Maschinensicherheit: Schutz vor Manipulation an Schutzeinrichtungen
Maschinensicherheit: Schutz vor Manipulation an Schutzeinrichtungen. Bei rund einem Drittel aller Maschinen und Anlagen sind die Schutzeinrichtungen manipuliert: Das ist das wesent...
Maschinensicherheit: Schutz vor Manipulation an Schutzeinrichtungen. Bei rund einem Drittel aller Maschinen und Anlagen sind die Schutzeinrichtungen manipuliert: Das ist das wesentliche Ergebnis einer BGIA-Studie, die im Jahr 2005 veröffentlicht wurde. In der Zwischenzeit hat die Schweizer Suva Untersuchungen zum selben Thema durchgeführt, die zu ganz ähnlichen Ergebnisse kommen. Das Management in den Betrieben muss darauf reagieren - aber wie?
Mit etwas Abstand betrachtet, ist die Situation geradezu paradox: Da befassen sich die europäischen Normungsgremien mit der Erarbeitung neuer und der Aktualisierung vorhandener Normen und Richtlinien - mit dem Ziel, ein möglichst hohes Maß an Sicherheit zu gewährleisten und die Bediener nicht zu gefährden. Und die Bediener investieren offenbar in vielen Fällen - genauer gesagt: in etwa einem Drittel der Betriebe - viel Mühe und Intelligenz, um eben diese Maßnahmen zu unterlaufen bzw. außer Kraft zu setzen. Mit anderen Worten: Sie manipulieren die Schutzeinrichtungen und sind sich dabei zumeist der Gefahr, in die sie sich begeben, nicht bewusst.
Aufgabe des Herstellers: Normen und Richtlinien beachten
Während es zu den Aufgaben der Maschinenhersteller gehört, die Maschinenrichtlinie und die ihr nachgeordneten Normen zu beachten (Abb. 1), fällt die Manipulation von Schutzeinrichtungen (auch) in den Verantwortungsbereich des Betreibers. Das "auch" wurde deshalb eingefügt, weil der Maschinenhersteller aufgefordert ist, die Schutzeinrichtungen bestmöglich in die Arbeitsprozesse zu integrieren.
Denn die Untersuchungen von BGIA und Suva haben klar gezeigt, dass der Wunsch nach Zeitersparnis und/ oder Arbeitserleichterung meist der Grund für die Manipulation ist. Das heißt: Die Schutzeinrichtungen sind "sub-optimal" ausgewählt.
Aufgabe des Betreibers: Manipulation verhindern
Die Konstruktion der Maschine fällt natürlich nicht in den Verantwortungsbereich des Betreibers - wohl aber die Auswahl eine Maschine, die manipulationssicher ist. Deshalb ist das Thema "Manipulationsschutz" eine Managementaufgabe für die Betreiber, und das beginnt schon bei der Anschaffung einer Maschine. Hier kann man die Aufgabe grob in zwei Felder aufteilen.
Zunächst sollen die Schutzeinrichtungen einer Maschine so ausgewählt und in die Maschine integriert sein, dass ein "Umgehen mit einfachen Mitteln" nicht möglich ist: So fordert es die Norm EN 1088 "Verriegelungseinrichtungen in Verbindung mit trennenden Schutzeinrichtungen" und vor allem deren aktuelles Amendment 1 "Gestaltung zur Minimierung von Umgehungsmöglichkeiten".
Wichtig: Die Auswahl der Sicherheits-Schaltgeräte
Erfüllen lässt sich diese Anforderung z. B. mit Sicherheitsschaltern, deren Betätiger codiert sind. Eine Montage mit nicht lösbaren Schrauben sollte ebenfalls im Pflichtenheft vorgesehen sein. Bei Sicherheitssensoren sollte ebenso der Einsatz von Baureihen mit codiertem Betätiger selbstverständlich sein (Abb. 2) - diese Sensoren können z. B. nicht mit handelsüblichen Magneten betätigt, d.h. manipuliert werden. Auch eine verdeckte Montage der Sicherheitssensoren hinter Kunststoff- oder Edelstahlabdeckungen trägt zum Manipulationsschutz bei.
Mindestens ebenso wichtig ist aber die Integration der Schutzeinrichtung in die Arbeitsprozesse. Hier gilt die Devise: Wenn der Bediener die Schutzeinrichtung überhaupt nicht bemerkt, sie ihn also nicht behindert, dann hat der Konstrukteur gute Arbeit geleistet. Ob dies der Fall ist, kann oft der Bediener am besten beurteilen. Daher ist es lohnenswert, "Betriebskenner" wie den zuständigen Meister oder die Sicherheitsfachkraft bei der Investitionsentscheidung einzubeziehen und auch die Schutzeinrichtungen zu bewerten. Hier spielt nicht nur die "Hardware" der Sicherheits-Schaltgeräte eine Rolle: Auch durch flexibel an den Einsatzfall anpassbare Sicherheitssteuerungen (Abb. 3) kann man produktive und zugleich sichere Arbeitsabläufe gewährleisten.
Fragebögen: Manipulationsanreize verhindern
Bei derartigen Bewertungen gibt es Hilfestellungen der Institutionen, die die Untersuchungen durchgeführt haben. Das BGIA hat hier den Parameter "Manipulationsanreiz" (MPA) entwickelt, der für jede einzelne Maschine durch eine Befragung der Bediener ermittelt wird. Im Ergebnis sieht der Konstrukteur bzw. der Betreiber bei der vom BGIA erarbeiten MPA-Analyse, wo große Manipulationsanreize bestehen und somit das Risiko der Manipulation als hoch angesehen werden kann.
Die Suva geht ganz ähnlich vor, auch wenn sich ihre Maßnahmen noch stärker an die Anwender und weniger an die Konstrukteure der Maschinen richten: Sie hat eine Checkliste erarbeitet, mit deren Hilfe der Betreiber erkennen kann, wie manipulationsanfällig die jeweilige Maschine ist. Sowohl die MPA-Analyse als auch die Suva-Checkliste können von der Website der jeweiligen Institution heruntergeladen werden.
Das Management ist gefordert
Aus der Tatsache, dass es Manipulationsanreize gibt, kann man nicht automatisch ableiten, dass tatsächlich eine Manipulation stattfindet. Hier sind weitere Abhängigkeiten wie z. B. firmeninterne Sicherheitsanweisungen zu berücksichtigen, und die Versäumnisse - und manchmal vielleicht auch bewusste Regelverstöße - auf dieser Ebene sind ebenso groß wie die der Maschinenbediener.
Denn die BGIA-Untersuchung ergab, dass in 34 % der Fälle die Manipulation geduldet oder gar erwartet wurde. Das heißt: Der Arbeitgeber bzw. die Sicherheitsfachkraft werden ihrer Aufgabe, die Mitarbeiter vor Gefahren zu schützen, nicht immer gerecht. Das kann man von einer moralischen Warte aus kritisieren, es ist aber auch aus ganz sachlichen Gründen nicht vertretbar.
Denn nach Expertenmeinung sind rund 25 % aller Unfälle an Maschinen auf Manipulationen zurückzuführen. Deshalb ist Manipulationsschutz ganz eindeutig eine Aufgabe, die sowohl die Betriebsleitung als auch das Management des Unternehmens sehr ernst nehmen sollten. Dazu gehören auch Betriebsanweisungen, die jegliche Manipulation an den Sicherheitseinrichtungen einer Maschine oder Anlage untersagen.
KONTAKT
Frank Schmidt
K. A. Schmersal GmbH, Wuppertal
Tel.: 0202/6474-0
Fax: 0202/6474-100
info@schmersal.com
www.schmersal.com
Meist gelesen
Lockout, Tagout – wann LOTO eine sinnvolle Schutzmaßnahme ist
Organisatorische Schutzmaßnahmen an Maschinen- und Anlagen: LOTO – Lockout, Tagout – im Fokus
Konzernsicherheit und Krisenmanagement bei Carl Zeiss
Risikobasierter Sicherheitsansatz: "Wer alles schützen will, schützt nichts." GIT SICHERHEIT im Interview mit Sven Franke, Head of Security, Crisis Management & BCM bei Carl Zeiss.
Globale Konzernsicherheit bei der BMW Group
CSO Alexander Klotz ist für die globale Konzernsicherheit bei BMW Group zuständig. GIT SICHERHEIT hat sich mit ihm über Aufgaben und potentielle Bedrohungen unterhalten.
General Product Safety Regulation (GPSR): Was regelt sie und welche Akteure müssen sich damit befassen?
Neue EU-Produktsicherheitsverordnung (GPSR) ab 13.12.2024: Wichtige Änderungen und Anforderungen für Verbraucherprodukte
Wenn das Gehirn rotiert - Warum ein effektiver Kopfschutz auch vor Rotationsenergie schützen sollte
Schutzhelme bieten im Allgemeinen nur unzureichenden Schutz vor schrägen Stößen.