Atemschutz für Feuerwehren: Kreislaufsystem für vier Stunden Atemschutz
Atemschutzgeräte sind seit Anfang des 20. Jahrhunderts im Einsatz. Sie stellen einen unverzichtbaren Ausrüstungsgegenstand für die Feuerwehren dar - zum Schutz vor Giften und Sauer...
Atemschutzgeräte sind seit Anfang des 20. Jahrhunderts im Einsatz. Sie stellen einen unverzichtbaren Ausrüstungsgegenstand für die Feuerwehren dar - zum Schutz vor Giften und Sauerstoffmangel. Die Firma Dräger hat gerade ihr Kreislaufsystem PSS BG 4 plus vorgestellt.
GIT-SICHERHEIT.de sprach darüber mit Produktmanager Axel Bahr.
Mit Dr. Dirk Hagebölling, Direktor von Feuerwehr und Rettungsdienst der Stadt Bochum und Vorsitzender des Referats Persönliche Schutzausrüstung der vfdb, sprachen wir über "Pressluft oder Kreislauf?".
Es folgt zunächst das Hintergrund-Interview mit Dr. Dirk Hagebölling, anschließend das Interview mit Axel Bahr.
Hintergrund: Pressluft oder Kreislauf? Dr.-Ing. Dirk Hagebölling gibt einen Einblick in die Feuerwehrpraxis.
Die Geräte-Welt im Atemschutz ist reich an Erfindungen - darunter Pressluftgeräte und Kreislaufatemsysteme (vgl. GIT SICHERHEIT, Beitrag über das PSS BG 4 plus von Dräger sowie unser Interview mit Axel Bahr, s.u.). GIT-SICHERHEIT.de ließ sich von Dr.-Ing. Dirk Hagebölling, einen Einblick in die Feuerwehrpraxis geben. Dr. Hagebölling ist Direktor von Feuerwehr und Rettungsdienst der Stadt Bochum und Vorsitzender des Referats Persönliche Schutzausrüstung der vfdb.
GIT-SICHERHEIT.de: Herr Dr. Hagebölling, in welchem Verhältnis werden die verschiedenen Atemschutzgeräte in der Praxis angewendet?
Dr. D. Hagebölling: Pressluftatmer und Regenerationsgeräte sind die gängigsten umluftunabhängigen Atemschutzgeräte, die bei den Feuerwehren verwendet werden. Schlauchgeräte sind dagegen eher selten. Mehr als 98 % aller Einsätze im kommunalen Bereich werden mit Pressluftatmern abgewickelt. Bei Werkfeuerwehren, Schiffsfeuerwehren und insbesondere Grubenwehren sieht das aufgrund der abweichenden Arbeitsverhältnisse schon anders aus. Dort ist der Anteil verwendeter Regenerationsgeräte weitaus höher einzustufen. Durch die alleinige Verwendung von Pressluftatmern unter Chemikalienschutzanzügen, bei der die Ausatemluft noch einen zusätzlichen Schutz gegen das Eindringen von gas- oder dampfförmigen Schadstoffen bietet, erklären sich zudem die Anwendungsvorteile für die öffentlichen Feuerwehren mit ihrem vielseitigem Einsatzspektrum. Darüber hinaus sind wesentliche Teile eines Pressluftatmers analog aufgebaut wie bei Leichttauchgeräten bzw. auch in diesen technischen Systemen verwendbar.
Wie sieht das Training in der Handhabung der verschiedenen Systeme aus?
Dr. D. Hagebölling: Feuerwehren versuchen heutzutage, Einsatzsituationen so real wie möglich zu simulieren. Daher entstehen landauf und landab Brandsimulationsanlagen, die feststoff- oder gasbetriebene Übungsräume erwärmen und verrauchen. Im Grunde genommen sind die taktischen Übungsanforderungen für Einsatzkräfte gleich, egal ob Kreislaufgeräte oder Pressluftatmer verwendet werden. Allerdings sind die Einsatzszenarien in der Praxis unterschiedlich. Dort, wo lange An- und Rückmarschwege in schadstoffbelasteter Atmosphäre zu erwarten sind, bieten sich aufgrund der längeren Einsatzzeiten Regenerationsgeräte an, um überhaupt noch eine effektive Maßnahmenergreifung an potentiellen Schadensorten einzuräumen. Das sind z. B. großräumige Tiefgaragen, Versorgungsschächte und -kanäle, Tunnelanlagen des unterirdischen Verkehrs oder großräumige Produktionshallen der Industrie. Eine entsprechende Vorbereitung für Einsatzkräfte umfasst, das Training unter hoher körperlicher Belastung bei erhöhten Ein- und Ausatemwiderstand sowie typische Einsatztätigkeiten über eine Dauer von mehr als 30 Minuten. Neben der Übung in Brandsimulationsanlagen bieten sich realitätsnahe Übungen in großräumigen unterirdischen Verkehrsanlagen oder Garagen an, die auch vernebelt werden können.
Die Zahl der Tunnel ist kräftig gestiegen. Welche Rolle spielen insofern die verschiedenen Geräte in den Bedarfsplanungen?
Dr. D. Hagebölling: Alle Einheiten, die Einsatzrisiken abzudecken haben, bei denen das Atemluftreservoir eines konventionellen Pressluftatmers nicht ausreicht, haben in ihrer Bedarfsplanung die Vorhaltung und den Einsatz von Regenerationsgeräten berücksichtigt. Einige Feuerwehren probieren als Alternative die Mehrfachverwendung von Pressluftatmern in Tunnelstrecken durch die Wiederbefüllung von Atemluftflaschen an örtlichen sogenannten „Quick-Fill"-Stationen. Ob dieses System sich gegen die bewährte Technik der Kreislaufgeräte durchsetzen kann, wird die Zukunft zeigen.
Lassen sich aus Sicht der Feuerwehr Trends bei Einsätzen erkennen, die Kreislaufgeräte notwendiger als bislang machen?
Dr. D. Hagebölling: Da die Brandschutzbedarfsplanung schon seit Jahren zu den elementaren Aufgaben der Feuerwehrführungskräfte gehört und die Einsatzrisiken i.d.R. örtlich erfassbar sind, haben sich deutlich erkennbare Trends in dieser Hinsicht nicht deutlich abgezeichnet. Spezielle Einsatzrisiken, die durch Werkfeuerwehren oder Special-Task-Forces abzudecken sind, haben seit jeher auch einen Bedarf an besonderer Technik erforderlich gemacht. Insofern ergibt sich auch in diesem Feld keine wesentlichen neuen Bedarfssituationen für Kreislaufgeräte, da die Langzeit-Bekämpfung von Bränden nicht Neues darstellt und bewährte Technik nicht ersetzt sondern lediglich weiter entwickelt wurde.
Ein neues Kreislaufsystem sorgt für Sicherheit. Unser Interview mit Axel Bahr.
GIT-SICHERHEIT.de: Herr Bahr, Sie bieten bei Dräger ja verschiedene Atemschutzsysteme an - darunter sind z. B. Pressluftsysteme für eine begrenzte Einsatzzeit, aber auch Kreislaufsysteme. Zu letzteren zählt auch das neue PSS BG 4 plus. Können Sie uns zunächst einmal das Funktionsprinzip dieses Systems erläutern?
A. Bahr: Es handelt sich kurz gesagt um ein umluftunabhängiges, frei tragbares Isoliergerät, bei dem die Ausatemluft des Trägers im Gerät aufbereitet und mit Sauerstoff ergänzt wieder zur Einatmung kommt. 400 Liter Sauerstoff sind dafür unter 200 bar Druck in der zwei Liter fassenden Flasche komprimiert, aus der durchschnittlich 1,66 Liter Sauerstoff je Minute in den Einatemzweig strömen. Mit Hilfe eines mit Atemkalk bestückten Absorbers wird das schädliche CO2 der Ausatemluft gebunden.
Für welche Einsätze ist das Gerät gedacht?
A. Bahr: Kreislaufgeräte werden immer dann gewählt, wenn die Einsatzzeit absehbar über 45-60 Minuten liegt, und eine umluftunabhängige und ortsungebundene Luftversorgung notwendig ist. Dies ist insbesondere bei allen Einsätzen von Grubenwehren im Bergbau und bei Feuerwehr in besonderen Einsatzlagen der Fall - Beispiele sind Tunnelbrandbekämpfung, Schiffsbrandbekämpfung und die Brandbekämpfung in komplexen Gebäuden beispielsweise Tiefgaragen oder Flughäfen.
Wie lange kann man das Gerät benutzen?
A. Bahr: Das Gerät liefert vier Stunden lang saubere Atemluft. Allerdings liegen die realen Einsatzzeiten in der Regel unter diesem Wert, da der Mensch und seine körperliche Leistungsfähigkeit bei den extremen Einsatzbedingungen (lange Anmarschwege, hohe Temperaturen, Tragen von Schutzkleidung) hier der begrenzende Faktor ist. Dies erhöht aber die Sicherheit der Einsatzkräfte, da durch die Verwendung des Kreislaufgerätes eine große Atemluftreserve beispielsweise für Notsituationen mitgeführt wird.
Wie ist der Tragekomfort bei Ihren Geräten gelöst, was etwa den Umgang mit heißer oder nasser Atemluft sowie das Beschlagen der Sichtscheibe in der Maske betrifft?
A. Bahr: Was die erforderliche Temperatur der Atemluft betrifft, so befindet sich in jedem PSS BG 4 plus ein Kühler der die Atemlufttemperatur verringert. Dieser Kühler ist als Eiskühler oder Regenerationskühler erhältlich. Durch das Funktionsprinzip des Geräts ist das Beschlagen der Maskenscheibe nicht zu verhindern. Wir setzen hier aber auf bewährte Technik: Ein Scheibenwischer in der Maske. Er wird mit einem gut griffigen Hebel von außen betätigt. Dabei wird die Scheibewischerachse nicht mehr wie früher üblich durch die Sichtscheibe geführt - damit vermeidet man eine Schwächung der Scheibe. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, die Maske mit einem Anti-Fog-Mittel gegen das Beschlagen zu optimieren.
Unterscheidet sich eigentlich das Gewicht von Pressluft- bzw. Kreislaufgeräten?
A. Bahr: Laut DIN EN 137 darf ein Pressluftatmer im einsatzbereiten Zustand nicht mehr als 18 kg wiegen. Ein Pressluftatmer mit einer 6,8 l Flasche (CFK) wiegt zwischen 10 und 12,5 kg, je nach weiterer Ausstattung beispielsweise mit Bewegungslosmelder und anderem Zubehör. Ein einsatzbereites PSS BG 4 plus wiegt 15,3 kg. Bei unterschiedlicher Leistungsfähigkeit gibt es heute nur noch geringe Unterschiede in Bezug auf das Gewicht.
Mit welchen Kosten muss man bei Kreislaufgeräten rechnen?
A. Bahr: Die Anschaffungskosten liegen je nach Ausstattung zwischen 7.000 und 8.000 € zuzüglich Unterhaltskosten z. B. für die Sauerstoffflaschenfüllung und Atemkalk.
Wie sieht es insgesamt mit der Lebensdauer des Gerätes aus?
A. Bahr: Der Druckminderer wird alle sechs Jahre ausgetauscht - dadurch ergibt sich theoretisch eine unendliche Lebensdauer. Die Praxis zeigt aber, dass Kunden die Geräte vor der dritten, spätestens aber vor der vierten Grundüberholung ersetzen. Dies beutet dass die Geräte nach 18, spätestens 24 Jahren ersetzt werden.
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