Fristads: Auf dem Weg zur Nachhaltigkeit in der Arbeitsschutzbekleidungs-Branche
Nachhaltigkeit ist der Schlüsselbegriff der Unternehmensstrategie, die sich der schwedische Arbeitsschutzbekleidungshersteller Fristads gegeben hat. Der Traditionshersteller will seine Treibhausgasemissionen bis 2024 um die Hälfte senken und damit der Bekleidungsindustrie in ihrem Wandel vorangehen. GIT SICHERHEIT sprach darüber mit Lena Bay Højland, Product Director Fristads.
GIT SICHERHEIT: Frau Højland, Fristads ist ja fast 100 Jahre alt und damit ein traditionsreiches Stück schwedischer Wirtschaftsgeschichte: Seit 1925 stellt das Unternehmen Arbeitsbekleidung her – und es war sogar der erste schwedische Jeanshersteller. Geben Sie uns einen Überblick über das heutige Produktportfolio – insbesondere auch im Bereich PSA?
Lena Bay Højland: Das kann ich in drei Begriffen beschreiben: Ein breit aufgestelltes Portfolio, Innovation und Nachhaltigkeit. Wir bedienen weltweit verschiedene Industrien und Arbeitsbereiche – und Innovation heißt für uns, dass wir mit modern gestalteten, bedarfsgerechten und innovativen Geweben arbeiten. Unsere Produkte, die von den Nutzern selbst definiert werden, sprechen die Sprache des Endnutzers und sind immer aktuell, was Funktionalität und Schutz betrifft.
Der als Drittes genannte Aspekt der Nachhaltigkeit ist für uns besonders wichtig. Ganz generell orientiert sich unser Produktportfolio stark am Nutzen für den Träger. Obwohl wir einen starken Fokus auf einen modernen Look in einem zeitgemäßen Design legen, sehen wir von unnötigen, modisch inspirierten Diversifikationen ab, die unnötig das Klima belasten. Im Bereich Corporate Wear für z. B. Industrie und Handwerk finden alle Gewerke eine gute Produktbasis z. B. in der Skarup oder der neuen Kollektion Forsbo, die farblich fast jedes Gewerk und Unternehmen ansprechen. Es bleibt aber immer noch Workwear, die einen Zweck zu erfüllen hat.
Innovationen zum Beispiel in Form neuer Gewebe waren von Anfang an wichtige Treiber – dies setzt sich bis heute fort?
Lena Bay Højland: Auf jeden Fall. Innovationen rund um die Entwicklung von Rohstoffen sind heute noch wichtiger als früher. Die Materialien sollen leichter und komfortabler, dabei zugleich langlebiger sein als je zuvor. Nach Möglichkeit auch jeder Bestandteil den Regeln der Nachhaltigkeit folgen. Die Messlatte liegt also sehr hoch und wir investieren viel Zeit und Ressourcen in die Suche nach neuen Materialien und deren Erprobung. Gebrauchte Arbeitskleidung wandeln wir in neue um. Wir erforschen neue Techniken und arbeiten mit Lieferanten zusammen, die ihrerseits umweltfreundlichen Zielen und Verhaltensweisen folgen.
Nachhaltigkeit ist für sie also ein wesentlicher Gegenstand der Innovation, wie Sie gerade ausführten. Sie ist sogar das wichtigste strategische Ziel. Was streben Sie diesbezüglich genau an?
Lena Bay Højland: Wir streben an, das in der Branche nachhaltigste Sortiment anzubieten – nicht nur bezogen auf die Materialien, was vor allem hohe Haltbarkeit bedeutet. Wir entwickeln Modelle, deren Stil und Gestaltung möglichst lange in unsere Welt passt. Sie sollen mindestens ein Jahrzehnt lang aktuell sein und deshalb immer wieder ausgewählt werden, weil sie die Anforderungen der Nutzer vollständig erfüllen. Unser Ziel ist also ein Design mit Bestand, das gleichzeitig dem Corporate Look dient. Wir sind sicher, dass wir alles im Sortiment haben, was der Endverbraucher benötigt, aber auch nicht mehr. Weniger ist mehr. Kurzlebige Mode ist nach unserer Auffassung etwas anderes als Arbeitskleidung, sie hat andere Zwecke. Bei all dem muss man allerdings strenggenommen sagen, dass es nachhaltige Berufsbekleidung im Grunde nicht gibt. Wir bemühen uns aber, sie nachhaltiger zu machen. Und unser Ziel ist es, dass bis 2025 etwa 50 % unseres Stils aus nachhaltigeren Materialien hergestellt werden.
Nachhaltigkeit muss ja an sehr vielen Stellen ansetzen – es geht nicht nur um Materialien, sondern auch um Produktionsprozesse, Energieeinsatz, Transport, etc. Wo sind die effektivsten und effizientesten Stellschrauben für das Ziel der Nachhaltigkeit?
Lena Bay Højland: Die Umweltproduktdeklaration EPD hat gezeigt, dass die für die Nachhaltigkeit am stärksten ins Gewicht fallenden Faktoren in der Produktion und dem Färben der Stoffe zu verorten sind. Die EPD ist für unsere Arbeit ein sehr wichtiges Instrument. Sie bringt Licht ins Dunkle in Form von Messwerten und allem was es uns ermöglicht, nachhaltige Entscheidungen zu treffen.
Ein Stoff beispielsweise, der aus recyceltem Polyester besteht, ist nicht unbedingt nachhaltiger als einer aus neuem Polyester, wenn dieser unter Verwendung nachhaltiger Energiequellen und Färbetechniken produziert wird. Deshalb braucht man Informationen und Messwerte. Sonst führt man den Endverbraucher in die Irre. Das lässt sich vergleichen mit dem Kauf eines Speiseeises – man weiß, dass es kalorienreicher ist als eine Frucht. Soll es sich laut Hersteller um ein Diäteis handeln, muss er das durch die Angabe der Kalorienzahl beweisen. Dadurch kann der Verbraucher vergleichen. Aber wie ist das bei recyceltem Polyester im Vergleich zu neuem? Welche Emissionen gibt es jeweils? Woher soll der Verbraucher das wissen?
Wie vertragen sich Funktionalität von PSA und Nachhaltigkeit miteinander? Wo sehen Sie die Grenzen der Nachhaltigkeit?
Lena Bay Højland: Entscheidend sind hier die Stichworte Qualität und Wiederverwertbarkeit. Nicht alle recycelten Materialien haben das gleiche Qualitätsniveau – und wir müssen gerade das zu 100 Prozent sicherstellen. Bei der Wiederverwertbarkeit muss man sehen, dass Arbeitskleidung aus vielen Elementen, Verstärkungen und dergleichen besteht. Die Möglichkeit zu schaffen, all das wieder in neue Arbeitskleidung zu verwandeln, ist die Herausforderung vor der wir stehen. Stretchelemente sind sehr wichtig – aber es ist sehr schwierig, wenn nicht fast unmöglich, sie zu recyceln.
Eine weitere Herausforderung ist der Prozentsatz zu dem wir Abfälle für neues Material verwenden können. Es muss auf das hohe Qualitätsniveau gebracht werden, das wir generell liefern und darf nicht zu Kompromissen führen. Wir müssen im Gegenteil immer noch höhere Qualität liefern.
Die Qualität unserer Arbeitskleidung eröffnet allerdings noch eine weitere Möglichkeit – nämlich die Weiternutzung gebrauchter Modelle. Viele nutzen ihre Sachen nicht ab. Deshalb kann man sie wieder aufarbeiten und ihnen ein zweites Leben innerhalb des jeweiligen Unternehmens geben, für das es designt wurde.
Trofta und Stiby heißen aktuelle Warnschutzkollektionen von Fristads. Könnten Sie sie einmal kurz vorstellen?
Lena Bay Højland: Es handelt sich dabei um die ersten Warnschutz-Kollektionen auf dem Markt ohne PFAS. Sie sind industriell waschbar und entsprechen dem EPD-Standard. Sie kommen mit Semi-Stretch und Stretch aus natürlichen und nachhaltigen Materialien. Sie wurden zusammen mit Endverbrauchern entworfen und mit den von ihnen gewünschten Eigenschaften ausgestattet. Sie wurden außerdem in enger Zusammenarbeit mit Wäschereien entwickelt, um sicherzustellen, dass die Produkte viele Waschgänge aushalten und leicht repariert werden können. Das verlängert die Lebensdauer. Außerdem haben wir ein intelligentes System von Passgrößen entwickelt, dank dem man die perfekte Größe bei maximalem Komfort aussuchen kann.
Wie viele Reinigungszyklen sind denn möglich – und wie lassen sie sich erhöhen?
Lena Bay Højland: Das hängt vom Kleidungstyp ab. Winterjacken wäscht man beispielsweise höchstens einmal im Jahr. Manche waschen sie überhaupt nicht. Solche Kleidungsstücke testen wir für bis zu 25 Waschgänge. Bei den Hosen gehen wir von 50 Zyklen aus. Dem liegen Statistiken über das durchschnittliche Nutzerverhalten zugrunde. Um möglichst viele Reinigungszyklen zu erreichen, testen wir die Arbeitskleidung gleichzeitig in der Praxis und in der Wäscherei. Deshalb dauert es etwa zwei Jahre, um eine neue Berufsbekleidungslinie zu entwickeln. Das ist kein Geschäft für Ungeduldige.
Blicken wir zum Abschluss noch in die nähere Zukunft. Was können wir an Neuigkeiten aus Ihrem Haus in nächster Zeit erwarten?
Lena Bay Højland: In diesem Frühjahr launchen wir eine weitere, völlig neue, nachhaltige Workwear-Kollektion. Sie heißt Forsbo und wurde für Industrie, Service und Handwerk entwickelt. Damit verdoppeln wir unser Engagement für umweltdeklarierte Arbeitskleidung im Corporate-Wear-Segment. Es handelt sich um ein Workwear-Konzept, das aus leichter, bequemer Kleidung mit klarem Design und moderner Passform besteht. Forsbo ist besonders gut geeignet für größere Unternehmen, in denen einheitliche Arbeitskleidung für den Teamgeist wichtig ist. Damit funktioniert die Kollektion genauso wir ihr großer Bruder Skarup, nur zu einem deutlich günstigeren Preis. Wir zeigen damit, dass eine nachhaltige Unternehmenslösung nicht teuer sein muss.
Ab Herbst veröffentlichen wir dann eine neue Multinorm-Kollektion mit besonders hohem Schutz gegen Störlichtbögen und erstklassigem Tragekomfort. Arbeitnehmer, die dem Risiko eines Störlichtbogens ausgesetzt sind, verdienen nicht nur ein Höchstmaß an Schutz, sondern auch einen hervorragenden Komfort. Die neue Multinorm-Kollektion mit Namen Talberget, zugelassen für Lichtbogenschutz der Klasse 2, bietet beides. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, die komfortabelste Multinorm-Kollektion mit Störlichtbogenschutzklasse 2 auf dem Markt zu entwickeln. Die neue Kollektion verfügt über einen inhärenten Flammschutz und wurde speziell mit Fokus auf Elektriker, Elektroingenieure und andere Arbeiter im Energiesektor entwickelt.
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