Gefährdungsbeurteilung für Gase
Marc Eder ist Sachverständiger für Gefahrstofflagerung sowie Brandschutz- und Sicherheitsbeauftragter. Als Referent für Experimentalvorträge bei Denios klärt er seit vielen Jahren ...
Marc Eder ist Sachverständiger für Gefahrstofflagerung sowie Brandschutz- und Sicherheitsbeauftragter. Als Referent für Experimentalvorträge bei Denios klärt er seit vielen Jahren ein breites Publikum aus Unternehmen, Behörden und Verbänden über die Risiken im Umgang mit Gefahrstoffen auf. Sein Beitrag für GIT SICHERHEIT befasst sich vor allem mit den Technischen Regeln für Gefahrstoffe TRGS 407 und TRGS 725, welche die sichere und richtige Durchführung der Gefährdungsbeurteilung behandeln.
Die Gefährdungsbeurteilung ist das zentrale Element im betrieblichen Arbeitsschutz. Sie ist die Grundlage für ein systematisches und erfolgreiches Sicherheits- und Gesundheitsmanagement. Nach dem Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) und der Unfallverhütungsvorschrift „Grundsätze der Prävention" (BGR A1 bzw. GUV-V A1) sind alle Arbeitgeber - unabhängig von der Anzahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter - dazu verpflichtet, eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen. §5 ArbSchG regelt die Pflicht des Arbeitgebers zur Ermittlung und Beurteilung der Gefährdungen und konkretisiert mögliche Gefahrenursachen und Gegenstände der Gefährdungsbeurteilung. §6 verpflichtet Arbeitgeber, das Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung, die von ihm festgelegten Arbeitsschutzmaßnahmen und das Ergebnis ihrer Überprüfung zu dokumentieren.
Wer führt die Gefährdungsbeurteilung durch?
Die Gefährdungsbeurteilung muss von einer fachkundigen Person durchgeführt werden. Diese hat ausreichende Kenntnisse über die gefährlichen Eigenschaften der verwendeten Gefahrstoffe und ist mit den Arbeitsabläufen und den auszuübenden Tätigkeiten vertraut. Sie kennt die Vorschriften, kann die Arbeitsbedingungen beurteilen und die festgelegten Schutzmaßnahmen während einer Tätigkeit bewerten. In der betrieblichen Praxis wird diese Aufgabe in aller Regel von Sicherheits-, Abfall-, Gefahrgut- und Brandschutzbeauftragten übernommen. Doch im Hinblick auf die Lagerung und den Umgang mit Gasen fällt es vielen dieser Verantwortlichen schwer, die Situation korrekt zu beurteilen.
Was ist die TRGS 407?
Grundsätzlich ist die TRGS 407 „Gefährdungsbeurteilungen für Gase" eine Ergänzung zur TRGS 400 „Gefährdungsbeurteilung für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen". Allerdings enthält sie einige für die Beurteilung von Gasen wichtige Definitionen wie z.B.:
- Gase im Sinne der TRGS 407 und gemäß CLP-Verordnung sowie Gefahrgutrecht sind Stoffe oder Gemische/ Zubereitungen, die
- bei 50 °C einen Dampfdruck von 300 kPa (3 bar) haben oder
- bei 20 °C und einem Standarddruck von 101,3 kPa vollständig gasförmig sind
- Gase sind, bezogen auf den Zustand nach Austritt, d. h. bei der jeweiligen Temperatur des Gases und dem Druck der Umgebungsatmosphäre,
- schwerer als Luft, wenn ihre Dichte > 1,3 kg/m3 ist
- gleich schwer wie Luft, wenn ihre Dichte ≤ 1,3 kg/m3 und ≥ 1,2 kg/m3 ist bzw.
- leichter als Luft, wenn ihre Dichte < 1,2 kg/m3 ist.
In der TRGS 407 wird der Begriff „Gas" im Sinne von „Gas und Gasgemisch" verwendet, andernfalls wird explizit darauf hingewiesen, z.B. durch die Verwendung des Begriffs „reines Gas" oder die alleinige Verwendung des Begriffs „Gasgemisch".
- Tiefgekühlt verflüssigte Gase sind Gase, deren flüssiger Zustand durch Kühlung, Verdampfung oder Wärmedämmung bei einer Temperatur gehalten wird, die unter der Temperatur der Umgebung liegt.
- Gasgemische sind Gemische, die der Definition für Gase der CLP-Verordnung entsprechen und die aus zwei oder mehreren Gasen oder ggf. auch Flüssigkeiten bestehen. Sie haben bei 50 °C einen Dampfdruck von mehr als 300 kPa (absolut) oder sind bei 20 °C und einem Standarddruck von 101,3 kPa vollständig gasförmig. Sie können auch einen oder mehrere kondensierbare Stoffe enthalten. Als kondensierbar gilt dabei jedes Gas mit einer kritischen Temperatur Tk ≥ - 50 °C und jede Flüssigkeit.
- Druckgasbehälter sind Druckbehälter für Gase, unabhängig vom Druck. Zum Druckgasbehälter gehören die Ausrüstungsteile, die dessen Sicherheit beeinflussen können. Es werden ortsbewegliche und ortsfeste Druckgasbehälter unterschieden.
- Druckanlagen im Sinne dieser TRGS sind Druckanlagen gemäß TRBS 2141, soweit sie für Gase bestimmt sind.
Gefährdungsbeurteilung von Gasen
Als erstes gilt es, die für die Gefährdungsbeurteilung wichtigen gefährlichen Eigenschaften der von im Betrieb eingesetzten Gase zu erkennen. Diese sind im Sicherheitsdatenblatt ersichtlich. Zusätzlich sind die einzelnen Gasflaschen seit 1. Juli 2006 mit der entsprechenden Kennzeichnung nach DIN EN 1089-3 versehen.
Zusätzliche Hilfestellung kann auch die farbliche Kennzeichnung der Gasflaschen geben. Allerdings dient diese farbliche Kennzeichnung ausschließlich als Hilfestellung und ist nicht verbindlich.
Zusätzlich müssen weitere Faktoren berücksichtigt werden, da der Umgang mit Gasen und Gasflaschen auch von folgenden Einflüssen beeinträchtigt werden kann:
- Explosionsgrenzen (OEG/UEG können bei erhöhter Temperatur/ Druck verschoben werden)
- Temperatur (kann zu Druckerhöhung im Druckgasbehälter führen)
- Chemische Eigenschaften (z.B. Instabilität)
- Selbstentzündlichkeit (erhöhte Brand-/ Explosionsgefahr)
- Korrosion (z.B. Schwefeldioxid, kann Behälter angreifen)
- Giftige Gase (z.B. Chlor)
- Erstickungsgefahr
- Gase schwerer als Luft (können sich in Bodennähe sammeln)
- Polymerisation
Dabei ist zu beachten, dass die Gefahren beim Umgang mit Gasen so vielfältig auftreten, dass an dieser Stelle nur einige der Einflüsse angegeben werden können. Eine genaue Analyse der Gefährdungen durch das zu beurteilende Gas müssen im Einzelfall vorgenommen werden.
Nachdem nun die Gefährdung durch das verwendete Gas analysiert und bewertet wurde, muss die Handhabung betrachtet werden. Dies schließt u.a. den innerbetrieblichen Transport und die Verarbeitung/ Handhabung durch die Mitarbeiter mit ein. Die folgenden Situationen beschreiben besondere Gefährdungen:
- Unbeabsichtigte Freisetzung (z.B. undichte Anschlüsse an Armaturen)
- Mischen von Gasen (z. B. bei Schweißarbeiten mit Acetylen/ Sauerstoff)
- Äußerliche Einwirkung auf den Druckgasbehälter (z. B. Umfallen)
- Unsachgemäße Wartung (z. B. Druckregler an der Armatur defekt)
- Abweichung vom vorgeschriebenen Einsatzzweck
Auch in diesem Zusammenhang können nur exemplarische Einflüsse aufgeführt werden.
Es ist nicht möglich, eine Standard-Gefährdungsbeurteilung für alle Gase zu erstellen. Jedes Gas muss einzeln betrachtet und entsprechend den Gefährdungen, die sich daraus ergeben, bewertet werden.
Vorschriften für die Gefährdungsbeurteilung
Eine Standard-Gefährdungsbeurteilung für alle Gase gibt es nicht - jedes Gas muss einzeln betrachtet und entsprechend den Gefährdungen, die sich daraus ergeben, bewertet werden. Zusätzlich sollten bei der Gefährdungsbeurteilung von Gasen die Techniker, Anwender oder Bediener mit einbezogen werden um eventuell Sichtweisen auf Gefährdungen zu erhalten, die vorher für den Ersteller der Gefährdungsbeurteilung nicht ersichtlich waren.
Grundsätzlich sind die Vorgaben der TRGS 400 und der TRGS 407 als Ergänzung für diese Gefährdungsbeurteilung verpflichtend. Neben der TRGS 407 gibt es zahlreiche andere Vorschriften, in denen Schutzmaßnahmen bei Tätigkeiten mit Gasen zu finden sind:
- TRGS 500 (Schutzmaßnahmen),
- TRGS 800 (Brandschutz),
- TRGS 526 (Laboratorien),
- TRBS 2141, alle Teile (Gefährdungen durch Dampf und Druck),
- TRGS 720, TRGS 721, TRGS 722 bzw. TRBS 2152, alle Teile (Gefährliche explosionsfähige Atmosphäre).
- TRGS 510 (Lagerung in ortsbeweglichen Behältern),
- TRGS 512 (Begasungen), TRGS 513 (Tätigkeiten an Sterilisatoren mit Ethylenoxid und Formaldehyd), TRGS 522 (Raumdesinfektionen mit Formaldehyd),
- TRGS 525 (Umgang mit Gefahrstoffen in Einrichtungen zur humanmedizinischen Versorgung),
- TRGS 528 (Schweißtechnische Arbeiten),
- TRGS 751 / TRBS 3151 (Vermeidung von Brand-, Explosions- und Druckgefährdungen an Tankstellen und Füllanlagen zur Befüllung von Landfahrzeugen),
- BGI 617 (Sauerstoff)