Lithium-Akkus sicher laden: Wie der Brandgefahr zu begegnen ist
Brandschutzschränke und -räume von Denios integrieren Ladetechnik, Brandschutz, Löschtechnik und vernetzte Früherkennung. GIT SICHERHEIT im Interview mit Dr. Jan Regtmeier, Director Innovation/Leiter R&D bei Denios.
Vom Smartphone, über den Akku Schrauber bis zum E-Bike – Lithium-Ionen-Akkus sind heute integraler Bestandteil unseres Alltags. Akkus, die nach dem heutigen Stand der Technik hergestellt wurden, gelten bei ordnungsgemäßem Umgang und sachgerechter Handhabung als sicher. Dennoch, je höher ihre Beanspruchung durch Beschädigungen oder thermische Belastung ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass durch den Defekt ein Brand ausgelöst wird. Riskanterweise ist der Defekt zudem oft äußerlich nicht zu erkennen. In produzierenden Unternehmen, aber auch insbesondere in städtischen Betrieben oder im öffentlichen Dienst werden immer häufiger größere Mengen von akkubetriebenen Geräten eingesetzt. Die Lithium-Akkus werden in der Regel nicht nur dicht beieinander gelagert, sondern auch gleichzeitig geladen, was die Sicherheitsanforderungen erhöht. Für das Laden geben die Gerätehersteller in der Regel mengenunabhängig eine Aufsichtspflicht vor. Zudem treten verstärkt Anforderungen nach einem smarten Lademanagement zu Tage, um den verfügbaren Strom zeit- oder leistungsgesteuert an die verschiedenen Abnehmer zu verteilen. Um mehr über dieses brandaktuelle Thema zu erfahren, hat GIT SICHERHEIT Dr. Jan Regtmeier, Director Innovation / Leiter R&D beim Gefahrgutspezialisten Denios SE, zum Interview gebeten.
GIT SICHERHEIT: Herr Dr. Regtmeier, zunächst einmal wäre es schön, etwas mehr über das Thema „thermisches Durchgehen“ zu erfahren. Wie kommt es eigentlich dazu? Und wann ist die Gefahr besonders groß?
Dr. Jan Regtmeier: Laut VDE setzt die Sicherheit von Lithium-Akkus den ordnungsgemäßen Umgang voraus. Sobald ein technischer Defekt vorliegt oder ein Akku beschädigt wird, kann die Situation schnell kritisch werden. Die deutsche Versicherungswirtschaft (GDV) fordert daher, Lithium-Batterien grundsätzlich wie einen Gefahrstoff zu behandeln.
Besonders gefährlich wird es immer dann, wenn eine Lithium-Batterie ihre gespeicherte Energie unkontrolliert abgibt. Denn sobald die entstehende Wärme den Schmelzpunkt des Seperators überschreitet, kommt es zu einer nicht mehr kontrollierbaren Kettenreaktion, dem gefürchteten Thermal Runaway. Ein explosionsartiges Abbrennen des Akkus ist die Folge. Solche Brände mit Lithium-Ionen-Batterien lassen sich nur schwer beherrschen und das Feuer breitet sich schnell aus. Der Feuerwehr bleibt oft nur, benachbarte Bereiche zu schützen. Daher ist oft die Rede von „Nur eine vollständig abgebrannte Batterie, ist eine gute Batterie!“
Angenommen, es kommt beim Lagern oder Laden von Lithium-Akkus zu einem Thermal Runaway, wie lässt sich die Brandgefahr in den Griff bekommen?
Dr. Jan Regtmeier: Die Auswirkungen eines Akku-Brandes können gravierende Schäden anrichten, insbesondere wenn keine Präventionsmaßnahmen ergriffen wurden und der Brand lange Zeit unentdeckt bleibt. Zur Schadensbegrenzung hat sich das Zusammenspiel mehrerer Maßnahmen bewährt. Dazu zählen insbesondere Brandschutz, Löschtechnik („Wasserkühlung“) und Früherkennung.
Brandschutz ist gegeben, wenn der Brand sich für eine gewisse Zeit nicht auf das Umfeld ausbreiten kann. Dies wird durch eine feuerbeständige Einhausung gesichert, die mindestens eine ihrer Klassifizierung entsprechende Zeit dem Brand standhält (z. B. F 90 Klassifizierung = mind. 90 Minuten Feuerwiderstand). Die Zeit sollte möglichst nicht unter 90 Minuten betragen, damit genügend Zeit zum aktiven Eingreifen, zur Brandeindämmung oder zur Evakuierung bleibt.
Die Propagation, also das Anstecken benachbarter Akkuzellen, und das Übergreifen auf weitere Akkus können durch einen Kühleffekt mit Wasser oder einen Inertisierungseffekt mit beispielweise Aerosolen aufgehalten werden. Das haben praktische Versuche gezeigt, die wir auch schon selbst durchgeführt haben. Daher empfehlen die Sachversicherer in der Regel neben Brandschutz auch Löschtechnik vorzusehen. So kann der Brand zusätzlich eine Zeit lang eingedämmt werden.
Ohne das Eingreifen der Feuerwehr wird der Brand jedoch in der Regel nicht abschließend unter Kontrolle zu bringen sein. Je schneller die Einsatzkräfte vor Ort sind, desto besser lässt sich der Schaden eingrenzen. Daher sollte die Früherkennung ein wichtiger Bestandteil des Schutzkonzeptes sein.
Dann lassen Sie uns einmal in die Praxis schauen. Welche Lösungen bietet Denios für das sichere Lagern oder Laden von Lithium-Akkus? Von welchen Kunden werden diese Lösungen stark nachgefragt?
Dr. Jan Regtmeier: Denios bietet Lösungen von klein bis groß – für unterschiedlichste Mengen und Abmessungen von Lithium-Akkus. Zu dem Produktsortiment gehören entsprechend brandgeschützte Sicherheitsschränke („SafeStore-Pro“ und „SmartStore“) zur Innenaufstellung sowie verschiedene Größen und Formen von Brandschutzräumen (begehbar / Regal / kompakt), die auch zur Außenaufstellung geeignet sind. Alle Lösungen zeichnen sich durch eine typgeprüfte bzw. zertifizierte Feuerwiderstandsfähigkeit von 90 Minuten (Typ 90 / F 90) und selbstschließende Türen aus. Zudem sind sie mit Sensoren ausgestattet, die das überwachte Laden ermöglichen und im Notfall Alarme auslösen und Systeme zur Brandunterdrückung aktivieren.
Lagerlösungen von klein bis groß werden sowohl von Herstellern als auch von Händlern und Prüfinstituten angefragt. Lösungen, die auch das sichere Laden ermöglichen, werden insbesondere von produzierenden Unternehmen, von städtischen Betrieben und vom öffentlichen Dienst angefragt. Aber auch Hotels und Hausverwaltungen gehören zu unseren Kunden, denen wir spezielle Schrankmodelle mit Schließfächern anbieten können.
In den vergangenen Ausgaben hatten wir schon einige Male über die Fernüberwachung Denios connect für Denios Raumsysteme berichtet. Findet diese Technik auch Anwendung bei den Schränken?
Dr. Jan Regtmeier: Denios connect ermöglicht die Früherkennung durch eine lückenlose Überwachung. Es handelt sich um eine Komplettlösung, bestehend aus Sensoren, Mobilfunk-Kommunikation und Web-Applikation zur direkten Erkennung und automatischen Benachrichtigung bei Störungen per E-Mail und/oder SMS. Die Datenübertragung erfolgt unabhängig vom Firmennetzwerk über Narrowband IoT, das auf LTE basiert. Per cloudbasierter Web-Applikation können sämtliche im Betrieb eingesetzte Denios connect Produkte zentral überwacht und Alarme eigenständig konfiguriert werden. Zu den Denios connect Produkten zählen neben den Raumsystemen und dem Leckagemelder Spillguard connect seit 2022 auch die Lithium-Ionen Schränke. Die Einrichtung ist denkbar einfach – die Authentifizierung und Aktivierung erfolgt in nur wenigen Schritten. Ab dort übernimmt der Schrank bzw. das Raumsystem die Überwachung der Lithium-Akkus. Durch die Fernmeldung kann die Pflicht zur Beaufsichtigung des Ladevorgangs auch außerhalb der Betriebszeiten bzw. von einem anderen Ort aus erfüllt werden.
Bieten die Lösungen noch weitere Funktionen, abseits der Brandschutzanforderungen, die das Leben Ihrer Kunden erleichtern?
Dr. Jan Regtmeier: Bei den Schränken stellen sicher unsere Schließfachmodelle eine komfortable Besonderheit dar. Bei den Raumsystemen besteht jedoch deutlich mehr Spielraum für ergänzende Funktionen. Das smarte Lademanagement gewinnt zum Beispiel zunehmend an Bedeutung. Dabei geht das System von einer limitierten Energieversorgung aus. Dies kann verschiedene Ursachen haben, z. B. die im Tagesverlauf schwankende Verfügbarkeit von günstigem Strom aus erneuerbaren Energien oder die gleichzeitige Verwendung von Schnellladegeräten, die viel Strom in kurzer Zeit verbrauchen. Dabei besteht häufig gar nicht die Notwendigkeit zum gleichzeitigen oder sofortigen Laden. In der Regel sind die Akku-Geräte während der Betriebszeiten im Einsatz und werden erst außerhalb der Betriebszeiten geladen. Mit dem Inhouse entwickelten smarten Lademanagement lässt sich die verfügbare Zeitspanne zum Laden sinnvoll ausnutzen. Wir bieten unseren Kunden je nach Bedarf ein zeit- oder leistungsgesteuertes System an. Das leistungsgesteuerte Modell wird über SPS und Software geregelt und bietet maximale Flexibilität.
Zum Schluss natürlich noch der obligatorische Blick in die Zukunft. Wie wird Denios sein Produktportfolio in diesem Segment weiterentwickeln?
Dr. Jan Regtmeier: Denios wird sich weiterhin an den Kundenanforderungen orientieren und sich durch den Fokus auf Innovationen und Eigenleistungen schnell auf neue Gegebenheiten einstellen können. Wir scheuen uns jedoch auch nicht, über den Tellerrand zu blicken und auf unser qualifiziertes Lieferantennetzwerk zurückzugreifen, wie bei unserem neuesten Produkt – einem Quarantänecontainer für PKW. Auch Transport- und Quarantäneboxen für Lithium-Akkus gehören zum Sortiment, die wir anfangs eingekauft haben, mittlerweile aber selbst herstellen. Damit werden Sie so schnell keinen Anbieter finden, der breiter aufgestellt ist als Denios. Und dafür werden wir auch in Zukunft Sorge tragen.
Meist gelesen
Coded Processing: Funktionale Sicherheit ohne spezielle Hardware ermöglichen
Im Interview mit GIT SICHERHEIT erläutern Claudio Gregorio (Innotec) und Martin Süßkraut (Silistra Systems) wie die Technologie funktioniert.
Gesundheit von Pferden mit KI überwachen
Mit einer Kombination von Videotechnologie und KI geht der Hersteller Novostable neue Wege bei der Gesundheitsüberwachung von Pferden.
Globale Konzernsicherheit bei der BMW Group
CSO Alexander Klotz ist für die globale Konzernsicherheit bei BMW Group zuständig. GIT SICHERHEIT hat sich mit ihm über Aufgaben und potentielle Bedrohungen unterhalten.
Konzernsicherheit und Krisenmanagement bei Carl Zeiss
Risikobasierter Sicherheitsansatz: "Wer alles schützen will, schützt nichts." GIT SICHERHEIT im Interview mit Sven Franke, Head of Security, Crisis Management & BCM bei Carl Zeiss.
Phoenix: der erste Barfuß-Sicherheitsschuh auf dem Markt
Baak bringt mit "Phoenix" nach fünf Jahren Entwicklungsarbeit den ersten Barfuß-Sicherheitsschuh auf den Markt.