Interview mit Münchner Polizeipräsidenten Hubertus Andrä
Die Polizei der bayerischen Landeshauptstadt ist die größte Polizeibehörde des Freistaates Bayern. Mit etwa 7.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sorgt sie jeden Tag für die Sich...
Die Polizei der bayerischen Landeshauptstadt ist die größte Polizeibehörde des Freistaates Bayern. Mit etwa 7.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sorgt sie jeden Tag für die Sicherheit in der süddeutschen Metropole - und: vielerorts wird München gerühmt für seine Sicherheit. Niedrige Kriminalitätsbelastung und hohe Aufklärungsquote suchen in den Millionenstädten Europas ihresgleichen. Die Aufbauorganisation der Bayerischen Polizei wurde in den vergangenen Jahrzehnten stets den Anforderungen an eine moderne Polizei angepasst. Unser wissenschaftlicher Schriftleiter Heiner Jerofsky sprach mit Polizeipräsident Hubertus Andrä - über die aktuelle Kriminalitätsentwicklung, Cybercrime, über seine Konzepte und Ziele.
GIT SICHERHEIT: Die Landeshauptstadt München ist eine der beliebtesten deutschen Großstädte. Nicht nur die Münchner lieben ihre Stadt, sondern auch Millionen Touristen kommen jährlich, um die bayerische Lebensart zu genießen. Wie steht es um die Sicherheit und die Kriminalitätsbelastung in Ihrer Stadt?
Hubertus Andrä: München ist die sicherste Großstadt (Städte mit mehr als 200.000 Einwohner) Deutschlands. Von einem bereits niedrigen Niveau aus sind die Straftaten in den letzten zehn Jahren um über neun Prozent zurückgegangen. Im selben Zeitraum ist die Zahl der Einwohner um zwölf Prozent gestiegen. Allein diese Entwicklungen beschreiben unsere gute Sicherheitslage sehr eindrucksvoll. Im direkten Vergleich mit den beiden größten deutschen Städten Berlin und Hamburg werden bei uns nur etwa halb so viele Straftaten begangen. Bei Taten, die das subjektive Sicherheitsgefühl der Bürger stark beeinflussen, wie z.B. Einbrüche und Taschendiebstähle, haben wir Zahlen, die in den beiden anderen größten deutschen Städten mehr als dreimal so hoch sind.
Welche Sicherheitsphilosophie haben Sie und worauf führen Sie die niedrigen Werte im Vergleich zu anderen Großstädten zurück?
Hubertus Andrä: Dieser Erfolg beruht in erster Linie auf einem großen Paket unterschiedlichster Maßnahmen, also einem umfassenden Maßnahmenbündel. Wir gehen zum einen konsequent gegen erhebliche Rechts- und Ordnungsverstöße vor und dulden keine rechtsfreien Räume. Zum anderen wenden wir dagegen bei einfachen Ordnungswidrigkeiten eine höhere Einschreitschwelle an. Ereignisse wie das Entstehen von regelmäßigen Treffpunkten sozialer Randgruppen oder auch der Versuch leerstehende Häuser unrechtmäßig zu besetzen, werden von uns schnell unterbunden. Wehret den Anfängen ist dabei unser Leitmotiv. Mittels einer modernen und zielgerichteten Präventions- und Öffentlichkeitsarbeit, z.B. durch unsere Kontakt- und Jugendbeamten oder die offensive Nutzung der sozialen Netzwerke, versuchen wir größtmögliche Transparenz für unser Handeln herzustellen, sowie den intensiven Kontakt mit der Bevölkerung zu pflegen. Auf vielen Ebenen und mit institutionalisierten Arbeitsgruppen arbeiten wir sehr eng und vertrauensvoll mit den Behörden und Organisationen der Stadt München, aber auch einer Vielzahl professioneller Sicherheitsunternehmen zusammen und können so gemeinsam auf wichtige Trends und sicherheitsrelevante Entwicklungen schnell und situationsgerecht reagieren. Unsere Kommunikation hat sich in der Vergangenheit gerade in Krisenfällen sehr bewährt und sie ist mittlerweile unverzichtbar. Diese Handlungsphilosophie verbunden mit dem beachtlich hohen Engagement meiner Beschäftigten ist entscheidend für unsere gute Sicherheitslage verantwortlich. Nicht außer Acht gelassen werden darf dabei aber auch, dass wir eine starke und konsequente Justiz an unserer Seite haben.
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Welche Veränderungen wurden im Zuge der Organisationsreform der Bayerischen Polizei vorgenommen und wie gliedert sich Ihre Behörde und können Sie damit auch in der Fläche präsent sein?
Hubertus Andrä: Im Rahmen einer umfassenden Reform und Modernisierung der öffentlichen Verwaltung im Freistaat Bayern (Programm „Verwaltung 21“) wurde auch die Organisation der Bayerischen Polizei unter dem Aspekt der Reduzierung von Verwaltungstätigkeiten von vier auf drei Ebenen gestrafft. Die damalige Organisationsform, nach der örtliche und funktionale Polizeidirektionen als Bindeglied zwischen den Polizeiinspektionen und dem Polizeipräsidium zwischengeschaltet waren, wurde aufgegeben. Zur Kompensation des Wegfalls einer Führungsebene wurden zusätzliche Führungsinstrumente eingeführt bzw. die bereits vorhandenen Strukturen verstärkt, sodass sowohl die Einsatzkompetenz der Präsidien als auch die Führungskompetenzen der Polizeiinspektionen gestärkt wurden. Genannt sei hier beispielsweise der Ausbau und die Modernisierung der Einsatzzentralen in den Polizeipräsidien, die Institutionalisierung eines Höheren Einsatzbeamten vom Dienst oder die Einrichtung zentraler Pressestellen. Zusätzlich wurde der überwiegende Teil des Synergiegewinns der Reform zur Stärkung der Basisdienststellen verwendet, so unter anderem in München anteilig zur Errichtung einer zusätzlichen Polizeiinspektion im Münchner Osten. Unser Polizeipräsidium verfügt über die Abteilungen Einsatz, Personal und Versorgung. Ihm sind 25 Polizeiinspektionen, in der Stadt und im Landkreis München nachgeordnet, die auch im Umfeld von München präsent sind und von den fachlichen Spezialdienststellen in München profitieren. So sind für alle fachlichen Belange vier Verkehrspolizeiinspektionen sowie 12 Kriminalfachdezernate mit 57 Kommissariaten unmittelbar nachgeordnet. Daneben existieren noch als örtliche Besonderheiten die Polizeiinspektion Spezialeinheiten sowie der Zentrale Psychologische Dienst der Bayerischen Polizei.
Gibt es für Ihre Mitarbeiter ein Leitbild und welche speziellen Tätigkeitsbereiche ergeben sich aus dem bayerischen Polizeiaufgabengesetz?
Hubertus Andrä: Natürlich gibt es bei der Bayerischen Polizei ein Leitbild, welches innerhalb eines umfassenden Prozesses von unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern entwickelt wurde. Es ist Ausdruck von Selbstverständnis und Selbstverantwortung und formuliert dabei unseren gewünschten Zielzustand. Als Fundament sämtlicher Grundprinzipien unseres Handelns gilt unsere grundgesetzliche Verpflichtung: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Die zentralen Punkte im Leitbild der Bayerischen Polizei sind z.B., die Gewährleistung der Sicherheit rund um die Uhr, ein korrektes Auftreten gegenüber den Bürgern und der verantwortungsbewusste Umgang mit unseren Befugnissen. Dazu sind die Stärkung der Eigenverantwortung, die ständige Weiterentwicklung und Innovationsbereitschaft wichtige Eigenschaften, die für ein hohes Ansehen in der Bevölkerung sorgen. Darauf aufbauend haben wir innerhalb des Polizeipräsidiums München ein eignes Leitbild entwickelt, dem insbesondere folgende Prinzipien zugrunde liegt: Sicherheit, Bürgernähe, Team, Auftrag und Herausforderungen. Leitbilder stellen einen wichtigen Handlungs- und Orientierungsrahmen für die Beschäftigten der Bayerischen Polizei dar und vor allem haben wir im Alltag daran unsere Tätigkeiten auszurichten. Und insbesondere die Einsatzlagen der vergangenen zwei Jahre haben uns noch etwas verdeutlicht, das subjektive Sicherheitsempfinden der Bürger wird im Wesentlichen auch vom Vertrauen in die eigene Polizei geprägt. Dies ist uns Maxime in unserem polizeilichen Handeln. Unsere Tätigkeitsfelder sind im Art. 2 des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes (PAG) definiert:
- Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung (z.B. Platzverweis und Kontaktverbot nach häuslicher Gewalt),
- Schutz privater Rechte (z. B. Feststellung von Personalien, um zivilrechtliche Ansprüche zu sichern),
- Vollzugshilfe für andere Behörden (z. B. Begleitung von Krankentransporten psychisch erkrankter Personen auf Weisung der Unterbringungsbehörde) und
- weitere durch andere Rechtsvorschriften übertragene Aufgaben (z . B. Maßnahmen der Strafverfolgung).
Welche Schwerpunkte und Ziele setzen Sie mit Ihrer Behörde für 2018, um den hohen Sicherheitsstandard zu halten?
Hubertus Andrä: Im Bereich der Ordnungs- und Schutzmaßnahmen wird unter Berücksichtigung der allgemeinen abstrakten Bedrohungslage die Gewährleistung des Schutzes von Veranstaltungen im öffentlichen Raum unter Fortführung der bewährten Sicherheitspartnerschaft mit der Landeshauptstadt München im Mittelpunkt stehen. Daneben wirft die UEFA EURO 2020 bereits ihre Schatten voraus und deshalb werden wir dazu unsere konzeptionellen Überlegungen verfeinern und fortschreiben. Die steigende Digitalisierung in unserem täglichen Leben hat weitreichende Konsequenzen für die Verbrechensbekämpfung und Ermittlungstätigkeit der Kriminalpolizei. Phänomene wie CEO-Fraud, Phishing, Cybermobbing oder aber auch Cybergrooming führen neben hohen finanziellen Schäden auch zu einer großen Verunsicherung in der Bevölkerung. Deshalb wird die Bekämpfung von Cybercrime auch im Jahr 2018 für uns einen Schwerpunkt in der polizeilichen Arbeit darstellen. Der Münchner Hauptbahnhof hat sich als Einsatzschwerpunkt herauskristallisiert. Auch im Jahr 2018 wird die Münchner Polizei mit einem umfangreichen Maßnahmenbündel und in enger Zusammenarbeit aller tangierten Stellen gegen die dort auftretenden Sicherheits- und Ordnungsstörungen vorgehen. Im Besonderen sind neben dem eigentlichen Bahnhof auch die angrenzenden nördlichen und südlichen Gebiete in das Maßnahmenpaket mit einzubeziehen. Insbesondere das subjektive Sicherheitsempfinden gilt es hier zu stärken, gleichwohl ist festzustellen, dass unsere Maßnahmen in 2017 erste Wirkungen zeigen. Obwohl sich die Deliktszahlen im Bereich Wohnungseinbruchsdiebstahl positiv entwickeln, hat die Bekämpfung dieser Straftaten für die Münchner Polizei weiterhin allerhöchste Priorität. Die Tätergruppen weisen teilweise einen hohen Organisations- und Vernetzungsgrad auf. Neben intensiver Präventionsarbeit gilt es hier durch intensive Ermittlungsarbeit und den Einsatz neuester Technik alles daran zu setzen, Strukturen aufzudecken und Einbrecher festzunehmen. Neben der Bekämpfung des Wohnungseinbruchsdiebstahls wird auch die Bekämpfung von Trickdiebstahl im Fokus der Münchner Polizei liegen. „Falsche Polizeibeamte“ werden nur im Rahmen einer internationalen Sicherheitsphilosophie und – strategie erfolgreich zu bekämpfen sein. Dieser Tatmodus gefährdet das Grundvertrauen der Bevölkerung in ihre Polizei. Neben einer konsequenten Ermittlungsarbeit und einer schnellen und auf internationalen Austausch aller Polizeibehörden ausgerichteten Zusammenarbeit, kommt hier der Prävention eine besondere Bedeutung zu. Erfolgreiche Polizeiarbeit ist nur auf Basis einer guten, innovativen, schnellen und vor allem sicheren Kommunikationstechnik möglich. Eine sichere IT-Infrastruktur mit Integration mobiler Endgeräte in das Netz der Polizei, die Verfügbarkeit von mobilen Bürokommunikationsmitteln und die Verwendung eines polizeilichen Messenger-Dienstes sind hier einige der Herausforderungen. Zusätzlich gilt es die Versorgung mit Digital-Funk in Gebäuden und Objekten auszubauen. Im Besonderen ist auch die politisch motivierte Kriminalität in all ihren Facetten im Focus zu behalten, um frühzeitig Phänomene erkennen zu können. Das Beispiel der Reichsbürgerbewegung zeigt die Gefahren, die durch eine fundmentale Ablehnung des Staates und der Rechtsordnung entstehen können. Das Polizeipräsidium München hat darauf mit der Einrichtung einer Arbeitsgruppe reagiert. Ein weiteres wichtiges Ziel wird es sein, für die Bewältigung von herausragenden Einsatzlagen vorbereitet zu sein. Wir werden unsere Einsatzkonzepte auf Basis der Erfahrungen aus 2017 fortschreiben und entsprechende Einsatzlagen praktisch üben. Um den Sicherheitsstandard auch im Bereich der Verkehrssicherheit weiter hoch zu halten, werden wir zusammen mit der zuständigen Straßenverkehrsbehörde weiterhin die Verkehrsunfälle analysieren und brennpunkt- und ursachenbezogene Maßnahmen treffen. Auf dem Gebiet der polizeilichen Verkehrsüberwachung werden wir uns auch auf die Bekämpfung der Hauptunfallursachen Geschwindigkeit, Alkohol und Drogen sowie auf das zunehmende Problem der Ablenkung, insbesondere durch die verbotswidrige Benutzung von Smartphones während der Fahrt, konzentrieren. Hierzu ist ein interessanter Ansatz in der Sicherheitsforschung, mittels Datamining und – warehousing beispielsweise große Datenmengen von Unfällen, Unfallursachen und Umwelteinflüssen, wie Wetterlagen oder Tageszeiten auszuwerten, um daraus neue Erkenntnisse zur Vermeidung von typischen Unfallsituationen zu gewinnen.
Beim Axis-Partnertag haben Sie einen bemerkenswerten Vortrag gehalten. Können Sie unseren Lesern nochmals kurz die Vor- und Nachteile der Vorratsdatenspeicherung aus Ihrer Sicht darstellen?
Hubertus Andrä: Wichtig ist zunächst zu wissen, dass bei der Vorratsdatenspeicherung keine Inhalte, sondern technische Daten bei den Providern gespeichert werden sollen. Diese dürfen dann Ermittlungsbehörden nur bei schweren Straftaten und nur mit richterlichem Beschluss nutzen. Die aktuelle praktische Umsetzung im Bereich der Vorratsdatenspeicherung schafft bedenkliche Lücken für unsere Ermittler. Durch ein kürzlich ergangenes Gerichtsurteil des Oberlandesgerichts Nordrhein-Westfalen und der anschließenden Entscheidung der Bundesnetzagentur ist die anlassunabhängige Vorratsdatenspeicherung aktuell in Deutschland faktisch ausgesetzt. Kriminellen ist es somit möglich, sich nahezu anonym im Internet zu bewegen. Meiner Einschätzung nach ist diese brisante Situation nicht nur unverständlich, sondern vor allem gefährlich. Bei großen Terroranschlägen im benachbarten Ausland konnte man in der Vergangenheit immer wieder gut beobachten, wie schnell Täter und eventuelle Mittäter auf Grund der Kommunikationsdaten ermittelt werden konnten. Hier besteht ganz dringender Handlungsbedarf!
Glauben Sie, dass in absehbarer Zeit autonomes Fahren für Jedermann geben wird?
Hubertus Andrä: Manche Medienberichte lassen glauben, dass wir schon bald alle in autonom fahrenden Autos unterwegs sein werden. Obwohl technisch schon jetzt Vieles möglich ist und Berichte über Testfahrten von autonomen Fahrzeugen unsere Aufmerksamkeit wecken, wird es meiner Einschätzung nach noch längere Zeit dauern, bis wir tatsächlich in selbstfahrenden Autos unterwegs sein werden. Wenn man sich vergegenwärtigt, wie lange es dauert, bis die aktuellen Fahrerassistenzsysteme in wirklich vielen Fahrzeugen verbaut sind, dann wird der normale Autokäufer realistisch eher in zwanzig als in zehn Jahren in einem Auto sitzen, welches ihn als Passagier von A nach B bringen kann. Entscheidend kommt es dabei wohl auch auf den Zielort an. Am schwierigsten erscheinen mir hierbei die komplexen Verkehrssituationen in den Städten, einfacher hingegen die Situation auf der Autobahn. Der Gesetzgeber hat Mitte dieses Jahres mit einer Änderung des Straßenverkehrsgesetzes einen ersten rechtlichen Rahmen zum hochautomatisierten und vollautomatisierten Fahren gesetzt.
Auch die Polizei geht mit sehr sensiblen Daten um. Welche allgemeinen Ansprüche haben Sie an den Datenschutz?
Hubertus Andrä: Es ist mir ein großes Anliegen, nicht nur dem Schutz der Bürgerdaten, sondern auch denen meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter besonders Rechnung zu tragen. Neben diversen technischen und organisatorischen Regelungen des Datenschutzes stehen in meinen Augen dabei insbesondere die Punkte Transparenz der Datenerhebung und -verarbeitung, Fortbildung und Sensibilisierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie die enge Zusammenarbeit zwischen den Dienststellen und dem behördlichen Datenschutzbeauftragten im Vordergrund. Der Transparenz kommt dabei gerade im Bereich der Auskunftsersuchen eine große Bedeutung zu. Hier zeigt sich deutlich, dass noch immer falsche Vorstellungen über eine eventuelle Sammelwut des Staates und insbesondere der Polizei bestehen. Durch die anschließende Auskunft und dem damit vermittelten Einblick in Art und Umfang der gespeicherten Daten, können diese Bedenken in den allermeisten Fällen ausgeräumt werden. Auch die häufig angebrachte Angst der dauerhaften Datenspeicherung seitens der Polizei möchte ich an dieser Stelle entkräften, da insbesondere in diesem Bereich enge gesetzliche Bestimmungen und Verwaltungsvorschriften dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung besonders Rechnung tragen und eine Speicherung selbstverständlich nur solange erfolgt, wie diese auch im Einzelfall erforderlich ist. Ein weiterer wesentlicher Punkt ist die Fortbildung und Sensibilisierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das Polizeipräsidium München setzt in diesem Zusammenhang auf regelmäßige, gemeinsame Informationsveranstaltungen des Datenschutzes und der Informationssicherheit, die den neuen Kolleginnen und Kollegen die aktuellen Problemfelder aufzeigen und ein generelles Bewusstsein für den Datenschutz vermitteln sollen. Allein im Jahre 2017 fanden zu diesen Themen bereits elf Informationsveranstaltungen statt. Hinzu kommen noch themenbezogene Fortbildungsveranstaltungen für Führungskräfte, die in ihrem Bereich wiederum als Multiplikatoren wirken und aktuelle Entwicklungen an ihre Mitarbeiter weitervermitteln. Viel Wert lege ich außerdem auf die enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit der Dienststellen mit dem behördlichen Datenschutzbeauftragen und dessen Team, die gerade durch die frühzeitige Einbindung in neue Projekte und Verfahren datenschutzrechtliche Probleme erkennen und beheben können sowie als Ansprechpartner bei Fragen zum Datenschutz fungieren. Zusätzlich seien noch die regelmäßigen Datenschutzkontrollen auf den Dienststellen genannt, die zu meiner großen Freude die Einhaltung der hohen Datenschutzstandards regelmäßig aufs Neue bestätigen und für den sorgfältigen Umgang der Beschäftigten mit personenbezogenen Daten sprechen. Nicht zuletzt wird die Umsetzung europäischen Datenschutzrechts in nationales Recht dem Landesbeauftragten für Datenschutz weitergehende Befugnisse zur Kontrolle einräumen, die auch die polizeilichen Daten betreffen und eine effiziente Überprüfung polizeilichen Handelns sicherstellen.
Welche Rolle spielt Kriminalität im Netz bzw. Cybercrime bei dem Straftatenaufkommen und wie sehen Sie die weitere Entwicklung auf diesem Gebiet?
Hubertus Andrä: Die Kriminalität im Netz nimmt zu. Dies liegt u.a. daran, dass es bei den Delikten, bei denen Leistungen oder Waren im Internet eingekauft werden, immer leichter möglich ist, ihre Identitäten zu verschleiern und die Täter diese Möglichkeiten immer mehr ausnutzen. Stichworte hierfür sind beispielsweise die Anonymisierungsmöglichkeiten des Darknets oder die Zahlung in BitCoins. Auch stellen meine Internetspezialisten eine fortschreitende Professionalisierung der Cyberangriffe fest. Zwei Beispiele sind hierfür der vermehrte Einsatz hoch wirksamer Verschlüsselungsverfahren bei Erpressungen, die im letzten Jahr unter anderem zwei Münchner Krankenhäuser getroffen haben und das zunehmend aufkommende Phänomen des Chef-Betruges oder international ausgedrückt des CEO-Frauds. Hier kam es im letzten Jahr zu einem Schaden von annähernd 5 Mio. Euro. Diese Entwicklung geht weiter. Eine Prognose darüber, welche Deliktsfelder in naher oder ferner Zukunft betroffen sein werden, ist ein einem sich ständig und schnell veränderndem Medium natürlich nur schwer möglich.
Wie sehen Sie aus polizeilicher Sicht die zunehmende Vernetzung und den Trend zu „Smart Home“?
Hubertus Andrä: Eine zunehmende Vernetzung ist per se nichts Schlechtes und wird, unabhängig davon, ob wir damit einverstanden sind oder nicht, wohl nicht aufzuhalten sein. Es ist jedoch festzustellen, dass zu wenig Augenmerk auf die Sicherheitsaspekte der Vernetzung auch im Bereich „Smart Home“ gelegt wird. Angebote bei Discountern sorgen für eine enorme Verbreitung, viele kennen sich aber mit der erworbenen Technik nicht aus. Für die Vernetzung im Bereich „Smart Home“ würde ich mir wünschen, dass die Hersteller von netzfähigen Geräten auch für eine fest definierte und an der Lebensdauer der verkauften Geräte orientierte Sicherheitsupdatestrategie verfolgen. Dazu sollten die Verbraucher eine solche Sicherheitsupdatestrategie fordern, diese auch zu einem höheren Preis kaufen und im Alltag entsprechend betreiben. Sicherheit der Systeme ist insbesondere im Zusammenhang mit dem Betrieb kritischer Infrastrukturen das Top-Thema schlecht hin, da auch unsere Handlungsfähigkeit von dem Funktionieren dieser Infrastruktur maßgeblich abhängt.
Welche Auffassung vertreten Sie zur Videoüberwachung im öffentlichen Raum?
Hubertus Andrä: In München werden, so wie in anderen Städten auch, große Teile des öffentlichen Raumes durch Kameras überwacht. Der Bereich des ÖPV ist in München sehr gut mit Kameras in den Verkehrsmitteln (S-Bahn, U-Bahn, Trambahn und Bus) und in vielen Bahnhöfen abgedeckt. Diese Überwachung wird jedoch durch den jeweiligen Betreiber durchgeführt, die Polizei hat hier anlassbezogen in den meisten Fällen Zugriff und kann auch auf Aufzeichnungen zurückgreifen, wenn dies z.B. zur Strafverfolgung bzw. Tataufklärung erforderlich ist. Die Münchner Polizei begrüßt diese Entwicklung und nutzt diese Möglichkeit zur Erfüllung ihrer Aufgaben. Die Münchner Polizei selbst betreibt derzeit nur an drei öffentlichen Plätzen eine eigene dauerhafte Videoüberwachung. Dies sind der Hauptbahnhof, der Karlsplatz und der Sendlinger-Tor-Platz. Hier handelt es sich um sogenannte gefährliche Orte, an denen die Polizei offene Datenerhebungen mittels Videoüberwachung nach dem PAG durchführt. Zusätzlich finden temporär Videoüberwachungen bei besonderen Veranstaltungen, wie z.B. auf dem Oktoberfest, dem Christkindlmarkt und an Fasching in der Fußgängerzone statt. Es gibt bei der Münchner Polizei derzeit keine Bestrebungen für einen flächendeckenden Ausbau der polizeilichen Videoüberwachung. Aufgrund der insgesamt sehr guten Sicherheitslage besteht dafür keine rechtliche Befugnis und auch keinerlei Veranlassung, aber wir wünschen uns, dass die jeweils Verantwortlichen von relevanten Betrieben Videoanlagen installieren und diese technisch auf dem Laufenden halten. Generell sehen wir den Einsatz der Videotechnik an geeigneten Örtlichkeiten als hilfreich und zielführend an.
Wie entspannt sich der Münchner Polizeipräsident nach einem arbeitsreichen Tag?
Hubertus Andrä: Mit etwas Bewegung oder einer kleinen Einheit Sport, sowie anschließend im Bewusstsein, ein hochmotiviertes und sehr erfahrenes Team um sich zu haben, einfach die Seele baumeln lassen.
Vielen Dank für Ihr Engagement für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger sowie Ihre offene Meinung zu wichtigen Sicherheitsthemen.
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Ein Beitrag von Wilfried Joswig, Geschäftsführer beim Verband für Sicherheitstechnik VfS.