Brandfrüherkennung: Verbesserte Detektion und Bildauswertung per KI
Rasante Fortschritte in der Kameratechnik und der Bildauswertung mit Hilfe künstlicher Intelligenz ermöglichen eine frühzeitige und zuverlässige Branderkennung mit Video- und Wärmebildkameras. Die Branderkennung mit Video- oder Wärmebildern liefert auch dort zuverlässige Ergebnisse, wo konventionelle Brandmelder an ihre Grenzen stoßen. Der ZVEI-Fachkreis „Video based and thermal imaging fire and smoke detection“ setzt sich für die Verbreitung dieser Technologien ein und treibt die europäische Normung aktiv voran. Ein Beitrag von Sören Wittmann, Vorsitzender des Arbeitskreises „Video based and thermal imaging fire and smoke detection“ im ZVEI-Fachverband Sicherheit.
Im Brandfall spielt die möglichst frühzeitige Branderkennung eine entscheidende Rolle für den Schutz von Menschen und Sachwerten. Je früher ein Entstehungsbrand erkannt wird, desto eher können Personen in Sicherheit gebracht, der Brand eingedämmt und die Feuerwehr alarmiert werden. Zu diesem Zweck sind in Industrie- und Gewerbegebieten in der Regel Brandmeldeanlagen (BMA) installiert, die einen Brand frühzeitig und zuverlässig detektieren.
In bestimmten Umgebungen können Rauch-, Linien- oder Multisensormelder sowie die Auslöseelemente von Deckensprinklern jedoch an ihre Grenzen stoßen. In Außenbereichen und weitläufigen Gebäuden mit hohen Decken sind sie unter Umständen zu weit vom Entstehungsort des Brandes entfernt, sodass Rauch, Brandgase oder Temperaturänderungen den Melder verzögert oder gar nicht erreichen. Dies kann dazu führen, dass sich ein Entstehungsbrand zum Zeitpunkt der Detektion bereits zu einem unkontrollierbaren Brand entwickelt hat. In extremen Umgebungen, z. B. bei großen Mengen an Staub und Dämpfen, können auch die sonst so robusten Melderalgorithmen Falschalarme nicht vollständig verhindern.
Intelligente Bildauswertung
Durch die intelligente Auswertung von Video- und Wärmebildern können diese Brandrisiken nun auch in anspruchsvollen Umgebungen beherrscht werden. Möglich wurde dies durch umfangreiche technologische Weiterentwicklungen von Video- und Wärmebildkameras im Bereich der Detektion sowie der Bildauswertung mit Künstlicher Intelligenz (KI). Damit wird eine frühzeitige Erkennung von Feuer und Rauch oder thermischen „Hot Spots“ durch bildgebende Verfahren auch in weitläufigen Liegenschaften und unter schwierigen Bedingungen möglich. Wichtig für Betreiber: In kritischen Umgebungen mit hohen Brandlasten wird die Installation einer kamerabasierten Branderkennung von Sachversicherern häufig mit deutlichen Prämiennachlässen belohnt.
Schnell und zuverlässig
Die Kameratechnik ermöglicht eine hohe Geschwindigkeit und Genauigkeit bei der Branderkennung. Die Signalverarbeitung und -auswertung erfolgt direkt auf den Kameras ohne zeitliche Verzögerung durch Übertragung an zentrale Auswerteeinheiten. Der große Erfassungsbereich der Kameras, ggf. unterstützt durch Schwenk-/Neigesysteme, ermöglicht einen schnellen Überblick auch über große Flächen und eine frühzeitige Erkennung potenzieller Brandgefahren. Durch die Kombination von Algorithmen auf Basis physikalischer Brandmodelle mit KI-gestützter Bildauswertung kann die Branderkennung für unterschiedliche Umgebungen optimiert und Falschalarme vermieden werden. Zudem ist eine exakte Lokalisierung von vermuteten oder tatsächlichen Brandereignissen möglich.
Videobasierte Branderkennung
Die intelligente Auswertung von Videobildern ermöglicht die Früherkennung von Rauch und Flammen. Das Brandereignis muss sich lediglich im Erfassungsbereich der Videokamera befinden. Ein Brandereignis wird über einen Relaisausgang als technischer Alarm an die Brandmelderzentrale weitergeleitet, wo weitere Maßnahmen eingeleitet werden können. Parallel kann eine visuelle Alarmverifikation mit den Videobildern am Videomanagementsystem durchgeführt werden.
Der Einsatz einer videobasierten Branderkennung ist äußerst wirtschaftlich, da bestehende Videoüberwachungsanlagen in der Regel problemlos auf eine videobasierte Branderkennung aufgerüstet werden können. Umgekehrt können neu angeschaffte Videosysteme zur Branderkennung auch zur Videoüberwachung eingesetzt werden. PoE-fähige Videokameras machen eine separate Stromversorgung überflüssig. Die videobasierte Branderkennung wird bereits heute als Ergänzung zu klassischen Brandmeldern u. a. in Lagerhallen, Produktionshallen und Tunneln eingesetzt, aber auch zur Früherkennung von Waldbränden eingesetzt. Fortschrittliche Kameratechnologien ermöglichen den Einsatz auch bei schlechten Lichtverhältnissen bis zu einer Beleuchtungsstärke von wenigen Lux.
Thermografiebasierte Branddetektion
Thermografiekameras messen die Infrarotstrahlung und damit die Oberflächentemperaturen der überwachten Objekte, die als „Wärmebild“ über den gesamten Erfassungsbereich dargestellt werden. So können Entstehungsbrände bereits vor Erreichen der Zündtemperatur und der Entstehung von Rauch und Flammen detektiert werden. Durch die Kombination einer Vielzahl von Merkmalen und intelligenten Algorithmen können Störgrößen und Falschalarme zuverlässig erkannt und ausgeschlossen werden. Eine zusätzlich in das System integrierte Videokamera ermöglicht eine visuelle Alarmverifikation.
Ebenso wie bei der videobasierten Branderkennung ist eine exakte Lokalisierung des potentiellen Brandherdes und die (automatische) Einleitung weiterer Maßnahmen, wie z. B. das Kühlen oder Löschen des Bereiches durch einen Löschmonitor, möglich. Typische Anwendungen für die thermografiebasierte Branderkennung sind Recyclingbetriebe, Müllverbrennungsanlagen und papierverarbeitende Betriebe.
Stand der Normung
Normen und Richtlinien schaffen Sicherheit für Anwender sowie für Sachverständige und Baubehörden bei der Prüfung und Genehmigung von Brandschutzmaßnahmen. Der Fachkreis „Video- und thermografiebasierte Brand- und Rauchdetektion“ im Fachverband Sicherheit des ZVEI – Verband der Elektro- und Digitalindustrie e. V. setzt sich daher für eine europaweite Normung der video- und thermografiebasierten Branderkennung ein. Grundlage hierfür sind bestehende produktbezogene Zertifizierungen und die im letzten Jahr überarbeitete ISO 7240-29 „Standardtest für Video-Brandmelder“. Die Erarbeitung einer Produktnorm für video- und thermografiebasierte Branderkennung im Rahmen der EN 54-Reihe wurde bereits angestoßen. Gemeinsam mit dem VdS Schadenverhütung arbeitet der Fachkreis darüber hinaus an einer Richtlinie für die Planung, Montage und den Betrieb entsprechender Anlagen.
Fazit und Ausblick
Die videobasierte und thermografiebasierte Branddetektion erlaubt die schnelle und zuverlässige Erkennung von Entstehungsbränden auch in schwierigen Umgebungen. Die internationale und europäische Normung für diese Anwendungen ist auf einem guten Weg, sodass sich diese Systeme in absehbarer Zeit und in bestimmten Umgebungen als eigenständige Meldervarianten etablieren können.
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