?

Frank Ewald: Das ist richtig – zusammengenommen stellen Post & Paket Deutschland und DHL Express ca. 50% des Unternehmensumsatzes. Obendrein ist DHL Express weiterhin mit seinen Time Definite-Dienstleistungen hochprofitabel und hat in den letzten Jahren stark expandiert. Dort wird auch die Masse unserer Frachtflugzeuge betrieben. Diese Aussage, dass wir mehr Flugzeuge besitzen als die Lufthansa, habe ich auch gehört und es kommt ein wenig darauf an, wie man zählt. Aber gesichert ist das bei reinen Frachtflugzeugen und dem Vergleich zur Lufthansa Cargo der Fall: Hier führt die DHL Group deutlich, was in der Natur unserer jeweiligen Aufgaben liegt – Frachttransport bei uns; primär Passagiertransport bei der Lufthansa. Fairerweise muss man aber auch sagen, dass die Lufthansa viel „belly freight“ in Passagierflugzeugen transportiert (Anm. d. Red.: Bellyfracht heißen in der Luftfahrt die Räume im Flugzeug, die sich unterhalb des Passagierdecks befinden. Dort werden auch Güter transportiert). Wenn man alle Tochtergesellschaften jeweils hinzurechnet, kann man aber doch davon ausgehen, dass die Lufthansa mehr Flugzeuge besitzt und betreibt.


Sie sind Head of Corporate Security & Crisis Management dieses riesigen und komplex aufgebauten Unternehmens. Wie ist das Sicherheitsmanagement bei der DHL Group insgesamt strukturiert – und welche Aufgaben obliegen Ihnen selbst?

Frank Ewald: Eine derart globale Organisation verlangt nach Flexibilität, um schnell und effektiv zu reagieren. Ein gewisser Dezentralisierungsgrad bei Arbeitsteilung ist daher absolut essenziell. Meine Abteilung – Corporate Security & Crisis Management – stellt dabei auf Ebene der Group Functions den strategischen Steuerkopf dar. Hier werden Kompetenzen gebündelt, deren Fachbereiche über organisatorische Grenzen hinweg wirken, wie beispielsweise die Governance des Business Continuity Management (BCM), die Reisesicherheit oder das globale Sicherheitslagezentrum. Jede unserer Divisionen, wie z.B. die genannte DHL Express, besitzt ihren eigenen Sicherheitsbereich, der dann operative Sicherheitsthemen bis hin in die lokale Ebene verantwortet. Global stimmen sich die Sicherheitsorganisationen dann in einem Steuerungsgremium ab und legen Leitlinien fest. Diese koordinierenden Fäden in der Hand zu halten, strategische Sicherheitsentscheidungen einzufädeln und das Top Management kompetent zu beraten ist meine Aufgabe.


Könnten Sie einmal etwas näher das Selbstverständnis und die Ziele der Konzernsicherheit bzw. des Krisenmanagements bei der DHL Group erläutern?

Frank Ewald: Wir haben unser Selbstverständnis kürzlich nochmals neu und prägnant definiert als „Prevent. Protect. Recover.“ Wir sehen uns als essenzielle Schutzfunktion für unsere Kollegen, unsere Betriebsmittel und natürlich die Güter, die unsere Kunden uns anvertraut haben. „Prevent“ bezieht sich dabei darauf, dass wir Vorfälle im Vorhinein vermeiden wollen durch ein geeignetes vorbeugendes Denken, Handeln und den Einsatz von Technologie. „Protect“ bringt dann erste Komponenten der Härtung ins Spiel: Wie minimieren wir die Auswirkungen von schädlichen Vorfällen? Und „Recover“ ist unser Anspruch, nach einem Vorfall so schnell wie möglich unsere Betriebsprozesse wieder in einen Normalzustand bringen zu können. Dabei stehen unsere Mitarbeiter absolut im Zentrum: Wenn sie sich als aktiven Teil der Sicherheit begreifen und handlungssicher sind, stärkt dies alle drei Aspekte unseres Selbstverständnisses. Das ist die Quintessenz unserer Sicherheitskultur in der DHL Group: Wir alle sind für die Sicherheit zuständig, egal was die eigene Hauptaufgabe ist.


Langzeitaufnahme des Hecktails von mehreren nebeneinander geparkten,...
DHK HUB Flughafen Leipzig – das DHL Drehkreuz für Europa
© DHL Group

Wie übersetzt sich dies in die Strategien der Konzernsicherheit? Könnten Sie uns das einmal skizzieren?

Frank Ewald: Wir haben soeben den Prozess der Sicherheitsstrategieformulierung 2030 abgeschlossen und die vier strategischen Leitlinien („Bottom Lines“) des Unternehmens für uns abgeleitet: Was bedeutet es für die Sicherheit, Arbeitgeber, Anbieter und Investment erster Wahl zu sein? Und wie definieren wir Sicherheit nachhaltig? Wir haben divisionsübergreifende Initiativen für alle diese Bottom Lines definiert, wie z.B. harmonisierte Sicherheitstrainings für unsere Mitarbeiter oder bereichsübergreifende Krisenmanagementübungen. Und wir werden einige Initiativen ganz besonders in den Vordergrund stellen. So sind wir aktiv als Sicherheitsfunktion an ausgewählte Kunden herangetreten und haben einen engen Austausch zu besserer Kooperation begonnen. Erste Rückläufer sind sehr positiv. Wir haben weiterhin unsere geopolitischen Analysefähigkeiten deutlich ausgebaut, was uns jetzt zugutekommt. Und wir stärken darüber hinaus unsere Beratungs- und Umsetzungskapazitäten hinsichtlich Sicherheitstechnologien. So schützen wir unsere Kolleginnen und Kollegen, unser Geschäft und unsere Kunden.


Das Verständnis von Konzernsicherheit bedeutet heute ja in der Tat immer häufiger mehr denn je die Übernahme solcher beratenden und koordinierenden Funktionen innerhalb des Unternehmens. Können Sie noch etwas näher darauf eingehen, wie sich das in Ihrem Hause gestaltet?  

Frank Ewald: Wir sehen hier einen ganz wesentlichen Aspekt unserer Tätigkeit: Wir stellen unseren Kollegen und Kolleginnen aus allen Bereichen unser Fachwissen, unsere Expertise zur Verfügung. Nehmen wir beispielsweise das Thema Beratung und Umsetzung von Sicherheitstechnologien. Unsere Sicherheitstechniker werden zunehmend aus den Divisionen angefragt, um moderne und resiliente Sicherheitstechnologien passgenau und kostensparend zu planen und umzusetzen, und das unter Erfüllung sämtlicher Anforderungen aus Zertifizierungen oder auch rechtlichen Vorgaben. So konnten wir bereits signifikante Kosten einsparen und gleichzeitig ein hohes technisches Leistungsniveau erreichen. Die Kollegen sind gut ausgelastet, wie Sie sich vorstellen können. Koordination ist ebenfalls eine zentrale Aufgabe für uns. Bei fünf Divisionen und den in den Global Business Services gebündelten geschäftsnahen Dienstleistungen kann man viele Synergien heben! Es nutzen beispielsweise fast alle Divisionen weltweit das gleiche Sicherheitstraining. So werden Kernbotschaften harmonisiert und verhindert, dass unkoordiniert Geld und Zeit investiert wird.


Der Begriff der Business Resilience nimmt einen Trend auf, mit denen etwa in den USA ganzheitliche Strategien des Sicherheitsmanagements beschrieben werden. Wie verstehen Sie diesen Begriff?

Frank Ewald: Resilience verstehen wir als die ganzheitliche Vorbereitung auf Schadereignisse im Sinne von „Prevent. Protect. Recover“. Wir erkennen an, dass wir ein Unternehmen von physischen und digitalen Verbindungen sind: Wir haben zwar lokalisierte Knotenpunkte und kritische Prozesse, aber wir haben vor allem ein Netzwerk von Wegen, Routen und Datenverbindungen. Das hat natürlich Auswirkungen auf unseren Ansatz – statischer Schutz alleine reicht nicht: Wir versuchen, kritische Geschäftsprozesse zu identifizieren und zu immunisieren, unsere Assets zu härten, negative Effekte zu kapseln und zu begrenzen, sowie wo nötig Ausweichoptionen und Redundanzen zu bilden – und dann die wiederherstellende Reaktion zu üben. Das ist der Kern unserer unternehmensweiten Business-Continuity-Strategie. Dazu führen wir jedes Jahr eine Vielzahl von Simulationen durch.


Nun haben Sie es natürlich weltweit mit den unterschiedlichsten Gefahren zu tun – von politischen Verwerfungen und deren Auswirkungen bis zu Tsunamis und anderen Naturkatastrophen... Könnten Sie einmal beschreiben, wie Sie sich darauf vorbereiten, wie Sie zu diesen Informationen kommen und ­welche Maßnahmen Sie ergreifen?

Frank Ewald: Eine Komponente dessen habe ich gerade unter „Resilience“ beschrieben. Aber wenn es um schnell verfügbare und vor allem validierte Informationen geht, so betreiben wir ein internes globales Sicherheitslagezentrum. Dieses führt eine Reihe von Informationsquellen zusammen und bewertet Ereignisse hinsichtlich potenzieller Impacts für die DHL Group. Das kann zu lokalen oder regionalen Maßnahmen führen, oder aber bspw. zur Aktivierung unseres globalen Krisenstabes. Wir haben auch eine Krisenindikatorenmethodik entwickelt, um hier gegebenenfalls proaktiv handeln zu können. Hinsichtlich der genannten globalen Verwerfungen haben wir unsere geopolitischen Analyse- und Beratungsfähigkeiten kräftig aufstocken können. Wir beobachten potenzielle globale Krisenherde und stimmen uns mit anderen Konzernfunktionen ab, um ein ganzheitliches, abgewogenes Analyse- und Bewertungsbild als Basis der Entscheidungsberatung zu erlangen. Welche Regionen der Welt wir beobachten, dürfte kein Geheimnis sein.

Elektrokleintransporter der DHL mit einem Fahrer in Seitenansicht
Nachhaltigkeit und grüne Transportlogistik ist eine Grundlage der Strategie 2030
© DHL Group


Geben Sie uns das eine oder andere weitere Beispiel aus der jüngeren ­Vergangenheit?

Frank Ewald: Nehmen wir beispielsweise den Krieg in der Ukraine: Im Vorlauf zum Beginn der Invasion 2022 haben unsere Analysten diverse Szenarien ausgearbeitet, wie eine Eskalation aussehen könnte. Die dann eingetretene Invasion war ein beschriebenes Szenario. Eine weitere Anekdote wäre, dass unser Krisen-Workteam im Jahr vor der Covid-Pandemie die Auswirkungen einer Pandemie auf das Unternehmen übte. Das hat uns eventuell ein Stück geholfen, als es dann ernst wurde.


Die IT-Sicherheit läuft bei Ihnen ja getrennt von der Konzernsicherheit...?

Frank Ewald: Ja, das ist so und es hat historische Gründe weshalb die Funktion Information Security getrennt von uns läuft. Aber wir arbeiten auf divisionalen und Group-Ebenen sehr eng zusammen. Ich persönlich stimme mich oft mit meinem entsprechenden Kollegen ab und viele Kampagnen und Events führen wir gemeinsam durch. Denn wir teilen ja die Auffassung, eine Schutzfunktion zu sein, und unsere Botschaften sind oftmals sehr ähnlich.


Inwieweit sind dennoch Entwicklungen die durch den Einsatz Künstlicher Intelligenz angetrieben werden für Ihre Arbeit in der Konzernsicherheit relevant?

Frank Ewald: Keine Frage: Digitalisierung und künstliche Intelligenz wird unsere Arbeit massiv verändern und wir sind hier aktiv dabei, die Chancen dieses globalen Megatrends zu nutzen. Das erfordert von vielen Kollegen auch neues Denken, aber diesen Einflüssen kann sich niemand entziehen. Wir sehen KI also durchaus positiv und nutzen diesen Effizienzhebel, zum Beispiel bei der Analyse großer Datenmengen oder Security Audits. Wir beobachten aber auch die potenziellen Risiken von KI. Experten meines Teams haben sich eingehend damit auseinandergesetzt und haben den Finger auch schnell auf die Besonderheiten von DeepSeek richten können. Chancen und Risiken: Ich glaube, das trifft unsere Herangehensweise sehr gut.


Welche wichtigen Vorhaben werden Sie im Verlauf des Jahres besonders stark in der Konzernsicherheit beschäftigen?

Frank Ewald: Es liegt in der Natur unserer Aufgaben, dass sich das von einem Moment zum anderen drastisch ändern kann, daher bin ich da vorsichtig. Aber sollte es keine unvorhergesehenen Entwicklungen geben, werde ich mich stark in das Thema Kundenengagement der Konzernsicherheit einbringen. Wir wollen Sicherheit als Key Differentiator der DHL Group für unsere Kunden platzieren und haben viele dahingehende Maßnahmen für 2025 geplant. Wir sehen hier viel Potenzial, Sicherheit und Kundeninteraktion noch besser zu verflechten und enge Bindung und Vertrauen zu generieren. Letztlich ist Sicherheit ja nach wie vor ein Geschäft des Vertrauens.


Herr Ewald, wir haben in Deutschland gerade neu gewählt. Welche Erwartungen haben Sie an die neu zu schaffende Bundesregierung? Wo sehen Sie den größten Handlungsbedarf?

Frank Ewald: Ich war auf der Münchner Sicherheitskonferenz dieses Jahr und habe die Ereignisse dort live erlebt. Ich glaube, das volle und konkrete Ausmaß der Herausforderungen, die sich unserer Gesellschaft stellen wird, muss sich erst noch zeigen. Man kann aber mit Sicherheit sagen, dass wir viel gewohntes und liebgewonnenes Denken über Bord werfen und uns als Gesellschaften komplett neu resilient aufstellen müssen. Für Unternehmen ist es immens wichtig, verlässliche Rahmenbedingungen zu haben, gerade nach den letzten Jahren und angesichts dessen, was auf uns zukommt. Hier sehe ich eine der Hauptaufgaben für die neue Regierung. Das bezieht sich sowohl auf die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die Wachstum ermöglichen müssen; aber auch auf die Anforderungen, die die Sicherheit unserer Gesellschaft an uns als Unternehmen stellen wird. Das ist ohne Zweifel eine Mammutaufgabe, um die ich niemanden beneide. Aber sie muss angegangen werden, denn die Zeit drängt. 

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