Sicherheit und Entfluchtung: Neuauflage der ASR A2.3
In der ASR A2.3 „Fluchtwege und Notausgänge, Flucht- und Rettungsplan“ wurde ein Schlüssel definiert, wie viel Fluchtwegbreite für die jeweilige Anzahl der Personen zur Verfügung stehen muss. Im März 2022 wurde eine fortgeschriebene Version veröffentlicht.
Bei Gefahr müssen alle Personen in einem Gebäude in der Lage sein, sich unverzüglich in Sicherheit zu bringen. Die Verteilung der Personen im Gebäude sowie die Gestaltung von Fluchtwegen und Notausgängen werden dafür als Kenngrößen herangezogen. Konkrete Maße für Anzahl, Anordnung und Abmessung der Fluchtwege finden sich in der Technischen Regel für Arbeitsstätten ASR A2.3 „Fluchtwege und Notausgänge, Flucht- und Rettungsplan“. Ein Beitrag von Dr. Angelika Kneidl, Sophia Simon von Accurate – Institute for Crowd Simulation.
In der Technischen Regel für Arbeitsstätten ASR A2.3 „Fluchtwege und Notausgänge, Flucht- und Rettungsplan“ wurde ein Schlüssel definiert, wie viel Fluchtwegbreite für die jeweilige Anzahl der Personen zur Verfügung stehen muss. Allerdings stehen die bisherigen Vorgaben den Anforderungen bei der Planung oder Sanierung von Arbeitsstätten oftmals entgegen: neue Bürokonzepte machen sowohl die Raumnutzung als auch die Planung der Fluchtwege komplexer; zudem bringen Bestandsgebäude manchmal architektonische Gegebenheiten mit sich, die nicht den Verordnungen entsprechen (z.B. gewendelte Treppen).
Da die enthaltenen Werte der ASR A2.3 teilweise nicht mehr dem aktuellen Kenntnisstand entsprechen und aus der Praxis immer wieder der Wunsch geäußert wurde, auch moderne Verfahren zur Begründung von Abweichungen zuzulassen, wurde im März 2022 eine fortgeschriebene Version dieser Arbeitsstättenrichtlinie veröffentlicht. Die dort enthaltenen angepassten Werte basieren auf Erkenntnissen, die im Rahmen eines Fachgutachtens ermittelt worden sind.
Fachgutachten Fluchtwege
Um die Fortschreibung der ASR A2.3 in die Wege zu leiten, hat die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin BAuA im Auftrag des Ausschusses für Arbeitsstätten (ASTA) eine Projektgruppe zur Anpassung der aktuell anerkannten Regeln der Technik vorzunehmen. Insbesondere die Fluchtwegbreiten und auch die Zusammenflüsse von Personen mehrerer Ebenen sollten darin neu bewertet werden. Dazu sind einige Fragen innerhalb der Projektgruppe aufgetaucht, die mithilfe eines Fachgutachtens beantwortet werden sollten. Innerhalb des Gutachtens sollte mithilfe von ingenieurtechnischen Verfahren überprüft werden, inwieweit die bestehenden Vorgaben angepasst werden müssen.
Im Auftrag der BAuA haben Accurate (Institute for Crowd Simulation) aus München und die Firma Ist aus Frankfurt am Main mit zwei unabhängigen mikroskopischen Simulationsmodellen untersucht, wie die Breite von Wegen, Treppen, Türen und Einengungen die Räumungszeiten beeinflussen, und welchen Einfluss eine zeitlich versetzte Nutzung der Fluchtwege bei mehrgeschossigen Gebäuden hat. Solche Simulationen betrachten die Bewegung jeder einzelnen Person in einer vorgegebenen Geometrie. Sie können belastbare Vorhersagen zu Räumungszeiten und Staudauern sowie zu neuralgischen Punkten im Gebäude treffen. Zum Vergleich und zur Einordnung der Ergebnisse wurden zusätzlich makroskopische Modellrechnungen durchgeführt, sowie bisherige Studien und Daten zusammengetragen.
Die Ergebnisse zeigen, dass kurze Einengungen auf horizontalen Wegen kaum Auswirkungen auf die Räumungszeit haben. Auch Einengungen unmittelbar vor Treppen z.B. durch Türen sind vernachlässigbar, da die vertikalen Fluchtwegelemente selbst flussverringernd wirken.
Weiter konnte festgestellt werden, dass eine zeitlich versetzte Alarmierung die Räumung der betroffenen Ebenen positiv beeinflusst. Die Auswirkungen müssen aber jeweils individuell pro Gebäude untersucht werden.
Im Rahmen des Fachgutachtens wurde auch für ein Schulgebäude untersucht, welchen Einfluss die Breite der Türen von Unterrichtsräumen auf die Gesamträumungszeit hat. Dabei zeigte sich beispielsweise, dass die Breite von einzelnen Türen keinen signifikanten Einfluss auf die Gesamtfluchtzeit hat, jedoch die Breite von Einengungen – z.B. durch Flureinbauten – und Treppen dafür maßgeblich ist.
Vor diesem Hintergrund ergeben sich für geplante Neubauten, Umbauten oder Umnutzungen neue Möglichkeiten, wie Fluchtwege und Zusammenflüsse von Personen bewertet werden können. Ingenieurtechnische Verfahren nach DIN 18009-2 können hier unterstützen: es kann gezeigt werden, was die Sicherheit der Personen beeinflusst, wie schnell eine Räumung vonstattengeht und wo Engstellen entstehen. Durch Simulationen können dabei die Personenbewegungen im Gebäude über die gesamte Räumungsdauer gezeigt werden – so dass Engstellen identifiziert und Optimierungspotentiale abgeleitet und bewertet werden können.
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Beispiel: Helene-Lange-Gymnasium
Für den Neubau des Helene-Lange-Gymnasiums in Fürth soll die geordnete Räumung bei Schulbetrieb und voller Belegung betrachtet werden. Das Gebäude soll flexibel genutzt werden, weshalb keine klare Zuweisung von Personenzahlen zu Fluchtwegen erfolgen kann. Dies stellt den Brandschutz vor eine Herausforderung: wie breit sollen die Fluchtwege geplant werden, so dass im Ernstfall jede Person rechtzeitig das Gebäude verlassen kann? Hier hat sich die Stadt Fürth entschieden, schon in der Planungsphase Räumungssimulationen einzusetzen, um den Neubau zukunftssicher auszulegen.
Bei der Analyse wurden unterschiedliche Belegungsoptionen des Gebäudes miteinander kombiniert, um eine ungünstige Belegung, einen Worst Case, zu erarbeiten und diesen im Anschluss zu simulieren. Als nachzuweisendes Schutzziel wurde die Gesamträumungszeit unterhalb eines bestimmten Werts sowie das Vermeiden von signifikanten Staus, vor allem im Treppenbereich festgelegt.
Mithilfe der Simulationen konnte das Brandschutzkonzept um einen leistungsbezogenen Nachweis ergänzt werden. Es wurde gezeigt, dass es möglich ist, auch besonders hohe Klassendichten oder Schülerzahlen in einzelnen Bereichen zuzulassen, da die geplanten Fluchtwege und Treppenbreiten ausreichend dimensioniert sind. Damit kann die Schule langfristig und flexibel genutzt werden.
Ein wichtiger Schritt
Die im März 2022 in Kraft getretene Fortschreibung der ASR A2.3 verwendet die im Fachgutachten ermittelten Erkenntnisse, um moderne Wege im Bereich Brandschutz in Arbeitsstätten zu gehen. Dies bringt einige Änderungen zur Bewertung und Auslegung der Fluchtwege mit sich und ermöglicht es, Abweichungen mit Unterstützung von ingenieurtechnischen Verfahren zu kompensieren. Dies ist ein wichtiger Schritt, damit Gebäude zukünftig flexibler aber weiterhin sicher genutzt werden können.
Das Fachgutachten sowie die aktuelle Fassung der Arbeitsstättenrichtlinien stehen auf der Webseite der BAuA oder auf der Webseite von Accurate zum Download bereit.
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