Der Korb darf nicht Kippen! Ein Querschnitt aktueller Normen, Verordnungen und Richtlinien zu Steigschutz
Arbeiten unter Zeitdruck, eine kurze Unachtsamkeit, ein falscher Tritt und schon ist ein Unfall passiert. Rund 28 Prozent der tödlichen Arbeitsunfälle zwischen 2009 und 2016 sind nach Angaben der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin auf Abstürze zurückzuführen. Dabei können bereits im Vorfeld die Risiken durch eine gute Planung, das richtige Equipment und die Kenntnis sowie Einhaltung der bindenden Vorgaben, wie der Betriebssicherheitsverordnung, erheblich minimiert werden. Doch welche Vorgaben gilt es zu beachten und welches Steiggerät ist das Richtige für welche Arbeiten?
Rahmenbedingungen sorgen für Orientierung
In Deutschland basieren alle Gesetze, Verordnungen, Regeln und Vorschriften zum Arbeitsschutz auf Richtlinien der Europäischen Union (sogenannte Occupational Safety and Health Directives and Aspects), die in nationales Recht umgesetzt wurden. Sie geben einen Mindeststandard an, der von den Mitgliedstaaten einzuhalten ist. Darüber hinaus haben die Länder die Gestaltungsfreiheit, weitere Maßnahmen zu treffen, die über die bestehenden Richtlinien hinausgehen. Um Risiken zu minimieren, sollten Steiggeräte in Deutschland dem aktuellen Stand der Technik entsprechen. Entscheidend dafür sind die Regelungen des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG), die Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) und die dazugehörigen Technischen Regeln für Betriebssicherheit (TRBS), DIN-Normen sowie die Vorgaben der Berufsgenossenschaften beziehungsweise der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung. Laut dem Bundesgerichtshof (BGH) sind DIN-Normen keine Rechtsnormen. Stattdessen sind sie technische Regelungen mit Empfehlungscharakter, die anerkannte Regeln der Technik wiedergeben oder hinter diesen zurückbleiben. Sie bilden die Grundlage für die Entwicklung, Herstellung, Prüfung sowie den Weiterverkauf aller Steiggeräte und dienen grundsätzlich als Orientierungshilfe für Anwender. Gemäß BetrSichV ist jedes Unternehmen dazu verpflichtet, seine Leitern, Treppen, Arbeitsplattformen etc. regelmäßig durch befähigte Personen prüfen zu lassen. Als befähigte Person gilt jemand, der aufgrund seiner Berufsausbildung und -erfahrung sowie seiner Tätigkeit den sicheren Zustand eines Arbeitsmittels beurteilen kann. Berufsgenossenschaften und Behörden kontrollieren die Einhaltung der Vorschrift, wobei die Intervalle der Prüfung sich nach der individuellen Gefährdungsbeurteilung richten.
Schutzmaßnahmen nach dem TOP-Prinzip
Die TRBS 2121 „Gefährdung von Beschäftigten durch Absturz“ enthalten konkrete Maßnahmen, um Abstürze zu verhindern. Die Auswahl der passenden Schutzmaßnahmen verläuft dabei nach dem sogenannten TOP-Prinzip (Technische, Organisatorische und Persönliche Maßnahmen): Demnach kommt eine Persönliche Schutzausrüstung gegen Absturz (PSAgA) erst in Frage, wenn keine anderen technischen Schutzmaßnahmen oder organisatorische Lösungen möglich sind, wie etwa ein Seitenschutz. Ihre Verwendung wird gesondert in der Gefährdungsbeurteilung bewertet und begründet. Dabei ist die PSAgA für jeden Mitarbeiter auf das erforderliche Minimum zu beschränken.
BetrSichV Anhang 2 Nr. 5.1.4. und DIN EN 131-1 bis 7
Bis Leitern als Verkehrsweg zu einem hoch gelegenen Arbeitsplatz oder selbst als Arbeitsplatz bereitgestellt oder genutzt werden können, muss nach der BetrSichV Anhang 2 Nr. 5.1.4. im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung ermittelt werden, ob nicht eine andere Art von Steiggerät für den Verkehrsweg und die zu erledigenden Tätigkeiten sicherer ist wie zum Beispiel ein Gerüst, eine fahrbare Hubarbeitsbühne, eine Treppe, eine Rampe oder ein Aufzug. Wenn nach der Beurteilung Leitern zum Einsatz kommen sollen, sind den Anforderungen entsprechend die passende Bauart, die erforderliche Größe, der Werkstoff, das notwendige Zubehör und die erforderliche Anzahl auszuwählen. Für mobile beziehungsweise tragbare Leitern ist die DIN EN 131-1 bis 7 relevant, die mehrere Aspekte (Benennungen, Leiternarten, Anforderungen etc.) und Bauarten (Ein- oder Mehrgelenkleitern, Teleskopleitern und Podestleitern) thematisiert. Die TRBS 2121-2 gibt weitere Hinweise für die sicherere Nutzung: Je nach Arbeitshöhe wird die Aufenthaltsdauer auf der Leiter geregelt. Bei einer Standhöhe von über zwei Metern sollten Arbeiten beispielsweise zwei Stunden nicht übersteigen und nur von Stufen oder einer Plattform aus erledigt werden. Plattform- oder Podestleitern bieten in dieser Hinsicht einen sicheren Stand und minimieren das Unfallrisiko entsprechend. Sprossenleitern sollten dagegen nur noch als Verkehrsweg eingesetzt werden. Allerdings haben tragbare Leitern den besonderen Vorteil, dass sie mobil und flexibel sind.
Besonderheiten bei fahrbaren Hubarbeitsbühnen
Bei fahrbaren Hubarbeitsbühnen greift die DIN EN 280, die sich unter anderem auf die Maschinenrichtlinie 2006/42/EG der Europäischen Union bezieht. Die entsprechenden Anforderungen sorgen im Einsatz für den erforderlichen Sicherheitsstandard, um Abstürze zu vermeiden. Nach dem Grundsatz 308-002 der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung sind bei fahrbaren Hubarbeitsbühnen Prüfungen in Abständen von maximal einem Jahr vorgesehen. Bei ihnen sind ebenfalls im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung Risiken und gegebenenfalls geeignete Schutzmaßnahmen zu ermitteln. Insbesondere bei Auslegerbühnen kann der sogenannte „Peitscheneffekt“ oder auch „Katapulteffekt“ entstehen, wenn der Arbeitskorb weit vom Schwerpunkt der Gesamtkonstruktion entfernt ist und durch Erschütterungen ein starkes Schwenken des Korbs entsteht. Geeignete Schutzmaßnahmen in Form von Persönlicher Schutzausrüstung (PSA) gegen Absturz sind daher einzurichten und an geeigneter Stelle am Anschlagpunkt zu befestigen.
Sicher ohne externe Stromversorgung
Neben klassischen Hubarbeitsbühnen (wie beispielsweise LKW-, Anhänger-, Raupen- oder auch Teleskop-Arbeitsbühnen) sind auch Lösungen auf dem Markt erhältlich, die alle Vorteile einer Leiter (mobil und flexibel) mit dem Sicherheitsstandard der Hubarbeitsbühnen kombinieren und nicht auf eine externe Stromversorgung angewiesen sind. So kann beispielsweise der Liftmaster U von Zarges völlig autark von jeglicher Stromversorgung problemlos per Muskelkraft betrieben und damit auf eine maximale Arbeitshöhe von 4,3 Metern ausgefahren werden. Der Hebemechanismus erfordert nur einen geringen Kraftaufwand und die zweiflügelige Sicherungstür ermöglicht außerdem einen leichten Einstieg. Danach sorgen ein Korb mit umlaufendem Geländer und der obligatorische PSA-Anschlagpunkt für eine sichere Auf- und Abfahrt und die Möglichkeit, beidhändig Arbeiten durchzuführen. Anders als herkömmliche Bühnen ist der LiftMaster zudem äußerst mobil und leicht, sodass dieser auch auf Böden mit geringer Tragfähigkeit eingesetzt werden kann. Durch die Leichtlaufrollen lässt sich der Lift ohne großen Widerstand verschieben und durch seinen engen Fahrradius sogar um 90-Grad-Kurven manövrieren.
Fazit
Planung ist das A und O bei Arbeiten in der Höhe. Schon bei der Auswahl des passenden Equipments kann möglichen Gefahren vorgebeugt werden, damit sicheres Arbeiten ermöglicht wird. Dabei bestimmen der Arbeitszweck und -ort, die Witterungsbedingungen und die Höhe, welche Steigtechnik und Sicherungsmaßnahmen benötigt werden. Um Arbeitsunfällen langfristig noch besser vorbeugen zu können, werden Regelwerke künftig weiter konkretisiert und verbessert. In Kombination mit dem Entwicklungs- und Innovationspotenzial der Hersteller sind daher immer sicherere Lösungen zu erwarten, die das Arbeiten in der Höhe erleichtern.
Business Partner
Zarges GmbHZargesstraße 7
82362 Weilheim
Deutschland
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