Sichere Luftfracht: Interview mit Harald Zielinski, Lufthansa Cargo AG
Mit einem Transportvolumen von rund 1,7 Mio. Tonnen Fracht- und Postsendungen sowie 9,5 Mrd. verkauften Frachttonnenkilometern im Jahr 2012 ist Lufthansa Cargo eines der weltweit f...
Mit einem Transportvolumen von rund 1,7 Mio. Tonnen Fracht- und Postsendungen sowie 9,5 Mrd. verkauften Frachttonnenkilometern im Jahr 2012 ist Lufthansa Cargo eines der weltweit führenden Unternehmen im Transport von Luftfracht. Der Schwerpunkt von Lufthansa Cargo liegt im Airport-Airport-Geschäft. Das Streckennetz umfasst mehr als 300 Zielorte in rund 100 Ländern, wobei sowohl Frachtflugzeuge als auch die Frachtkapazitäten der Lufthansa-und Austrian-Airlines-Passagiermaschinen sowie Lkws genutzt werden. Heiner Jerofsky sprach für GIT-SICHERHEIT.de mit Harald Zielinski über die Bandbreite der Sicherheitsaktivitäten bei Lufthansa Cargo und über aktuelle Entwicklungen zum Thema Air Cargo Security am Drehkreuz Frankfurt am Main.
GIT-SICHERHEIT.de: Logistiksicherheit ist für das Funktionieren unseres Wirtschaftsstandortes von hoher Bedeutung. Können Sie unseren Lesern dieses Aufgabenfeld auf Deutschlands größtem Flughafen und Ihre Sicherheitsphilosophie beschreiben?
Harald Zielinski: Es erklärt sich fast von selbst, dass wir als Logistiker mit hohem Sicherheitsanspruch beide Themen direkt miteinander in einen Gesamtprozess einbinden. Unsere Aufgabe dabei ist, einen Ablauf zu gestalten, der einen schnellen Abfertigungsprozess mit professionellen Sicherheitsmaßnahmen verbindet. Schon aus dieser Beschreibung ergibt sich, dass die Luftfrachtabfertigung eng mit den Sicherheitsprozessen einhergeht. Unsere Philosophie dabei ist, allerbesten Handlingservice, hohe Abfertigungsgeschwindigkeit und bestmögliche Sicherheit zu verbinden, wenn nicht sogar zu vereinen, um damit die Kundenforderungen erfüllen zu können. Der schwierige Punkt dabei ist, dass wir zwar unsere Handlingprozesse direkt im Sinne des Kunden gestalten können, Sicherheitsanordnungen der Behörden jedoch nicht in erster Linie als Service für den Kunden gesehen werden. Der Auftrag an mein Team lautet daher weltweit gleich: „Erfülle die behördlichen Auflagen konsequent, störe den Prozessablauf nicht und gewähre bestmögliche Sicherheit." Das ist nicht immer so einfach, wie es sich hier evtl. anhört.
Rund 80 Prozent der Tonnage von Lufthansa Cargo werden am Flughafen Frankfurt am Main abgefertigt. Dies entspricht wöchentlich bis zu 20.000 Tonnen Fracht. Wie muss man sich die Abwicklung dieser gewaltigen Mengen vorstellen?
Harald Zielinski: Ich vergleiche unsere Logistiker gerne mit guten Schachspielern. Zuerst muss eine Strategie geplant werden, dann muss man immer im passenden Moment an der richtigen Stelle stehen und clever vorausplanen für den Fall, dass es unvorhergesehene „Züge" wie z. B. schlechtes Wetter, Umleitungen oder andere Prozessstörungen gibt. Wenn es so funktioniert, dann wird es ein gutes Spiel, an dem unsere Kunden und wir unsere Freude haben. Die Sicherheitsabteilung hat hier eine begleitende Rolle und sorgt dafür, dass kein Fremder in das Spiel eingreift.
Welche Kontrolltechnologien und integrierte Sicherheitsmaßnahmen sind bei der Abfertigung von Luftfracht erforderlich? Wie wichtig ist dabei der Einsatz von Röntgentechnologie, Zutritts- und Videotechnik?
Harald Zielinski: Wir bedienen uns aller geeigneten Sicherheitstechnologien und testen gerne auch Neuheiten. Allerdings ist es eher selten, dass wir „besondere" Neuheiten finden, die auch in unserer Branche Anwendung finden können. Klar ist, dies ergibt sich fast von selbst, dass wir Videotechnik und Verfahren zur Zutrittskontrolle nutzen. Für die Kontrolle von Luftfracht selbst eignen sich aktuell besonders Röntgengeräte und/oder Sprengstoffdetektoren. Welche Technik wir einsetzen, ist abhängig von den örtlichen Gegebenheiten. Frankfurter „Umstände" lassen sich nicht 1:1 nach New York übertragen, und was in New York funktioniert, ist in Nigeria noch lange nicht Mittel der Wahl. Hier ist also Kreativität und Know-how gefordert.
Am 29. April dieses Jahres endete die Übergangsfrist für „Bekannte Versender". Die bis dahin von vielen Versendern abgegebenen Sicherheitserklärungen verloren ihre Gültigkeit. Was bedeutete das heute für Ihren täglichen Frachtbetrieb?
Harald Zielinski: Der von manchen apostrophierte Weltuntergang wurde ganz offensichtlich verschoben. Die Umsetzung der entsprechenden EU-Verordnung lief in der Bundesrepublik doch recht problemlos. Dies sicherlich auch, weil Industrie und Behörden hier gut zusammengearbeitet haben. Ich war recht beeindruckt. Für unsere Betriebe waren die Vorbereitungen natürlich umfangreich und teuer. Ähnlich wird es bei den zu zertifizierenden Versendern gewesen sein. Prozesse waren anzupassen, erhebliche Investitionen für Sicherheitstechnologien bereitzustellen, und bauliche Maßnahmen waren ggf. ebenfalls erforderlich. Heute sehe ich, dass die tägliche Praxis meist sehr gut funktioniert. Die Menge der zu kontrollierenden Fracht ist deutlich geringer als erwartet. Auch deshalb, weil sich offensichtlich die „richtigen" Unternehmen dem Zertifizierungsverfahren unterzogen haben und so bereits eine große Menge von Luftfracht aus zertifizierten Betrieben kommend bei uns angeliefert wird.
Welche konkreten baulichen, technischen und personellen Maßnahmen (z. B. Sicherheitskontrollen) zum Schutz der Luftfracht vor fremden Eingriffen mussten zur Einhaltung des neuen Sicherheitsstandards getroffen werden?
Harald Zielinski: Neue Sicherheitseinrichtungen zum Schutz vor fremden Eingriffen waren nicht erforderlich. Lufthansa Cargo sichert ihre Einrichtungen schon seit vielen Jahren gegen den Zugriff durch Fremde. Unsere außerordentlich geringe Diebstahlquote ist hier der Beweis. Ich behaupte hier im Brustton der Überzeugung, dass keine andere Airline das „Problem" Diebstahl besser im Griff hat als wir. Und das meine ich „weltweit". Zur Umsetzung der neuen Auflagen waren bei uns als Luftfrachtgesellschaft und reglementiertem Beauftragten die Anschaffung neuer Röntgengeräte und Sprengstoffdetektoren erforderlich. Auch mussten Prozessabläufe angepasst werden. Hinzu kam noch die Integration von Sprengstoffsuchhunden in unsere Sicherheitsverfahren. Aber auch diese Investitionen gingen insgesamt in die Millionen. Sicherheit ist leider nicht zum Nulltarif erhältlich.
Gibt es bei bestimmten Frachtarten, Zielgebieten bzw. Herkunftsländern Problemfälle, die die Kontrollen erschweren, und wie ist die Abwicklung bei Gefahrgütern, Hochtechnologie, Wertsachen und Tiertransporten?
Harald Zielinski: Eine Antwort im Detail würde den Rahmen des Interviews sprengen. Letztendlich gibt es einen Standardprozess für eine Standardfracht auf einer Standardstation. Etwa ein Drittel unserer Fracht ist aber nicht „Standard". Es kann Abweichungen geben, weil die Sicherheitslage am Abflug- bzw. Zielort schwierig ist oder weil die zu transportierende Fracht an sich Besonderheiten hat. Extrawünsche von Kunden sind sicherlich auch ein Grund für Sonderprozesse. Durch unser umfangreiches Spezialwissen bei Lufthansa Cargo, nicht nur im Bereich Security, wissen wir aber im Detail, wie wir mit solchen Herausforderungen umgehen. Ich persönlich habe es gelegentlich ganz gerne, wenn wir uns auch mal kreativ zeigen müssen, um spezielle Herausforderungen zu meistern. Gerade unsere Kolleginnen und Kollegen in den einzelnen Produktmanagements sind hier erfolgreich tätig.
Wie und mit welchen technischen und organisatorischen Möglichkeiten können Sie den Transportverlauf lückenlos überwachen?
Harald Zielinski: Das bleibt unser Geheimnis, bitte haben Sie Verständnis, wenn ich hierzu keine Detailangaben mache.
In der Rechtsverordnung VO (EU) 173/2012 ist eine „Allgemeine Schulung des Sicherheitsbewusstseins" beim Personal gefordert. Welche Bedeutung hat diese Vorschrift für Ihren Tätigkeitsbereich und nach welchen Kriterien wählen Sie generell Ihr Personal aus?
Harald Zielinski: Unser Personal wird umfangreich und regelmäßig geschult. Wir beschäftigen in der Sicherheitsabteilung einen Spezialisten gezielt für die Themen „Schulung" und „Technologie". Die Personalauswahl erfolgt letztlich wie in anderen Unternehmen auch. Parameter sind Persönlichkeit, Bildung, Berufserfahrung und Sprachkenntnisse. Ich habe gute Erfahrungen gemacht auch mit Menschen, die nicht aus dem Bereich Sicherheit zu uns gestoßen sind. Im Managementteam der Sicherheitsabteilung haben wir im Übrigen einen Frauenanteil von 50 Prozent.
Wird auf dem Gelände von Lufthansa Cargo auch Luftfracht zwischengelagert? Welche besonderen Sicherheitsvorkehrungen sind in diesen Lagern zu treffen?
Harald Zielinski: Es gehört zum Prozessablauf, Zwischenlagerungen einzuplanen, so diese erforderlich sind. Zwischenlagerungen finden ausnahmslos in den Sicherheitsbereichen statt. Die Fracht verlässt dabei nicht die Sicherheitszone. Dies allein schon deswegen, um erneute Sicherheitskontrollen zu vermeiden.
Wie schätzen Sie die aktuelle Sicherheitslage im Logistikbereich Luftfracht ein? Rechnen Sie mit einer Zunahme der Frachtmengen, von Warenverlusten und erhöhten Risiken?
Harald Zielinski: Natürlich hoffe ich auf steigende Frachtmengen, der Frachttransport ist unsere Geschäftsgrundlage. Ob eine signifikante Steigerung bevorsteht, kann ich im Moment nicht beurteilen. Ich bin etwas skeptisch. Mit einer Zunahme von Warenverlusten bei Lufthansa Cargo rechne ich nicht, dazu habe ich ja bereits Stellung bezogen. Die Risiken in der Luftfahrt sind letztendlich immer die gleichen. Ob diese steigen, lässt sich nur schwer vorausberechnen. Wir sind jedenfalls immer in der Lage, sehr kurzfristig zu agieren bzw. zu reagieren.
Wie ist Ihre Zusammenarbeit mit Polizei, Zoll, Luftfahrtbundesamt und dem Sicherheitspersonal der Fraport AG am größten deutschen Flughafen?
Harald Zielinski: Gut. Ehrlich, offen, kollegial.
Was wünschen Sie sich für die nächsten Jahre für Ihren Arbeitsbereich und welche Wünsche haben Sie privat?
Harald Zielinski: Mein Arbeitsbereich weigert sich hartnäckig, zum Wunschkonzert zu werden. Diese Hoffnung habe ich aufgegeben. Ich hoffe mal, dass es eine friedlichere Zeit geben wird, in der die Sicherheitsanforderungen nicht ständig steigen müssen.
Vielen Dank für die interessanten Einblicke und offenen Worte zur Aviation Security.
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