Drägerwerk: Grau, blau, türkis, grün - Wie der Umgang mit Wasserstoff zu einer sicheren Sache wird
Die Energieversorgung befindet sich im Wandel: Fossile Brennstoffe sollen durch erneuerbare Energien abgelöst werden.
Es entstehen ganz neue Ökosysteme. So auch rund um Wasserstoff, der in der zukünftigen Energiewirtschaft eine große Rolle spielen wird – nicht zuletzt aufgrund seiner vielfältigen Anwendungsfelder in der Versorgung, der Industrie und der Mobilität. Die neuen Anwendungsbereiche bringen aber auch Herausforderungen für den sicheren Umgang mit dem kleinsten aller Atome mit sich. Oliver Bornholdt, Business Development Manager bei Dräger erklärt, worin diese bestehen, und mit welchen individuellen Sicherheitskonzepten Dräger seine Kunden unterstützt.
GIT SICHERHEIT: Wasserstoff ist in den Medien ein sehr präsentes Thema. Was ist dran an dem Hype um Wasserstoff und ist er wirklich der Energieträger der Zukunft?
Oliver Bornholdt: Da Wasserstoff kein neues Thema ist, würde ich ihn nie als Hype bezeichnen. Wasserstoff wird seit Jahrzehnten in der Industrie verwendet. Neu sind die Anwendungen, die von der Industrie bis in den privaten Sektor reichen. Wasserstoff ist ein sehr nachhaltiger Energieträger mit großem Anwendungspotenzial, der durch hohe Investitionen vorangetrieben wird. Letztlich um den Klimawandel in den Griff zu bekommen.
In Punkto Nachhaltigkeit gibt es je nach Art der Wasserstoff-Gewinnung doch aber Unterschiede.
Oliver Bornholdt: Das stimmt. Wasserstoff wird in Farben geclustert. Der graue Wasserstoff wird aus fossilen Brennstoffen, zum Großteil aus Erdgas, durch eine Dampfreformierung produziert. Das entstehende CO2 wird anschließend in die Atmosphäre entlassen, was natürlich alles andere als nachhaltig ist. Dann gibt es den blauen Wasserstoff, auch aus fossilen Energieträgern gewonnen. Das CO2, das sich abspaltet, wird aber unter der Erde gespeichert oder komprimiert. Beim türkisen Wasserstoff wird Erdgas in Wasserstoff und festen Kohlenstoff gespalten, der dann weiterverarbeitet werden kann. In aller Munde ist der grüne Wasserstoff. Dabei wird Strom aus Wind-, Solar- oder Wasserkraft genutzt, um per Elektrolyse aus Wasser Wasserstoff und Sauerstoff zu gewinnen.
Viele Unternehmen greifen trotzdem noch auf fossile Brennstoffe zurück. Woran liegt das?
Oliver Bornholdt: Das kommt durch die schiere Energiemenge, die wir als Konsumenten oder in der Industrie brauchen. Das lässt sich nicht in kurzer Zeit mit regenerativen Energien lösen. Das wäre natürlich wünschenswert, entspricht aber leider nicht der Realität. Wir können den Prozess nur beschleunigen, sind aber leider auf fossile Energieträger angewiesen. Wir können das entstehende CO2 außerdem über Millionen Jahre speichern, statt es in die Atmosphäre zu entlassen – in der Hoffnung, dass wir den Klimawandel in den Griff bekommen. Das wird bereits stark gefördert.
Ein weiterer Grund könnte die fehlende Erfahrung im Umgang mit Wasserstoff sein, der zum Beispiel sehr explosiv ist. Welche Herausforderungen gibt es noch?
Oliver Bornholdt: Wasserstoff hat einige physikalische Besonderheiten. Es ist das am meisten vertretene Element im Universum. Aber Wasserstoff ist geruchlos, farblos, deutlich leichter als Luft und hat eine deutlich niedrigere Zündenergie als beispielsweise Methan. All diese Eigenschaften bringen natürlich Sicherheitsherausforderungen mit sich, über die noch eine große Unsicherheit herrscht, gerade bei den neuen Akteuren. Hier müssen wir beraten und Lösungen je nach Applikation entwickeln.
Wie sollten Unternehmen sich verhalten? Welche Präventionsmaßnahmen schlagen Sie vor?
Oliver Bornholdt: Zunächst sollten Unternehmen sich anschauen, welche Risiken bei der eigenen Anwendung vorliegen. Hier beginnt für uns die Beratung. Basierend auf diesen Risiken können entsprechende Lösungen entwickelt werden. Die fangen beim Training der Mitarbeiter an, gehen über den Explosionsschutz und die Gasmesstechnik, in der wir unser Kerngeschäft haben, bis hin zu Randbereichen, die wir selbst nicht abdecken, aber die wir als Ergebnis eines Risikomanagements vorschlagen.
Wie kann ich denn rechtzeitig erkennen, dass Wasserstoff austritt?
Oliver Bornholdt: Wir reden hier in der Regel über Hochdruckanwendungen. Aufgrund seiner geringen Molekülgröße und seiner niedrigen Viskosität kann Wasserstoff da schnell austreten. Das können wir nicht hören. Die Frequenzen befinden sich im Ul-traschallbereich, nicht wahrnehmbar für das menschliche Ohr. Das übernehmen Ultraschallsensoren. Da das Gas zudem geruchlos ist, kommen je nach Anwendungsfall elektrochemische Sensoren zum Einsatz. Auch eine Flammendetektion spielt eine Rolle. Die Flamme von Wasserstoff ist sehr blass und bei Tageslicht kaum oder gar nicht sichtbar. Sie gibt aber eine erhebliche ultraviolette Strahlung ab, auf die spezielle UV-Detektoren hinweisen.
Welche Rolle spielt die Verortung der Gaswarntechnik?
Oliver Bornholdt: Die kann lebenswichtig sein. Wird ein Sensor in einer Höhe angebracht, in der sich Wasserstoff gar nicht sammeln kann, wird es nie zu einem Alarm kommen. In Innenräumen sammelt sich Wasserstoff in der Regel an der Decke an. Dort muss dann auch die Sensorik sitzen. Sonst kann ein kleiner Zündfunke bereits zu einer großen Verpuffung oder einer Explosion führen. Aber auch, wenn noch andere Gase auftreten können, ist das sogenannte Sensor-Placement ein wichtiger Aspekt der Beratung. Ein Lüftungskonzept muss in Innenräumen ebenfalls betrachtet werden.
Unterm Strich: Bringt Wasserstoff mehr Vorteile oder Nachteile mit sich?
Oliver Bornholdt: Ich bin davon überzeugt, dass die Vorteile deutlich überwiegen. Die erwähnten Risiken lassen sich beherrschen. Man muss nur wissen, wie. Wasserstoff ist für uns kein neues Gas. Die Herausforderung ist es, in den neuen Sektoren und Anwendungen zu unterstützen. Dort gibt es Nachholbedarf. Wir stehen unseren Kunden beratend zur Seite und helfen dabei, mit den Herausforderungen umzugehen.
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