Funksysteme für sicherheitsrelevante Bereiche - Interview mit Marc Engel

Die Firma Telefunken Racoms transportiert eine deutsche Marken­tradition von mehr als hundert Jahren: Die Gründung von Telefunken im Jahre 1903 ist eng verknüpft mit der Entdeckung...

Die Firma Telefunken Racoms transportiert eine deutsche Marken­tradition von mehr als hundert Jahren: Die Gründung von Telefunken im Jahre 1903 ist eng verknüpft mit der Entdeckung der elektromagnetischen Wellen durch Heinrich Hertz Ende des 19. Jahrhunderts. Heute stellt das ­Unternehmen Funksysteme für eine Vielzahl sicherheitsrelevanter ­Bereiche her. Seit April dieses Jahres wurde im Rahmen einer Neustruk­turierung die beiden Geschäfts­bereiche Defense & Security sowie Train Communication neu definiert. Matthias Erler von GIT-SICHERHEIT.de sprach mit Marc von Engel, seit ­Beginn des Jahres Head of Sales & ­Marketing bei Telefunken Racoms.

GIT-SICHERHEIT.de: Herr von Engel, der Name Telefunken hat ja einen traditionsgeladenen Klang in Deutschland. Vermutlich werden die meisten aber immer noch eher Radios mit der Firma assoziieren. Ist das immer noch so? Und wie wichtig ist diese Tradition für Ihr Unternehmen?

Marc von Engel: Wir sind sehr stolz darauf, diesen Namen führen zu können, der seit dem Jahr 1903 in Deutschland und auf der Welt etabliert ist. So steht Telefunken für anspruchsvolle Produkt- und Systemlösungen, Zuverlässigkeit und Erfahrung - enorm wichtige Bausteine in der Kundenbeziehung.

Woher kommt der heutige Zusatz Racoms?

Marc von Engel: Dies ist schnell erklärt, da Racoms die Abkürzung für „Radio Communication Systems" ist. Wir führen diesen Zusatz seit dem Jahr 2000.

Sie haben seit Ihrer Umstrukturierung zum 1. April nur noch die zwei Geschäftsbereiche Defense & Security sowie Train Communication - statt der früheren Bereiche Defense, Homeland Security und Train Communication. Was ist der Hintergrund für diese Neuaufstellung?

Marc von Engel: Die Umstrukturierung war an sich nur ein konsequenter Schritt in Sachen Neuausrichtung. Aufgrund der vielen Synergieeffekte, die sich zwischen dem Bereich Defense und Homeland Security erzielen lassen, war eine Zusammenfassung der Aktivitäten zu einem Geschäftsbereich die logische Konsequenz. Sie müssen wissen, dass viele der Systeme, die im Bereich „Sicherheit" eingesetzt werden, ihren Ursprung im militärischen Geschäft haben und dort auch bereits verwendet werden.

Könnten Sie uns Beispiele dafür nennen?

Marc von Engel: Zum einen wäre hier das System Ilumminite aus der Light-Produktfamilie nennen. Die Abkürzung Light steht für Laser Imaging Gated Night Technology und neben der fixen Installation gibt es auch die bewegliche und kleinere Variante - das MobileLight. Waren bisher Wärmebildkameras das Mittel der Wahl, um nachts bei völliger Dunkelheit Informationen zu gewinnen, so hat diese Technologie doch ihre Grenzen. Zum einen können - wie der Name schon sagt - nur Wärmequellen dargestellt werden. Jegliche sonstige Informationen (Aufschriften/Nummernschilder, Menschen hinter Glas, z. B. in einem Auto sitzend, etc.) blieben bisher verborgen - nicht aber, wenn die Light-Technologie eingesetzt wird. Im Bereich des Küstenschutzes zum Beispiel können auf eine Entfernung von bis zu acht Kilometern Objekte entdeckt und identifiziert (Schiffsnamen) werden. Diese neuartigen, Laser-unterstützten Systeme verfügen nicht nur über eine exzellente Optik; die eingebaute elektronische Stabilisierung garantiert ein ruhiges Bild und das Wirkprinzip erlaubt es auch, durch Nebel, Regen Schnee oder Rauch hindurch zu sehen, ohne das Bild von dem beobachteten Objekt zu beeinträchtigen. Die mobile Variante kann bis zu einer Entfernung von 500 Metern eingesetzt werden. Da die gleiche Technologie zur Anwendung kommt, sind auch die Systemeigenschaften gleich: kein Überstrahlen durch Wärmequellen vor den observierten Objekten, Blick durch Glas (Fensterscheiben, Windschutzscheiben von Autos, Scheiben von Cockpits), keine Störung durch Regen, Schnee, Nebel oder Rauch.

Sie erwähnten in unserem Vorgespräch auch das System „Guardium"?

Marc von Engel: Auch das System Guardium kann sowohl im militärischen als auch im zivilen Bereich eingesetzt werden. Dieses Fahrzeug operiert wahlweise komplett autonom oder semi-autonom am Boden und wird bereits heute zur Grenz- und Objektpatrouille eingesetzt. Er handelt sich also um ein Roboterfahrzeug, geschaffen für die optimale Ausführung von Sicherheits-Routineaufgaben an Grundstücks- und Werks-Grenzen oder im Bereich von Flughäfen, Industrieanlagen, Kraftwerksarealen. Es ist „off-road"-tauglich, flexibel, intelligent und hat sich bereits im Dauereinsatz bewährt. Das Fahrzeug kann, je nach Kundenbedürfnissen, mit verschiedensten Sensoren und Effektoren bestückt werden - elektrooptische Aufklärungsanlagen, Radargeräte, nicht-letalen aber auch letalen Waffenstationen. Selbstverständlich können auch andere Plattformen (Fahrzeuge, Schiffe, etc.) zur Integration gewählt werden.

Welches proportionale Gewicht hat eigentlich insgesamt das ­Thema zivile Sicherheit bei ­Telefunken Racoms?

Marc von Engel: Unser Schwerpunkt liegt schon eher im militärischen Sektor - dort haben wir über lange Jahre unsere Erfahrungen gesammelt und ein entsprechendes Netzwerk aufbauen können. Das föderalistische System macht die Situation für kleine mittelständische Unternehmen nun aber auch nicht unbedingt einfacher. Es gibt hier einfach unheimlich viele Entscheidungsträger und Stellen, die einzubeziehen sind. Größere Beschaffungsvorhaben wie bei der Bundeswehr, die zentral gesteuert werden, findet man hier eigentlich nicht. Vielmehr sind die Projekte Ländersache oder liegen sogar auf noch tieferen Entscheidungsebenen. Nichtsdestotrotz positionieren wir uns nach wie vor als zuverlässiger Anbieter auf dem Markt für zivile Sicherheit und nutzen auch unsere Geschäftsbeziehungen zu unseren Partnern, um unser Kerngeschäft der Funkkommunikation mit deren Fähigkeiten zu kombinieren und zu erweitern. Das Thema Terrorismus beherrscht die Welt nach wie vor. Telefunken Racoms verfügt hier über viele Systeme, die sich im täglichen Einsatz auch im Ausland bereits bewährt haben und so gesehen „field proven" sind. Neben dem bereits beschriebenen Guardium und Light gibt es auch Systeme, die speziell auf die Bedrohung von Piraterie hin entwickelt worden sind.

Sicherheit für die Schiene

Was sind das genau für Systeme?

Marc von Engel: Das System Malis ist so ein Frühwarnsystem - generell geeignet zur Absicherung von gefährdeten Einrichtungen wie Schiffen aber auch einsetzbar an Häfen oder auf Flughäfen. Das portable System besteht aus einer variablen Anzahl an Sensoreinheiten, die entlang des Umfangs des zu schützenden Schiffes angebracht werden können. Für eine Rundumabdeckung sind mindestens vier Sensoreinheiten notwendig. Die Sensoreinheiten werden mit einer Schnellmontagevorrichtung an geeigneten Stellen nahe der Bordwand des zu schützenden Schiffes montiert. Alternativ ist eine Stativmontage für stationäre Anwendungen, wie z. B. Küstenschutz, auch möglich. Jede Sensoreinheit besteht aus dem eigentlichen Sensorkopf und einer Hilfseinheit, die im Wesentlichen die autarke Stromversorgung beinhaltet. Der Sensorkopf enthält Sensoren für die Rundumüberwachung sowie einen schwenkbaren lagestabilisierten Sensor für die Verifikation von erkannten Zielen. Alle Sensoreinheiten sind über drahtlose oder kabelgebundene Datenverbindungen mit einer Zentrale verbunden. Betrachten wir zudem den Programmbereich für Funk-Kommunikationssysteme für Züge, der bei uns unter dem Oberbegriff Traincom zusammengefasst ist, lässt sich feststellen, dass auch hier viele Synergieffekte erzielt werden können, indem Traincom-Technologie für Anwendung in dem Bereich der zivilen Sicherheit genutzt werden kann.

Was zeichnet diese Funk-Kommunikationssystem für Züge aus - auch im Vergleich zu Ihren ­Wettbewerbern?

Marc von Engel: Im Bereich Bahnfunk liefert die Firma über Betriebsleit- und Zugintegrationsfirmen breitbandige Kommunikationslösungen an Bahn- und Metrobetreiber. Unsere Lösung Traincom hebt sich durch höchste Zuverlässigkeit, Breitbandigkeit und Echtzeitfähigkeit von anderen Anbietern ab. Nach der Ausrüstung der chinesischen Transrapidstrecke bieten Auftragserfolge im europäischen Metromarkt Potenzial für Erweiterungen. Der Anteil am Gesamtgeschäft beträgt derzeit etwa 10 % mit Wachstumspotenzial. Unter dem Namen Traincom wurde eine Familie von Funkkommunikationslösungen für unterschiedliche Bahnsysteme entwickelt, welche alle nach einem ähnlichem Prinzip funktionieren, dabei jedoch auf die spezifischen Anforderungen dieser unterschiedlicher Bahnsysteme (z. B. ICE, U-Bahn oder Straßenbahn) angepasst sind.

Wie muss man sich das technisch im Einzelnen vorstellen?

Marc von Engel: Bei diesen Funksystem werden in sich vernetzte Funkstationen entlang einer Fahrstrecke positioniert, welche dann mit den jeweiligen Funksystemen auf den Zugfahrzeugen kommunizieren und eine breitbandige Datenübertragung zwischen Zug und Landseite ermöglichen. Während der Fahrt des Zuges wird dabei die Verbindung immer automatisch zur optimalen Funkstation unterbrechungsfrei umgeschaltet (Roamingverfahren), so dass die eigentlichen Benutzer bzw. Systemanwendungen den Wechsel überhaupt nicht wahrnehmen. Anwendungen, die diese kontinuierliche Funkübertragung nutzen, können sowohl operativen Zwecken des Zugbetreibers dienen, als auch rein für Passagierzwecke eingesetzt werden: Videoübertragungen in Echtzeit, Fahrgastinformationssysteme, Internet Onboard Services, Sprachdurchsagen, oder Steuer- und Überwachungsinformationen für fahrerlose Züge sind einige klassische Anwendungen in diesem Bereich. Diese Anwendungen nutzen parallel einen einzigen breitbandigen Übertragungskanal.

Was zählt zu den jüngsten Produkten und ­Neuerungen im Sicherheitsbereich?

Marc von Engel: Ein neues Produkt oder besser „System", welches auch in Bereichen der Sicherheit Einsatzszenarien findet, trägt den Namen Treebee. Es besteht aus robusten und teilweise energieautarken Komponenten (sog. Field Units), welche gemeinsam mit einer zentralen Instanz (Master Unit) ein sich selbst organisierendes Funknetzwerk (Mesh Netzwerk) bilden. An diese Field Units können verschiedenste Sensoren angeschlossen werden, deren Messwerte dann über das Netzwerk drahtlos zu einer zentralen Instanz gemeldet werden. Zusätzlich lassen sich die Field Units aber auch noch als Aktoren einsetzen, um z. B. Schaltaufgaben zu übernehmen.

Wo wird dieses System eingesetzt?

Marc von Engel: Die Einsatzmöglichkeiten sind schon aufgrund der großen Sensorenvielfalt überaus zahlreich, liegen jedoch vor allem dort, wo einsatzbedingt keine Kabelanbindungen eingesetzt werden können oder sollen (z. B. bei bewegten Objekten, für temporären Einsätze, für Anwendungen in abgeschlossenen Bereichen ohne Kabelzugang, bei hoher Sensordichte, bei hoher Einsatzflexibilität). Sicherheitstechnisch interessant ist somit auch eine Überwachungsanwendung in biotechnischen Laboren und explosionsgeschützten Bereichen, um dort Prozesse zu beobachten und ggf. auch einzugreifen.

Sie werben unter anderem mit „multikultureller", also internationaler Zusammenarbeit. Wer kann davon in welcher Weise profitieren?

Marc von Engel: Unser Hauptkunde im Bereich Defense & Security ist nach wie vor die Bundeswehr. Wir bieten neben kundenspezifischer Anpassentwicklungen der Produkte und der Auftragsabwicklung die qualifizierte Durchführung von Schulungen oder den reibungslosen After-Sales-Support. Ein wachsendes Potenzial sehen wir darüber hinaus bei der NATO und der EDA, die zwar bisher nur einen geringen Geschäftsanteil ausgemacht haben, aber zunehmend in unserem Fokus stehen. Betrachten wir den Bereich Traincom, agieren wir globaler und arbeiten dort auch mit vielen ausländischen Firmen zusammen.

Herr von Engel, Sie sind selbst seit Anfang des Jahres Head of Sales & Marketing. Was waren Ihre ersten Amtshandlungen und welche Pläne haben Sie für die nähere und fernere Zukunft?

Marc von Engel: Um eine optimale Kundenbetreuung sicherstellen zu können, wurden intern die entsprechenden Key-Accounts definiert. In den nächsten Wochen werden wir auch unseren Internetauftritt überarbeiten, der noch nicht das widerspiegelt, was in diesem Gespräch bereits an organisatorischen Veränderungen bekannt gegeben wurde. Wir blicken absolut positiv in die Zukunft und sind, auch und insbesondere aufgrund der mannigfaltigen Möglichkeiten, die unser Produktportfolio mittlerweile abdeckt, für die nächsten Jahre sehr gut aufgestellt.

Herr von Engel, besten Dank für das Gespräch.

 

Business Partner

Telefunken Radio Communication Systems GmbH & Co.KG

Eberhard-Finckh-Str. 55
89075 Ulm
Deutschland

Kontakt zum Business Partner







Meist gelesen