Fitnesskur für die Zukunft
Jorge Pons Vorberg steht seit Anfang des Jahres als CEO an der Spitze der Time & Security Division der Azkoyen-Gruppe
Jorge Pons Vorberg steht seit Anfang des Jahres als CEO an der Spitze der Time & Security Division der Azkoyen-Gruppe. Als solcher ist er unter anderem verantwortlich für die Geschäfte der Primion Technology, die in diesem Jahr ihr 25jähriges Bestehen feiert. Matthias Erler von GIT SICHERHEIT sprach mit Jorge Pons Vorberg u. a. über den Umgang des Unternehmens mit der Corona-Krise und die neuen Geschäftsbereiche „Manufacturing“ und „Integration“.
GIT SICHERHEIT: Herr Pons, Sie sind für Primion ja bereits seit vielen Jahren in verschiedenen Funktionen tätig, zuletzt als Finanzchef, später (zunächst interimsweise) CEO für die gesamte Time & Security Division der Azkoyen-Gruppe, zu der Primion gehört. Gleich in die Anfangszeit in diesem Amt fiel nun die Pandemie, mit der wir am besten gleich mal beginnen: Wie erleben Sie diese Krise?
Jorge Pons: Diese Krise wirkt sich geschäftlich je nach Bereich ganz unterschiedlich aus – und zum anderen natürlich auf unsere Mitarbeiter. Geschäftlich gesehen sahen sich Primion und die Töchter in Europa vor große Herausforderungen gestellt, besonders in Spanien und Frankreich, wo das Geschäft zeitweilig coronabedingt stillstand. In Deutschland ging das Geschäft weiter, aber mit Einschränkungen. Den Auftragsrückgang von etwa 12 Prozent und einen Umsatzrückgang von 20 Prozent im Zeitraum März bis Mai, also während des Lock-Downs, konnten wir auffangen. In Deutschland, aber auch in Belgien konnten wir auf einen guten Auftragsbestand zurückgreifen. Die Gesundheit unserer Mitarbeiter und ihrer Familien steht an vorderster Stelle. Das bedeutet zum Beispiel, dass, wo möglich, im Home-Office gearbeitet werden konnte. Zumindest in Deutschland brauchten wir nicht auf Kurzarbeit zurückzugreifen. Insgesamt haben wir zum Glück in der Belegschaft nur sehr wenige Fälle, bei denen das Virus positiv getestet wurde.
Welche Veränderungen sehen Sie bei Ihren Kunden und im Sicherheitsmarkt im Allgemeinen?
Jorge Pons: Wir beobachten bei unseren Kunden eine deutliche Veränderung in den Anforderungen für die Identifizierung von Besuchern im Unternehmen. Auch werden neue Arbeitsmodelle entwickelt. Der Trend zum Work-Life-Blending bekommt unter Corona-Bedingungen eine höhere Relevanz – das betrifft nicht nur die Zeiterfassung. Auch beim Zutritt brauchen wir flexiblere Lösungen in den Berechtigungen, die auf die ortsunabhängigere Arbeitsweise der Mitarbeiter Rücksicht nimmt. Die Software muss diesen gesamten Workflow und alle veränderten Prozesse abbilden. Das alles muss schnell gehen, benutzerfreundlich und für den Administrator gut organisierbar sein. Der Mitarbeiter, der sich auf ein Schiff ins Mittelmeer zurückzieht, um dort eine Software zu programmieren, ist kein Exot mehr. Für den Arbeitgeber ist das ein machbares Modell – man muss es nur darstellen.
Diese Entwicklungen werden vermutlich auch langfristig unsere Arbeitswelt verändern?
Jorge Pons: Ja genau, denn hier geht es um die zuverlässige Vernetzung von Systemen. Für uns bedeutet das, dass wir unsere flexiblen Lösungen stetig weiterentwickeln. Es geht um die Konnektivität zwischen Türen, Ausweisen und Lesern. NFC und BLE spielen eine wichtige Rolle. Der Bedarf steigt – und wir werden die Antworten liefern. Ein weiteres Stichwort: Schnittstellen. Die vielen verschiedenen Sicherheitssysteme innerhalb eines Gebäudes müssen zusammenarbeiten und übersichtlich verwaltet werden können. Außerdem werden Biometrie und Videotechnik in der Zutrittskontrolle immer wichtiger. In Corona-Zeiten macht es z. B. Sinn, dass ein Mitarbeiter vor Betreten des Gebäudes seinen Ausweis an einen Leser hält, parallel dazu die angeschlossene Thermalkamera die Körpertemperatur misst und der Leser dann bei Überschreiten eines Grenzwertes den Zugang blockiert. Ähnliche Szenarien gibt es auch für externe Besucher. Wir setzen solche Lösungen verstärkt ein – insbesondere an internationalen Flughäfen mit großem Publikumsverkehr etablieren sie sich immer mehr. Langfristig werden aus unserer Sicht zwei Themen zunehmend wichtiger. Zunächst einmal das Identity-Management: Die Anforderungen an den Umgang mit persönlichen Daten, z. B. durch Ausweisverwaltungssysteme, werden immer größer. Hier geht es verstärkt um Sicherheitsüberprüfungen und Datensicherheit und nicht wie in der Vergangenheit nur um das Ausdrucken von Karten. Man möchte wissen, wer da ins Unternehmen kommt – das ist ein unabdingbarer Beitrag zur Sicherheit. Diese Notwendigkeit ist umso stärker, je größer das Unternehmen ist. Für Kritische Infrastrukturen gilt das zum Beispiel ganz besonders. Das andere ist das bereits erwähnte Thema Konnektivität.
Der Fokus liegt für Primion ja nach wie vor auf dem Zutrittsthema – neben der Zeiterfassung. Wie sind hier die Proportionen? Wird das auch künftig so bleiben?
Jorge Pons: Zutrittskontrolle und Zeiterfassung werden ergänzt durch unser PSM (Physical Security Management) und die Software für die Besucherverwaltung. Was das Volumen angeht, kann man sagen, dass Zutritt bei uns mehr als die Hälfte des Geschäftes ausmacht. Das liegt auch daran, dass bei Zutrittssystemen mehr Komponenten benötigt werden– wohingegen bei der Zeiterfassung die Dienstleistungen im Vordergrund stehen. Generell muss man aber anmerken, dass alle Lösungen individuell sind. Jedes Unternehmen hat eigene Prozesse. Es geht also nicht mehr so sehr darum, welche Zeiterfassungs- und Zutrittslösung besser ist, sondern darum wie gut und schnell diese an den jeweiligen Kundenprozess angepasst werden kann. Wir bewegen uns also in einer gegenseitigen Abhängigkeit von Menschen, Sicherheit und Prozessen. Letztere müssen effektiv und zuverlässig sein: neue Berechtigungen, mehr Türen, oder ein neuer Tarifvertrag.
Sie haben vor kurzem den neuen Geschäftsbereich „Integration“ eingeführt – den Rahmen dafür bildet eine Restrukturierung. Neben Integration sind das die Bereiche Manufacturing und Central Management. Welche strategischen Erwägungen stecken hinter dieser Entscheidung?
Jorge Pons: Zunächst einmal haben wir festgestellt, dass wir im Grunde zwei verschiedene Geschäftsmodelle betreiben: Auf der einen Seite steht der Bereich Manufacturing mit der Aufgabe, Produkte und Lösungen in enger Zusammenarbeit mit dem Kunden zu entwickeln und zu fertigen. Über den Bereich Integration werden die Kunden betreut und die Aufträge abgewickelt. Das umfasst unter anderem die Beratung in den Prozessen, das Projektieren usw. Durch die stärkere Trennung dieser beiden Bereich kann sich jede Seite besser auf ihre eigentliche Aufgabe fokussieren. Durch die Einführung einer dritten Einheit (Central Management) profitieren alle Beteiligten von erheblichen Synergieeffekten, da wir hier die Finanzen, das Marketing und die gesamte Administration für die Bereiche Integration und Manufacturing zusammenhalten. Außerdem ist diese neue Aufstellung auch Ausdruck unserer Werte bei Primion Technology.
Inwiefern?
Jorge Pons: Die neue Struktur stärkt unsere Kundenbindung, die Ergebnisorientierung und Teamarbeit, die Professionalität und das Vertrauen. Wir wollen Worthalten – und das setzt Fokussierung und Effizienz voraus. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können so noch gezielter und mit einem klaren Rollenverständnis noch effizienter arbeiten.
Welche Wachstumspläne verfolgen Sie in der näheren Zukunft – sei es organisch oder durch Zukäufe? Oder wollen Sie sich im Gegenteil von Bereichen trennen?
Jorge Pons: Unsere Priorität ist zurzeit erst mal die Restrukturierung im Sinne der eben besprochenen drei Einheiten. Wir wollen die Zeit der Krise so gut wie möglich nutzen, um uns verstärkt der Stabilisierung und Stärkung unseres Unternehmens zu widmen. Anschließend werden wir uns wieder Gedanken machen, wie es weitergeht und wie wir wachsen können.
Sie feiern bei Primion in diesem Jahr Ihr 25. Firmenjubiläum. Wie begehen Sie dieses erste Vierteljahrhundert?
Jorge Pons: Größeren Feiern steht leider in der Tat die Corona-Krise im Wege. Wir hoffen, dass die Bedingungen im kommenden Jahr günstiger sind und wir die Feier dann nachholen können. Aber auch wenn wir nicht feiern können: Wir sehen das Jubiläum als wichtigen Meilenstein und als Verpflichtung, unsere Erfolgsgeschichte in den nächsten mindestens 25 Jahren fortzuschreiben.
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