Die Zukunft der Gefahrstofflagerung

„Cemo“ dieser Name steht seit über 60 Jahren für sicheres Lagern, Fördern und Dosieren. Doch gerade in der Gefahrstofflagerung ist durch den massiven Einsatz von Lithium-Akkus in praktisch allen Wirtschaftsbereichen vieles in den vergangenen Jahren in Bewegung geraten. Zugleich mangelt es gegenwärtig an einer übergreifenden und verbindlichen Norm, wenn es z. B. um die Prüfanforderungen für feuerwiderstandfähige Lagerschränke für abnehmbare Lithium-Ionen-Batterien geht. Ein Umstand, der nicht zuletzt auf Verbraucherseite für viel Unsicherheit sorgt. Daher hat GIT SICHERHEIT Eberhard Manz, Managing Director und Geschäftsführer, sowie Jonas Sigle, Produktentwickler bei Cemo zum Interview gebeten.

GIT SICHERHEIT: Herr Manz, wie ist die Cemo-Gruppe in der Gefahrstofflagerung positioniert und welchen Beitrag kann Cemo leisten?

Eberhard Manz:
Die Cemo-Gruppe mit ca. 300 Mitarbeitenden ist in den letzten 20 Jahren um durchschnittlich 7 % p. a. gewachsen. Vom Umsatz werden 5 % p. a. in die Produktentwicklung investiert.

Seit Jahrzehnten konzentriert sich die CEMO-Gruppe auf das Grundbedürfnis „sicher Lagern“. In der Gefahrstofflagerung unterscheiden wir drei Bereiche:

  • W-Safe (Gewässerschutz)
  • Li-Safe (Akkusicherheit)
  • F-Safe (Brandschutz)

Wir wollen durch Problemlösungen und echte Innovationen unseren Beitrag für ein gutes Morgen leisten. Insbesondere beim Thema Akkusicherheit Li-Safe ist noch viel Verständnis-, Entwicklungs-  und Aufklärungsarbeit notwendig.


Wenn es um die Lagerung von Lithium-Ionen-Akkus geht, ist im Moment viel in Bewegung. Gerade weil es sich mittlerweile um ein Alltagstechnologie handelt, sind sich viele Menschen der damit verbundenen Gefahren häufig nicht bewusst. Wie bedeutsam ist das Thema für Cemo auf strategischer Ebene und wie hat sich Ihr Unter­nehmen dazu aufgestellt?

Eberhard Manz:
In regelmäßigen Strategiesitzungen untersuchen wir Mega-Trends und stellen uns die Frage, ob die Cemo-Gruppe einen Beitrag leisten kann. Bereits in 2016 haben wir eine Abteilung „Li-Safe“ als Start-Up gegründet. Diese Abteilung beschäftigt sich ausschließlich mit dem Thema Akkusicherheit und hat wertvolles Wissen und praktische Erkenntnisse gesammelt. Die wichtigste Frage war und ist: „Wie können wir Anwender im Umgang mit Li-Batterien korrekt beraten und konkret unterstützen, wenn es um das Lagern, Laden, Transportieren und Separieren geht?“

Die Zusammenarbeit mit verschieden Prüfinstituten sowie zahlreichen Batteriebrand-, Brand- und Explosionstests hat uns den Weg aufgezeigt. Gleichzeitig engagieren wir uns in Gremien und Ausschüssen, um den Stand der Technik gemeinsam weiterzuentwickeln.


Herr Sigle, als Produktentwickler sind Sie die Speerspitze im Innovations­prozess bei Cemo. Wie sieht die Arbeitsweise in der Entwicklung bei Cemo aus?

Jonas Sigle:
Zu Beginn eines jeden Entwicklungsprojektes steht eine Problemstellung oder eine (Kunden)Anforderung, die zu einer neuen Produktidee führt. Speziell bei den Li-Safe-Produkten haben wir zu Beginn eine Risikoanalyse durchgeführt und uns folgende Fragen gestellt: „Welche Gefahren gehen grundsätzlich von Lithium-Akkus aus? Und wie werden die Akkus in der Praxis gelagert, geladen, transportiert und separiert?“ Dabei haben wir festgestellt, dass vielen Anwendern das Gefährdungspotential von Lithium-Akkus nicht bekannt ist. Lithium-Akkus müssen aber wie andere Gefahrstoffe behandelt werden. Ein Leitfaden ist die Technische Regel für Gefahrstoffe TRGS 510.

Infolge mechanischer Beschädigung, unsachgemäßem Laden oder Überhitzen kann sich ein Lithium-Akku entzünden, was zum Austritt von toxischen Rauchgasen und explosionsartigen Stichflammen führt. Dieser „Thermal Runaway“ lässt sich nicht aufhalten. Sprich, Batteriebrände können de facto nicht gelöscht werden. Die meisten Brandfälle entstehen während des Ladevorgangs. Als erste und wichtigste Schutzmaßnahme empfehlen wir daher die Trennung von Lagern und Laden. Ebenso sollte die gelagerte Menge je Lagereinheit auf das notwendige Minimum reduziert werden. Heißt im Klartext, der Schrank muss für die Anzahl der gelagerten Akkus ausgelegt sein.

Der sogenannte Batteriebrandtauglichkeitsindex wurde von uns als Indikator für die Sicherheitsklassifizierung unserer Produkte zu Grunde gelegt, um die Schutzfunktionen und die Produktqualifizierung darzustellen. Wichtig ist die auf das Gefährdungsverhalten von Lithium-Akkus zugeschnittene Produktqualifizierung. Die Feuerwiderstandsfähigkeit des Schrankes (z. B. 90 Minuten) ist dabei von untergeordneter Bedeutung, da Akku-Brände mit einem kurzen, aber heftigen Temperaturanstieg ablaufen. Für Akku-Schränke gibt es bis jetzt keinen standardisierten Prüfgrundsatz bzw. keine Produkt- oder Prüfnorm. Der Tüv Nord hat daher ein Zertifizierungsprogramm für Akku-Ladeschränke (Tüv Nord Baumustergeprüft) entwickelt, das uns überzeugt hat: Der Fokus der Zertifizierung liegt auf Realbrandversuchen und Explosionsversuchen, die das Brandverhalten von Lithium-Akkus wahrheitsgemäß abbilden. Unsere Akku-Schränke mit dem patentierten lockEX-System haben in diesen Tests gezeigt, dass sie einer Gasexplosion im Inneren des Schrankes ohne Probleme widerstehen.

Mit dem Anstieg der Nutzung von Lithium-Batterien nimmt auch das...
Mit dem Anstieg der Nutzung von Lithium-Batterien nimmt auch das ­Gefährdungspotenzial zu. Cemo bietet eine Vielzahl von Lösungen für das sichere Management von Energiequellen. © Cemo

Zumeist sprechen wir recht unterschiedslos von Lithium-Ionen-Akkus. Dabei ist Akku, natürlich nicht gleich Akku. In Zukunft wird es zudem wohl noch mehr unterschiedliche Typen als jetzt geben. Was bedeutet das mit Blick auf die sichere Lagerung?

Eberhard Manz:
Ähnlich wie wir bei Kraftstoffen hinsichtlich der Gefährdung Benzin, Diesel und Kerosin unterscheiden, werden wir zukünftig das Gefährdungspotential der verschiedenen Zellchemien unterscheiden. Diese Erkenntnisse werden sich konsequenter Weise auch in der Produktentwicklung von Cemo auswirken.

Jonas Sigle: Im Entwicklungsprozess ist die Zusammenarbeit mit Experten und Prüfinstituten von großer Bedeutung, um „am Ball zu bleiben“ und den aktuellsten Stand der Technik abzubilden. Die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) ist die für die Zulassung von Gefahrgutverpackungen zuständige Bundesoberbehörde in Deutschland.

Die BAM hat bereits unzählige Brandversuche durchgeführt, ausgewertet und daraus eine Klassifizierung der Zellchemien erarbeitet. Level 4 ist dabei die gefährlichste, am heftigsten reagierende Zellchemie. Die Prüfungen an unseren Akku Lager- und Ladeschränken haben wir mit den heftigsten Zellchemien (NMC und NCA) durchgeführt, um genau dieses Worst-Case-Szenario abzubilden. Neben der Zellchemie an sich ist der Energiegehalt eines Akkus entscheidend. Diese Energie lässt sich aus dem Produkt der Spannung (V) und der Kapazität (Ah) berechnen.


Bereits in der Einleitung zu diesem Interview wurde auf die problematische Lage bei der Normsetzung in Bezug auf Lagerschränke für Lithium-Ionen-Akkus hingewiesen. Nun wurde von Seiten des VDMA das Einheitsblatt 24994 entworfen, um diese Lücke zu schließen. Welche Rolle kommt Cemo im gegenwärtigen Prozess zu? Welche Hoffnung verbinden Sie mit dem Einheitsblatt?

Jonas Sigle: Cemo arbeitet aktiv in der Normungsarbeit mit und nimmt an den Einspruchssitzungen zum VDMA-Einheitsblatt 24994 teil. Das Einheitsblatt soll in diesem Jahr veröffentlicht werden. Ausgehend von dem VDMA Einheitsblatt erhoffen wir uns einen europäischen Normierungsprozess. Durch diese Standardisierung erhalten die Verbraucher Orientierung und Investitionssicherheit. Der Stand der Technik beim Lagern und Laden von Lithium-Ionen-Akkus wird dokumentiert und transparent. Die Unsicherheit weicht und die Folgen von vielen Akkubrände können minimiert werden.


Zum Abschluss lassen Sie uns noch einen Blick in die nähere Zukunft werfen. Was muss getan werden, um die Gefahren im Umgang mit Li-Akkus zu reduzieren und welche Aufgaben ergeben sich für Cemo?

Eberhard Manz:
Mit unseren Lager- und Transportsystemen entwickeln wir Produktlösungen, die Anwendern im Arbeitsalltag optimale Lösungen für einen reibungslosen Betriebsablauf bieten. Aber es ist noch viel Aufklärungsarbeit nötig. Denn ohne Aufklärung keine Umsetzung in der Praxis. Getreu unserem Motto „für sicheres Lagern“ arbeiten wir aktiv an der sicheren Zukunft im Umgang mit Li-Akkus. Mit unserer Cemo-Akademie und unserem Außendienst werden wir aufklären, erklären und unterstützen.
 

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