Wer ist hier zuständig? Die Frage nach der Zuständigkeit für Sicherheit im Betrieb: Das Hausherrenprinzip
Wo fängt die Verantwortung im Betrieb eigentlich an und wo hört sie auf? Im eigenen Zuhause ist das eindeutig. Keiner würde dem Klempner einfach die Schlüssel geben und gehen. Man ...
Wo fängt die Verantwortung im Betrieb eigentlich an und wo hört sie auf? Im eigenen Zuhause ist das eindeutig. Keiner würde dem Klempner einfach die Schlüssel geben und gehen. Man bleibt vor Ort und stellt sicher, dass Reparaturen ordnungsgemäß ausgeführt werden. Als „Hausherr“ ist man ganz klar dafür zuständig. Weshalb sind Verantwortungsbereiche für Sicherheit im Betrieb nicht so offensichtlich?
Was ist das Hausherrenprinzip im betrieblichen Umfeld?
Die Sicherheitsmanagement-Berater von DuPont Sustainable Solutions (DSS) werden immer wieder mit Situationen konfrontiert, in denen es aufgrund von unklaren Verantwortungen in Unternehmen zu Vorfällen kommt. Hier kann das „Hausherrenprinzip“ Abhilfe schaffen. Es besagt, dass in jedem Bereich eine Person, der „Hausherr“, für die Sicherheit, Gesundheit und Ordnung aller anwesenden Personen, sowie für die technische Sicherheit dieses Bereiches verantwortlich ist.
Der „Hausherr“ hat eine umfassende Vollmacht und Autorität im Zuständigkeitsbereich. Auch ein Mitarbeiter des definierten Bereiches ist aufgefordert z. B. bei riskanten Situationen unmittelbar einzuschreiten und sich erst anschließend beim „Hausherren“ die nötige Unterstützung zu holen. Bei den Personengruppen für die man sich verantwortlich fühlt wird nicht differenziert, zwischen Mitarbeitern aus der eigenen Abteilung, aus anderen Abteilungen, Mitarbeitern von Fremd- oder Partnerfirmen oder Besuchern. Das Betriebsgelände sollte mehrere „Hausherren“ haben, welche sinnvoll und praktikabel durch die Standortleitung bestimmt werden.
In der Beratungstätigkeit machen wir bei vielen unserer Kunden leider regelmäßig die Erfahrung, dass trotz z. B. einer erfolgten Pflichtenübertragung (gemäß DGUV Vorschrift 1 §13) des Unternehmers an leitende Personen und Führungskräfte, das Prinzip des wirklich gelebten „Hausherrenprinzips“ ausbleibt. So übernehmen Bereichsleiter z. B. Verantwortung für Produktion, Budget und Personal in ihrem Bereich, delegieren Teilbereiche aber häufig an andere Mitarbeiter, Abteilungen oder Servicebereiche, die diese möglicherweise ebenfalls weitergeben. So kann Ungewissheit über die Zuständigkeit für bestimmte Aufgaben entstehen.
Wie verhält es sich bei Ihnen in der Organisation? Sind die Verantwortlichkeiten klar definiert? Wissen Mitarbeiter wer für welchen Bereich verantwortlich ist?
Konsequenzen der Vernachlässigung des Hausherrenprinzips
Welche möglichen Folgen hat das nicht Einhalten des „Hausherrenprinzips“ im Betrieb? Nehmen wir beispielsweise einen metallverarbeitenden Betrieb, in dem ein Bereichsleiter einen Arbeitsauftrag an die Instandhaltung erteilt, da eine Führungsschiene an einer Maschine abgetrennt und ersetzt werden muss. Der Leiter der Instandhaltung nimmt den Auftrag entgegen und teilt dem Bereichsleiter mit, dass die Arbeiten im Laufe der nächsten Arbeitswoche begonnen werden. In der darauffolgenden Woche meldet sich ein Mitarbeiter der Instandhaltung beim Maschinenbediener, legt ihm die, vom Instandhaltungsleiter unterschriebene Arbeitserlaubnis für Heißarbeiten vor und beginnt unverzüglich mit den Flexarbeiten mit dem Winkelschleifer. Während der Reparatur beginnt an einer unmittelbar angrenzenden Maschine eine Fremdfirma mit einer Reinigung. Es werden leicht entzündliche Reinigungsmittel und Druckluft eingesetzt. Durch einen fehlenden Schutzvorhang bei der Reparaturarbeit, entzündet sich durch Funkenflug das Reinigungsmittel und es kommt zu einer Verpuffung. Glücklicherweise kam es in diesem Beispiel nicht zu einer Verletzung. Wäre der „Hausherr“ seiner Verantwortung nachgekommen, wäre bei der Prüfung der Gegebenheiten und Unterzeichnung des Erlaubnisscheins aufgefallen, dass der Schutzvorhang fehlte und die Instandhaltungsarbeiten nicht parallel zur Reinigung durchgeführt werden dürfen.
Wer sollte „Hausherr“ sein?
Es sollte ein eindeutig als solcher, von der Standortleitung ernannter, Mitarbeiter aus der Führungsebene sein, der die Verantwortung für einen definierten Bereich und die darin arbeitenden und sich dort aufhaltenden Personen übernimmt. Der definierte Bereich sollte, neben den eigentlichen Arbeitsbereichen, auch durchaus Zu- und Ausfahrten, sowie Außenbereiche enthalten. Die Verantwortung ist ebenfalls nicht nur auf die Sicherheit und Gesundheit der Personen, die sich in diesem Bereich befinden, begrenzt, sondern beinhaltet auch die ordentliche Funktion des gesamten Bereiches.
Die Verantwortung des Unternehmers bleibt, trotz erfolgter oder nicht- erfolgter Delegation einschließlich zugeordneter Kontroll- und Überwachungsfunktionen.
Gibt es keinen „Hausherren“ oder nimmt dieser seine Verantwortung nicht wahr, kann das erhebliche Folgen für die Sicherheitsleistung und die Wirtschaftlichkeit des jeweiligen Bereichs und des gesamten Unternehmens haben. Bei Tätigkeiten von Personen in fremden Bereichen, verlassen sich Vorgesetzte erfahrungsgemäß häufig gegenseitig auf die Erfüllung der jeweiligen Pflichten und Standards des Anderen. Durch fehlende Sicherheitseinweisungen und / oder Gefährdungsbeurteilungen in der Schnittstelle der Gewerke und Aufklärungen kann es nicht nur zu Produktionsausfällen kommen, sondern auch zu Unfällen, welche die Gesundheit oder sogar das Leben von Mitarbeitern in Gefahr bringen.
Der soziale Einfluss wirkt sich auf unser Verhalten aus
Das Nicht-Einhalten von Sicherheitsmaßnahmen bereichsfremder Mitarbeiter wirkt sich darüber hinaus indirekt auch auf die Mitarbeiter des Bereichs aus. Stellen Sie sich vor, Ihre Mitarbeiter arbeiten im Tagesgeschäft sicher und nach Vorschrift. Wenn nun regelmäßig Mitarbeiter aus anderen Abteilungen oder Mitarbeiter von Fremd- und Partnerfirmen Risiken eingehen und sich unsicher verhalten ohne dabei zu Schaden zu kommen, hat dies einen negativen Einfluss auf das Sicherheitsverhalten Ihrer Mitarbeiter. Dem zugrunde liegen psychologische Konzepte, wie die Verfügbarkeitsheuristik, die darauf hindeuten, dass Menschen auch dann meinen, Sachverhalte beurteilen zu können, wenn sie eigentlich keine präzisen oder vollständigen Informationen haben. Ihre Mitarbeiter sehen beispielsweise, dass in den letzten Wochen Mitarbeiter einer anderen Abteilung regelmäßig auf ungesicherte Leitern gestiegen sind, um Arbeiten in der Höhe zu verrichten. Da es keine Vorfälle gab und die Beobachtungen in der nahen Vergangenheit stattfanden, sind diese besonders präsent. So könnte sich beispielsweise einer Ihrer Mitarbeiter dazu entscheiden, selbst auf eine ungesicherte Leiter zu steigen. Können Sie das verantworten? Wenn Ihre Antwort Nein lautet, dann sollten Sie sich die Frage stellen, ob Sie es ebenfalls verantworten können, wenn ein Mitarbeiter, der nicht aus Ihrem Team stammt, auf eine ungesicherte Leiter steigt. Oder ob Sie es verantworten können, dass eine Reinigungskraft ohne Sicherheitsschuhe in einem Bereich reinigt, in dem Sicherheitsschuhe vorgesehen sind.
Das Fehlen eines „Hausherren“ für jeden Bereich schadet demzufolge nachhaltig einer bestehenden oder sich im Aufbau befindenden Sicherheitskultur. Ohne die andauernde Verantwortung des „Hausherren“, die eine gleichbleibende Einstellung zur Sicherheit einfordert, kommt es viel eher dazu, dass Unfälle in Kauf genommen werden. Der Mangel eines „Hausherren“ ist somit eine Vernachlässigung der Führungsverantwortung.
Vorteile des Hausherrenprinzips
Das „Hausherrenprinzip“ wird von DuPont erfolgreich in den Produktionsstätten des Unternehmens eingesetzt und wurde auch bei Kundenunternehmen von DSS wie thyssenkrupp und der KSM Castings Group mit positiven Ergebnissen eingeführt.
Wenn „Hausherren“ ihre Rolle gewissenhaft ausüben, arbeiten sie selber nicht nur sicherer, sondern sie erfüllen auch eine Vorbildfunktion im Betrieb. Das führt erfahrungsgemäß dazu, dass Mitarbeiter sich dazu angeregt fühlen, mehr und eher Eigenverantwortung für Sicherheit anzunehmen. Die klare Definition von Verantwortlichkeiten nach dem „Hausherrenprinzip“ macht es ebenfalls leichter, Entscheidungen zu fällen und Vorfälle aufzuarbeiten. Das macht das „Hausherrenprinzip“ zu einem essenziellen Bestandteil des Sicherheitsmanagements ihrer Organisation und der Führungsaufgabe. Seien Sie deshalb nicht nur Führungskraft, sondern übernehmen Sie und Ihre Mitarbeiter Verantwortung als Hausherr.
Business Partner
DSS Sustainable Solutions Germany GmbHDarmstädter Landstraße 116
60598 Frankfurt
Deutschland
Meist gelesen
Wenn das Gehirn rotiert - Warum ein effektiver Kopfschutz auch vor Rotationsenergie schützen sollte
Schutzhelme bieten im Allgemeinen nur unzureichenden Schutz vor schrägen Stößen.
Top Player Maschinensicherheit – Oscar Arias, Schmersal
GIT SICHERHEIT im Interview mit Oscar Arias, Chief Sales Officer (CSO), Schmersal Gruppe.
Globale Konzernsicherheit bei der BMW Group
CSO Alexander Klotz ist für die globale Konzernsicherheit bei BMW Group zuständig. GIT SICHERHEIT hat sich mit ihm über Aufgaben und potentielle Bedrohungen unterhalten.
Konzernsicherheit und Krisenmanagement bei Carl Zeiss
Risikobasierter Sicherheitsansatz: "Wer alles schützen will, schützt nichts." GIT SICHERHEIT im Interview mit Sven Franke, Head of Security, Crisis Management & BCM bei Carl Zeiss.
Wie Unternehmen und Polizei zusammenarbeiten
GIT SICHERHEIT im Interview mit Julia Vincke, Leiterin Unternehmenssicherheit BASF, und Bettina Rommelfanger, Polizeivollzugsbeamtin am Landeskriminalamt Baden-Württemberg (LKA BW).