Blitzströme, Überspannungen und elektromagnetische Felder beherrschen

Informationstechnische Systeme werden nicht nur immer kleiner und empfindlicher sondern auch immer wichtiger für den täglichen Ablauf. Ein nicht zu vernachlässigender Aspekt ist ...

 

Informationstechnische Systeme werden nicht nur immer kleiner und empfindlicher sondern auch immer wichtiger für den täglichen Ablauf. Ein nicht zu vernachlässigender Aspekt ist deshalb die EMV (elektromagnetische Verträglichkeit). Blitzströme, Überspannungen und elektromagnetische Felder sind Störquellen, die beherrscht werden müssen.

Die in der modernen Informationstechnik für den Überspannungsschutz eingesetzten Schutzelemente sind meist aus Dioden, Varistoren und Gasentladungsableitern aufgebaut. Es werden dabei verschiedene physikalische Effekte ausgenutzt (z.B. Durchbruchseffekte in Halbleitern und die Gasentladung). Oft müssen mehrere Bauelemente im Verbund eingesetzt werden, um die geforderte Schutzwirkung zu erbringen. Leistungsanforderungen an Überspannungsschutzeinrichtungen und Prüfverfahren für den Einsatz in Telekommunikations- und signalverarbeitenden Netzwerken werden in der Norm IEC 61643-21 (DIN VDE 0845 Teil 3-1) [1] definiert. Weitere Empfehlungen werden in der DIN EN 61643-22 (CLC/TS 61643-22) [2] und auch in der DIN EN 62305 [3] gegeben. Hinweise zur energetischen Koordination von Überspannungsschutzgeräten sind in diesen Standards ebenso zu finden wie Angaben zu möglichen leitungsgebundenen Störgrößen die durch ein Überspannungsschutzgerät zu beherrschen sind.

Grundsätzlich bedeutet Überspannungsschutz das Schützen elektronischer Systeme oder Geräte gegen transiente Spannungen und den damit verbundenen Strömen, die außerhalb der Grenzen des sicheren Funktionierens des elektronischen Systems oder Gerätes liegen. Die Ursachen dieser Überspannungen können vielfältig sein, z.B. Blitzentladungen, energietechnische Schalthandlungen oder elektrostatische Entladungen. Eine der energiereichsten Störquellen ist der Blitz, mit Spannungen im MV-Bereich und Strömen von mehr als 100 kA. Bei direkten Blitzeinschlägen werden die Überspannungen galvanisch in das System eingekoppelt und breiten sich entlang der Leitungen aus. Sie überschlagen häufig sogar Isolierstrecken und expandieren über alle Verbindungen. Blitze erzeugen zudem transiente magnetische Felder, die ihrerseits in Datenleitungen hohe Spannungen von einigen Zehn Kilovolt induzieren. Trifft ein Blitz die Erde oder wird dahin abgeleitet, kann eine Anhebung des Erdpotentials von einigen 100 kV die Folge sein. Das entstehende elektrische Feld koppelt kapazitiv in horizontal verlaufende Kabel ein und verursacht zerstörerische Spannungen und Ströme [4]. Bei direkten Blitzeinschlägen in informationstechnische Leitungen ist davon auszugehen, dass die Leitungsisolierung durchschlagen wird und sich der Blitzstrom in beide Richtungen aufteilt. In der DIN EN 62305-1 [3] sind exemplarisch Stoßströme aufgeführt, die u.a. in Telekommunikationsleitungen zum fließen kommen können.

Konventioneller Überspannungsschutz

Der konventionelle Überspannungsschutz für Kommunikations- und Datenübertragungssysteme entsprechend IEC 61643-22 [2] besteht in der Regel aus einer mehrstufigen Parallelschaltung von unterschiedlichen Bauelementen zur Begrenzung der Spannungen. In der ersten Stufe wird ein Bauelement benötigt, das die hohe Energie einer transienten Überspannung ableiten kann. Dazu werden in der Informationstechnik vor allem Gasentladungsableiter eingesetzt. Gasentladungsableiter (GA) sind relativ kostengünstig, sehr zuverlässig und optimal geeignet, die Impulsenergie des Blitzteilstroms von einigen Zehn Kiloampere abzuführen. Physikalisch bedingt weisen Sie jedoch eine mit Halbleitern wie z.B. Varistoren verglichen, deutlich längere Ansprechzeit auf. Zudem benötigen Gasentladungsableiter eine hohe Zündspannung. Daraus resultiert eine zu hohe Restspannung, die auf nachgeordnete elektronische Bauelemente zerstörend wirken kann.

Varistoren dagegen reagieren vergleichsweise schnell. Sie können jedoch nicht so hohe Impulsenergien ableiten wie Gasentladungsableiter und besitzen zudem relativ große parasitäre Kapazitäten. Bei Ableitern der Informationstechnik sind genau diese Parasitärkapazitäten unerwünscht, da sie die hochfrequente Datenübertragung stark beeinträchtigen können. Varistoren werden häufig in der zweiten Stufe von Überspannungsschutzgeräten verwendet, da sie die Restspannung besser als Gasentladungsableiter begrenzen.

Einen noch geringeren Schutzpegel erreichen siliziumbasierende Schaltkreise. Im Überspannungsschutz werden häufig Suppressor-Dioden, Avalanche-Dioden oder Thyristoren verwendet. Diese schalten sehr schnell und begrenzen die Überspannung auf sehr kleine Schutzpegel. Damit sind sie für den Feinschutz speziell in elektronischen Systemen prädestiniert. Aber auch diese Halbleiter besitzen relativ hohe Parasitärkapazitäten. Es besteht jedoch die Möglichkeit diese Kapazitäten zu reduzieren, indem weitere Dioden in Reihe geschaltet werden. Denn eine Reihenschaltung von Dioden wirkt den Parasitärkapazitäten entgegen, da die resultierende Kapazität Cges immer geringer als die kleinste Einzelkapazität ist.

Als elektronisches Bauteil ist jedoch auch die Diode selbst sehr anfällig. Ihr Innenwiderstand ist sehr klein, so dass die mit den Überspannungen verbundenen hohen Ströme die Diode zerstören können. Deshalb muss bei der Entwicklung von Überspannungsschutzgeräten auf die richtige Koordination zwischen den einzelnen Schutzstufen geachtet werden. Bei kleinen Überspannungen spricht zuerst die Diode an. Werden die damit verbundenen Ströme jedoch größer, so muss vor der Überlastung der Diode die vorgeschaltete Schutzstufe den Strom rechtzeitig reduzieren. Beispielsweise soll in einer zweistufigen Schutzschaltung ein Gasentladungsableiter mit einer Suppressor-Diode koordiniert werden. Das Problem besteht darin, dass die nachrangige Schutzstufe, in diesem Fall die Diode, bereits die Impulsenergie ableitet und die vorgelagerte Schutzstufe somit keine Überspannung registriert. Gasentladungsableiter benötigen jedoch eine gewisse Zündspannung, um überhaupt in den leitenden Zustand zu gelangen und die nachgeschaltete Diode schützen zu können.

Um diese komplexe Herausforderung der Koordination zwischen den Schutzstufen lösen zu können, werden Serienimpedanzen eingesetzt. Dabei ist die Serienimpedanz derart zu bemessen, dass noch vor erreichen der maximalen Energieabsorption der Diode und dem Spannungsfall über der Serienimpedanz die Zündspannung des vorgelagerten Schutzelements erreicht wird.

Somit ist der Arbeitsablauf der Bauelemente festgelegt: Die Diode beginnt bei ansteigender Spannung abzuleiten. Bei weiter steigender Spannung zündet rechtzeitig, vor der Überlastung der Diode, der Gasentladungsableiter.

Als Serienimpedanz werden am einfachsten ohmsche Widerstände verwendet. Sie erzeugen den notwendigen Spannungsfall zur Koordination zwischen den Schutzstufen. Große ohmsche Widerstände haben jedoch den Nachteil, erhebliche Leistungsverluste auf den Datenübertragungspfad zu verursachen, was in einigen Fällen inakzeptabel ist. In diesen Fällen können Induktivitäten oder Kapazitäten besser geeignet sein. Diese beiden Impedanzen sind jedoch frequenzabhängig. Gerade bei der Datenübertragung ist das ein zu beachtender Aspekt, der die Auslegung der energetischen Koordination nicht gerade vereinfacht. Eine weitere Möglichkeit zur Koordination bieten nichtlineare Widerstände (z.B. PTC Widerstand - Positive Temperature Coefficient). Ein PTC ist im Wesentlichen ein ohmscher Widerstand der bei niedrigen Temperaturen den Strom besser leitet als bei höheren Temperaturen. Stehen nun infolge einer Überspannung hohe Ströme eine gewisse Zeit an, so erwärmt sich der PTC-Widerstand und geht in den hochohmigen Zustand über. Die steigende Spannung über dem PTC unterstützt die Triggerung des vorgeschalteten Schutzelements zusätzlich. Der PTC wäre das ideale Bauelement zur Koordination zwischen den Ableiterstufen, wenn die Widerstandsänderung schneller und der Widerstand im Ruhezustand noch geringer wäre.

Ein ideales serielles Koordinationselement ist also ein sehr schneller hinsichtlich Strom und Spannung sensitiver Schalter mit niedriger Schaltschwelle und einer Impedanz, die im geschlossenen Zustand gegen null und im offenen Zustand gegen unendlich tendiert. Dies wäre ideal für die schnelle Datenübertragung. Kleine Transienten beseitigt die Diode, bei größeren Überspannungsereignissen reagiert das Koordinationselement so schnell, dass die Diode geschützt bleibt und durch eine genügend hohe Spannung über dem Element den Gasentladungsableiter zündet und somit die hohe Impulsenergie ableiten kann.

Abbildung 4 zeigt ein solches ideales Element, SBD - Serial Blocking Device, in einer Schaltung mit Gasentladungsableiter und Suppressor-Diode. Heutzutage werden SBDs auf Halbleiter-Basis entwickelt. SBDs haben einen weiteren immensen Vorteil. Ist die Sensitivität des SBD, also die Schaltschwelle, optimal auf die zu schützende Anwendung abstimmt, so wird die Diodenstufe nicht unbedingt benötigt. Denn ein Bauelement das eine empfindliche Diode schützen kann, könnte auch direkt den Signaleingang einer Anwendungsschaltung schützen. Somit würde die Schaltung mit SBD ohne die Suppressor-Diode bereits einen zweistufigen Schutz darstellen.

Wie so oft hat aber auch hier die scheinbar ideale Lösung einen entscheidenden Nachteil. Denn um eine elektrisches Schaltung schützen zu können, muss der Anwender die Sensibilität hinsichtlich Spannung und Strom kennen. Er benötigt diese Information um das passende SBD mit
der richtigen Spannung-/Stromschaltschwelle auswählen zu können. Für die Entwickler einer zu schützenden elektronischen Schaltung ist das noch relativ einfach. Für die Betreiber der Schaltung/den Anwender eines Gerätes jedoch ist es meist unmöglich, die notwendigen Informationen zur Auslegung der Schaltschwelle zu bekommen.

Wirklich ideal ist also ein Überspannungsableiter, der für nahezu alle Spannungen angewendet werden kann und dabei einen optimal angepassten Schutzpegel liefert. Ein universell einsetzbares Schutzgerät also, mit welchem dem Anwender die oft schwierige Auswahl des richtigen Gerätes abgenommen werden kann.

Das Grundkonzept basiert auf einem dreistufigen Schutz mit Gasentladungsableiter, SBD und Thyristor. Der Thyristor schaltet sehr schnell und seine Leistungswerte sind für die empfindlichste Schutzstufe sehr gut geeignet [5]. Damit der Thyristor zur rechten Zeit in den leitenden Zustand versetzt wird, stellt eine entsprechend integrierte Ansteuerungs- und Auswerteelektronik einerseits sicher, dass eine ausreichend hohe Zündenergie für den Thyristor vorhanden ist. Andererseits sorgt diese Ansteuerungs- und Auswerteelektronik dafür, dass ein Zünden des Thyristors nur bei Überspannungen erfolgt.


Signalspannungen oder wechselnde Betriebsspannungen dürfen nicht zum Auslösen des Ableitvorgangs führen. Die Differenzierung der anstehenden Signale erfolgt über deren unterschiedliche Eigenschaften. Eine wechselnde Betriebsspannung ist ein relativ niederfrequenter Vorgang, hat aber unter Umständen eine hohe Amplitude. Das Datensignal hat kleine Amplituden, dafür aber oft hohe Frequenzen. Die störenden transienten Überspannungen sind in der Regel beides, hochfrequent und mit großer Amplitude. Genau diese Eigenschaften werden bei der actiVsense-Technologie genutzt. Zuerst erfolgt die Trennung von hoch- und niederfrequenten Signalen. Anschließend werden die Signale mit geringer Amplitude gefiltert und zurück bleiben nur noch die transienten Überspan­nungen. Wird durch die Auswerteelektronik eine Überspannung erkannt, so erfolgt die Triggerung des Thyristors.


Zur Umsetzung der Auswerteelektronik wird ein Hochpass eingesetzt. Die Grenzfrequenz ist so gewählt, dass die Transienten ungeschwächt passieren können. In Reihe zu dem Hochpass ist eine Zenerdiode geschaltet, deren Sperrspannung so gewählt ist, dass die gewöhnlichen Nutzsignalpegel gesperrt sind. Die Spannungspegel der Transienten überwinden jedoch die Zenerdiode, erreichen den Thyristor und triggern ihn. Der Schutz wirkt und die Überspannungen werden abgebaut. Liegt am Gate des Thyristors keine Spannung mehr an, löscht der Thyristor selbsttätig. Der Haltestrom wurde so bemessen, dass er in Koordination mit dem maximalen Durchlassstrom des SBD automatisch unterschritten wird. Das Prinzip ist einfach und genial, da die Energie zum Zünden des Thyristors durch die Überspannung selbst erzeugt wird.
Der Blitzductor XTU (BXTU) ist das neue Überspannungsschutzgerät für die Informationstechnik von Dehn + Söhne mit actiVsense-Technologie (active voltage sensitive). Dieser Universal-Spannungstyp ist von 0 bis 180 V dc einsetzbar und er kann Signale bis zu 25 MHz übertragen. Der maximale Strom des Ableiters beträgt 100 mA. Damit ist der BXTU für 90 % aller Anwendungen in der Informationstechnik geeignet.

Vorteile für den Anwender
Die gegenüber konventionellen Ableitern aufwendigere Technologie bietet eine Reihe von Vorteilen. Durch den Einsatz eines einzigen Ableiters bei Spannungen von 0 bis 180 V dc vereinfacht sich die Systemplanung, die Lagerhaltung sowie die Wartung und Instandhaltung. Der Ableiter kann auch bei unbekannten, undefinierten, wechselnden oder schwankenden Spannungen eingesetzt werden und hat dabei immer den optimalen Schutzpegel. Daneben benötigt der Anwender durch die actiVsense-Technologie oft nur ein Schutzgerät wo früher, durch die unterschiedlichen Signalspannungspegel, zwei notwendig waren. So musste bei der konventionellen Ableitertechnik für jede Anwendung der richtige Ableitertyp ausgewählt werden, z. B. einen für die Tele­fonie und einen für den Außensensor der Heizung, da beide Anwendungen unterschiedlichen Spannungspegel besitzen. Heute erledigt das ein Blitzductor XTU mit zwei Doppeladern. Er kann beide Anwendungen gleichzeitig mit optimal angepasstem Schutzpegel je Anwendung schützen, trotz der unterschiedlichen Nennspannungen. Die innovative actiVsense-Technologie des Ableiters Blitzductor XTU, der universell für alle Spannungen bis 180 V dc eingesetzt werden kann, erkennt die im Augenblick gerade anliegende Signalspannung und justiert den Schutzpegel entsprechend.

Literatur

[1] DIN EN 61643-21 (VDE 0845 Teil 3-1):2002-03;Überspannungsschutzgeräte für Niederspannung, Teil 21:Überspannungsschutzgeräte zum Einsatz in Telekommunikations- und signalverarbeitenden Netzwerken - Leistungsanforderungen und Prüfverfahren, (IEC 61643-21:2000 + Corr. 2001); Deutsche Fassung EN 61643-21:2001; VDE VERLAG GMBH, Berlin-Offenbach


[2] DIN EN 61643-22 (VDE V 0845-3-2 2007-09): Überspannungsschutzgeräte für Niederspannung
Teil 22: Überspannungsschutzgeräte für den Einsatz in Telekommunikations- und signalverarbeitenden Netzwerken - Auswahl- und Anwendungsprinzipien
(IEC 61643-22:2004, modifiziert); Deutsche Fassung CLC/TS 61643-22:2006; VDE VERLAG GMBH, Berlin-Offenbach

[3] VDE 0185-305-1: 2006-10 (DIN EN 62305-1):Blitzschutz Teil 1: Allgemeine Grundsätze; (IEC 62305-1:2006); Deutsche Fassung EN 62305-1:2006; VDE VERLAG GMBH, Berlin-Offenbach
VDE 0185-305-2: 2006-10 (DIN EN 62305-2):Blitzschutz Teil 2: Risiko-Management;
(IEC 62305-2:2006); Deutsche Fassung EN 62305-2:2006; VDE VERLAG GMBH, Berlin-Offenbach
VDE 0185-305-3: 2006-10 (DIN EN 62305-3): Blitzschutz Teil 3: Schutz von baulichen Anlagen und Personen; (IEC 62305-3:2006); Deutsche Fassung EN 62305-3:2006; VDE VERLAG GMBH, Berlin-Offenbach
VDE 0185-305-4: 2006-10 (DIN EN 62305-4): Blitzschutz Teil 4: Elektrische und elektronische Systeme in baulichen Anlagen (IEC 62305-4:2006); Deutsche Fassung EN 62305-4:2006; VDE VERLAG GMBH, Berlin-Offenbach

[4] Hasse, Peter: Überspannungsschutz von Niederspannungsanlagen; Einsatz elektronischer Geräte auch bei direkten Blitzeinschlägen; 4., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage 1998; TÜV Media GmbH TÜV Rheinland Group

[5] VDE 0845-5-4 2002-11 (DIN EN 61643-341): Bauelemente für Überspannungsschutzgeräte für Niederspannung Festlegungen für Suppressordioden (TSS) (IEC 61643-341:2001); Deutsche Fassung EN 61643-341:2001; VDE VERLAG GMBH, Berlin-Offenbach

 

 

 

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