Einsatz von Videotechnik aus kriminalpolizeilicher Sicht
Der Markt für Video-Überwachungstechnik wächst weiter, denn Videotechnik findet gerade bei Sicherheitsanwendungen immer mehr Verbreitung. Die Gründe liegen auf der Hand: Es gibt ei...
Der Markt für Video-Überwachungstechnik wächst weiter, denn Videotechnik findet gerade bei Sicherheitsanwendungen immer mehr Verbreitung. Die Gründe liegen auf der Hand: Es gibt ein zunehmendes Sicherheitsbedürfnis - und die Einsatzmöglichkeiten moderner CCTV-Technik im privaten und öffentlichen Bereich sind gewachsen: Der Markt bietet neue intelligente Systeme mit höherem Leistungsvermögen, bessere Objektive sowie bessere Übertragungs- und Wiedergabemöglichkeiten. GIT SICHERHEIT betrachtet den Einsatz von Videotechnik für seine Leser aus kriminalpolizeilicher Sicht.
Die Lektüre der Polizeilichen Kriminalstatistik bietet uns ein zeitlich versetztes Bild des Zustands unserer Gesellschaft. Sie liefert ein klares Bild des Ausmaßes und der Formen von Kriminalität und ermöglicht damit die Einschätzung der Sicherheitslage im Land. Für das Jahr 2008 spricht diese Statistik von mehr als 6,1Mio. Straftaten, davon waren fast 2,5Mio. Diebstähle, fast 2,5Mio. Fälle von Straßenkriminalität, mehr als 1,1Mio. Einbrüche und über 210.000 Gewaltdelikte. Es gab 53.696 Raubdelikte, 543.514 Körperverletzungen, 239.951 Rauschgiftdelikte, 1.165.985 Betrugsdelikte, 84.500 Fälle von Wirtschaftskriminalität und 799.179 Sachbeschädigungen. Die Aufklärungsquote ist deliktspezifisch unterschiedlich, insgesamt betrug sie 54,8%. Von besonderer Wichtigkeit ist auch die jeweilige örtliche und regionale Kriminalitätslage, die durchaus von den statistischen Durchschnittswerten abweichen kann.
Zur Einschätzung der Sicherheitslage gehören auch aktuelle Bewertungen der Sicherheitsbehörden zur Terrorismusgefahr. Hier in Deutschland ist die Lage nach wie vor angespannt. Besonders aus dem Bereich von islamisch-terroristischen Gruppierungen sind je nach Nachrichtenlage und aktuellen Bezügen Anschläge nicht auszuschließen. Besonders die deutsche Beteiligung am Krieg in Afghanistan dient immer wieder als Motivation für mögliche terroristische Aktivitäten - auch auf deutschem Boden und auch gegen deutsche Einrichtungen und Firmen.
Eine Studie durch Corporate Trust in Zusammenarbeit mit dem Verlagshaus Handelsblatt, begleitet und unterstützt durch die Rechtsanwaltskanzlei Taylor Wessling, die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft Mazars Hemmelrath und RSA, the Security Divison of EMC, hat ein Gefahrenbarometer für 2010 für den Mittelstand erstellt. Darin heißt es u.a., dass die häufigsten Schäden den Unternehmen durch Diebstahl, Einbruch und Überfall entstehen und viele Mittelständler keine ausreichenden Sicherheitsstrukturen zur Bewältigung der verschiedenen Bedrohungen vorgesehen haben.
Bedarfsanalyse
Jedes Risiko und jede Bedrohung sollte unternehmensspezifisch analysiert und durch angemessenen Aufwand an Technik, Personal und Organisation minimiert werden. In den meisten Betrieben gibt es zwar einen Brandschutzbeauftragten bzw. eine Fachkraft für Arbeitssicherheit, jedoch keine ausreichenden Strukturen zur Bekämpfung von Diebstahl, Einbruch, Überfall, Betrug, Unterschlagung und Korruption. Solche Bedarfsanalysen sollten durch anerkannte Sicherheitsfachleute erstellt werden. Sie prüfen die bereits vorhandenen Sicherheitsmaßnahmen und bewerten den aktuellen Sicherheitsbedarf nach der Sicherheitslage und den individuellen Erfordernissen und Möglichkeiten. Auch die Planung einer Videoanlage setzt eine Bedarfs- und Sicherheitsanalyse beim zukünftigen Betreiber voraus, die dann der Errichter umsetzen muss. Schnell wird dabei deutlich, dass es in fast allen Branchen und für die meisten Sicherheitsanforderungen keine gleichwertige Alternative zur Videotechnik gibt, denn sie kann angemessene und wirtschaftlich sinnvolle Lösungen bieten und fügt sich in andere technische und personelle Sicherheitsmaßnahmen sinnvoll ein. Durch Miniaturisierung der Systemkomponenten, digitales Signal-Processing, Farbüberwachung rund um die Uhr, hochauflösende digitale Bildübertragung und -speicherung und besonders durch CCTV-Kompatibilität mit Standard-PCs ist nahezu jede Anwendung für Sicherheitsaufgaben möglich.
Einsatzgebiete und Möglichkeiten
Kaum eine Sicherheitstechnik ist so facettenreich einsetzbar und bietet nach Einsatzzweck und -gebiet so vielfältige Anwendungen wie die CCTV-Technik. Sie eignet sich u.a. für:
- Tor- und Eingangsüberwachung, Veranstaltungsschutz
- Freigelände- und Objektbewachung, Logistiksicherheit
- Objektsicherung in Museen, Galerien, Ausstellungen
- Überwachung von Geldinstituten und Geldautomaten
- Überwachung von Tankstellen, Sportstätten, Theater
- Diebstahlüberwachung im Groß- und Einzelhandel
- Überwachungen an Kriminalitätsschwerpunkten
- Überwachungen für den Daten- und Umweltschutz
- Überwachung im öffentlichen Personennahverkehr
- Verkehrs-, Parkplatz und Parkhausüberwachung
- Flug- und Seehäfen, Bahnhöfe (Homeland-Security)
- Vorbeugender Brandschutz und Brandfrüherkennung.
Kombination von CCTV-Technik und NSL
Intelligente und flexible Leitstellen- und Video-Management-Lösungen können eine Vielzahl objektspezifischer Anforderungen erfüllen. Sie helfen und ergänzen sich rund um die Uhr bei der Überwachung, Alarmierung, Übertragung, Aufzeichnung und Kommunikation. Ihre Stärken sind:
- Risikowahrnehmung, Zutrittskontrolle
- Überwachung großer Areale, Lagerstätten
- Kontrolle und Überwachung öffentlicher Räume, ÖPNV (Bahnhöfe und Fahrzeuge)
- Veranstaltungs- und Parkraumüberwachung
- Detektierung besonderer Ereignisse
- Erkennung untypische Bewegungsmuster
- Warnung vor schädlichen Einflüssen
- Alarmierung in Störfällen und bei Straftaten
- Meldung von Schadensereignissen.
Was soll vorher geklärt werden?
Vor Ort müssen zunächst alle Umgebungs- und Lagebedingungen sowie die Wünsche des Betreibers geklärt werden. Im zweiten Schritt sind die Ergebnisse der Bedarfs- oder Sicherheitsanalyse umzusetzen und in ein praktikables Sicherheitskonzept einzuarbeiten. Dann sind die nötigen Anforderungen an das Kamerasystem zu klären, wie z.B.:
- statisch oder schwenkbar, mit Zoom,
- einstellbare Privatzonen,
- für Innen- und Außeneinsatz,
- gegen Vandalismus + Wetter geschützt,
- mit intelligenter Videosensorik,
- mit Objekterkennung + Aufzeichnung,
- im Tag- und Nachteinsatz,
- Wärmebild, Perimeterdetektion,
- diskret, verdeckt oder offen,
- digital, drahtlos, hochauflösend,
- mit Aufschaltung auf Notruf- und Serviceleitstelle.
Erst nach Klärung dieser Punkte kann der Facherrichter seine Planungen vorlegen, die mit dem Gesamtkonzept abgestimmt sind und die eine Aussage über Investitions- und Personalkosten sowie Wartungsaufwand (Wirtschaftlichkeit) zulassen.
Videotechnik im öffentlichen Raum
Ursprünglich wurde Videotechnik im öffentlichen Raum lediglich für Übersichtsaufnahmen zur Verkehrslenkung und -überwachung verwendet. Heute ist Videotechnik unverzichtbar auch bei der Kriminalitätsprävention, Strafverfolgung und zum Veranstaltungsschutz. Auch der Objektschutz an öffentlichen Gebäuden oder der Schutz des öffentlichen Personennahverkehrs ist ohne Videotechnik nicht mehr denkbar. Nach ausführlicher und oft kontroverser öffentlicher Diskussion über die Zulässigkeit, den Datenschutz und den Nutzen finden sich Videoüberwachungsanlagen in allen größeren Städten. Sicherheitsfachleute und die Mehrheit der Bevölkerung sehen einen positiven Nutzen durch diese Anlagen an besonderen Kriminalitätsschwerpunkten. Zur Errichtung von CCTV-Anlagen im öffentlichen Raum sind besondere gesetzliche Voraussetzungen zu erfüllen, die Überwachung der Videoaufnahmen sollte durch Fachkräfte erfolgen, damit Interventionskräfte (Polizei) schnell eingreifen können.
Rechtliche Voraussetzungen
Die rechtlichen Rahmenbedingungen für den Einsatz von Videotechnik unterscheiden sich je nach Anwendungsbereich. Zu unterscheiden sind hier vor allem der öffentliche Raum, öffentlich zugängliches Privatgelände und der Arbeitsplatz.
Rechtliche Voraussetzungen für den öffentlichen Raum
Soweit Videoüberwachung so durchgeführt wird, dass keine auf konkrete Personen beziehbare Bilder anfallen und dies auch für die Erfassten erkennbar ist, gibt es keinen Grund zu rechtlichen Einschränkungen. Daher sind reine Übersichtsaufnahmen (Wetterlage, Verkehrsfluss) unbedenklich, wenn sich die eingesetzte Technik hierauf auch wirklich beschränkt. Sind jedoch Personen identifizierbar, dann ist Videoüberwachung nur zulässig, wenn die jeweiligen Länder-Polizeigesetze es zulassen. Dort ist in den meisten Bundesländern erforderlich, dass es die Sicherheitslage nach besonderer Lageeinschätzung der Polizei erfordert, dass die Kameras sichtbar aufgehängt sind, auf die Überwachung durch Schilder hingewiesen wird und die Aufzeichnungen nach einem festgelegten Zeitraum gelöscht werden.
Auf öffentlich zugänglichem Privatgelände
Hierzu zählen z.B.: Einkaufs- und Kongresszentren, Tiefgaragen, Ausstellungen, Groß- und Einzelhandelsgeschäfte, Kreditinstitute, Sport- und Veranstaltungsstätten. Die Überwachung dieser Bereiche durch den Eigentümer bzw. Betreiber wird durch §6b des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) geregelt. Danach ist Videoüberwachung nur zulässig, soweit sie zur Wahrnehmung des Hausrechtes oder anderer berechtigter Interessen erforderlich ist. Die Kameras sind sichtbar zu installieren, und es muss durch Hinweisschilder auf die Videoüberwachung deutlich hingewiesen werden.
Am Arbeitsplatz
Im Betrieb, auf dem Werksgelände oder als Zutrittskontrolle ist Videoüberwachung nur zulässig, wenn der Betriebsrat zustimmt (§87 BetrVerfG),
- keine Überwachung der Arbeitsleistung erfolgt,
- das Ehr- und Schamgefühl nicht verletzt
- wird (Umkleide-, Wasch-, Pausenräume),
- die Überwachung keine Wirkung auf Unbeteiligte (Nachbarn, Passanten) hat oder
- ein ganz konkreter Diebstahls- oder Unterschlagungsverdacht vorliegt.
Verboten sind
- Überwachung am Arbeitsplatz ohne Zustimmung der Arbeitnehmervertretung,
- Überwachung in Umkleidekabinen, Saunen, Waschräumen und Toiletten,
- Überwachung außerhalb des Firmengeländes, sofern damit Personen und Fahrzeuge identifiziert werden können,
- Verdeckte Überwachung im öffentlichen und privaten Bereich ohne Zustimmung der Betroffenen (Ausnahme: Maßnahmender Ermittlungsbehörden nach der StPO).
Videoüberwachung als Diebesfalle
Soll die Videoüberwachung als Diebesfalle dienen, ist zu beachten, dass dies nur zulässig ist, wenn
- der Dieb die Kamera beim Diebstahl selbst auslöst oder
- ein ganz konkreter Diebstahlverdacht besteht,
- Ehr- und Schamgefühle nicht verletzt werden und
- keine Unbeteiligten ohne ihre ausdrückliche Zustimmung beeinträchtigt werden.
Effizienz
Videoüberwachungsanlagen dienen der Sicherheit auf vielfältige Weise, denn sie verhindern Straftaten, helfen bei der Aufklärung und schützen Personen und Sachwerte. Sie erhöhen die Sicherheit durch flexible Einsatzarten in allen privaten und öffentlichen Bereichen. Die Videotechnik hat aus kriminalpolizeilicher Sicht bei nahezu allen Sicherheitsanwendungen einen unverzichtbaren Platz eingenommen. Die rasanten Innovationen in der Netzwerk- und Computertechnik sowie bei der Bildverarbeitung haben immer größeren Einfluss auf die professionelle Videoüberwachung. Sie ist - richtig eingesetzt - ein wesentlicher Bestandteil effizienter Sicherheitskonzepte.
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