Herz und Kommerz
Das Jahr 2010 ist wieder „Interschutz"-Jahr. Als Einstimmung auf diese internationale Leitmesse für Rettung, Brand- und Katastrophenschutz und Sicherheit hat sich Matthias Erler vo...
Das Jahr 2010 ist wieder „Interschutz"-Jahr. Als Einstimmung auf diese internationale Leitmesse für Rettung, Brand- und Katastrophenschutz und Sicherheit hat sich Matthias Erler von GIT SICHERHEIT mit dem Präsidenten der Vereinigung zur Förderung des Deutschen Brandschutzes e.V. (vfdb) unterhalten. Die vfdb ist Partnerin der Interschutz und „ideeller" Aussteller. Hans Jochen Blätte berichtet über aktuelle Projekte seiner Vereinigung sowie über die Bedeutung der „Interschutz" für seine Branche.
GIT SICHERHEIT: Herr Blätte, lassen Sie uns zunächst eine kleine Zeitreise machen. Die Vereinigung zur Förderung des Deutschen Brandschutzes, der Sie als Präsident vorsitzen, blickt ja bereits auf eine beachtliche Historie zurück?
H. J. Blätte: Das ist richtig. Die vfdb ist ein paar Jahre nach dem 2. Weltkrieg 1950 in Stuttgart gegründet worden. Und unsere Väter waren dabei durchaus weise. Sie haben damals nämlich nicht nur die Feuerwehr, sondern alle wichtigen am Brandschutz interessierten Institutionen mit einbezogen. Dazu gehören Verwaltungen, also etwa Ministerien und alle Städte, die Industrie und Persönlichkeiten außerhalb der Feuerwehren, die sich mit dem Thema Brandschutz als Experten befassen.
Wie stark ist die Vereinigung heute?
H. J. Blätte: Wir haben derzeit etwas mehr als 2.000 persönliche sowie über 450 korporative Mitglieder. Zu den letzteren zählen unter anderem auch solche Unternehmen wie Mercedes Benz, VW, MAN, Iveco, Dräger usw., aber auch sehr viele im Brandschutz tätige Mittelstandsfirmen.
Geben Sie uns einen Einblick in die Arbeitsweise der Vereinigung?
H. J. Blätte: Wir sind als Verein organisiert, dem ein Präsidium vorsteht. Innerhalb des Vereins haben wir einen technischen wissenschaftlichen Beirat mit insgesamt 14 Themengruppen von Vorbeugendem Brandschutz über Werksicherheit und Umweltschutz bis hin zum Anlagentechnischen Brandschutzanlagen. Von Zeit zu Zeit werden auch Ad-hoc-Arbeitsgruppen gebildet, die sich mit speziellen Themen befassen.
Haben Sie ein aktuelles Beispiel?
H. J. Blätte: Wir haben z.B. eine Arbeitsgruppe, die sich mit dem Umgang mit den Medien und einem Erfahrungsaustausch auf diesem Gebiet befasst. Vor allem nach Großeinsätzen ist es wichtig zu wissen, wie die Kommunikation funktioniert und wie man nach einem Einsatz die Öffentlichkeit richtig informiert.
Herr Blätte, könnten Sie uns einmal einen Überblick zu den Aufgaben und Zielen geben, die sich Ihre Vereinigung gegeben hat?
H. J. Blätte: Die vfdb ist vor allem Förderin des Brandschutzes, wobei wir heute mit einem sehr weiten Brandschutzbegriff ausgehen, nämlich in dem Sinne, dass er alles umfasst, was die nichtpolizeiliche Gefahrenabwehr insoweit betrifft. Es geht also auch um Prävention, abwehrenden Brandschutz, technische Hilfeleistung, Rettungsdienst sowie um Brandschutzerziehung. Ganz wesentlich ist für uns auch die wissenschaftliche Förderung des Themas Brandschutz. Wir erarbeiten bspw. - unter Beachtung und Respektierung der bestehenden Normen - Richtlinien, die den Stand der Wissenschaft wiedergeben und verbreiten sollen. Solche Richtlinien gibt es z.B. für Gebäudeeinstürze für die Rettung von Menschen aus verunfallten PKW und im Zusammenhang mit Fragen der Ausbildung usw. Weitere wichtige Aufgaben der Vereinigung sind die Veranstaltung unserer wissenschaftlichen Jahresfachtagung sowie unsere bekannte vfdb-Zeitschrift. Dazu kommt eine Vielzahl von speziellen Projekten.
Welche Projekte laufen aktuell?
H. J. Blätte: Ein Projekt befasst sich z.B. mit der Evakuierung großer Menschenmengen aus Gebäuden und Straßen, ein anderes mit der Positionierung, also dem Lokalisieren und Finden von Menschen in Gebäuden im Brandfall. Wir arbeiten hier mit Hochschulinstituten zusammen, wobei unsere Aufgabe vor allem in der Beratung besteht, und darin, auf dem Praxisbezug der Forschung zu achten. Ein wichtiges Projekt ist derzeit die Schaffung einer Drohne für nichtpolizeiliche Einsätze. Sie soll sich über einer Einsatzstelle bewegen können, aber auch über Land fahren und messen, z.B. Gaswolken. Eine solche Drohne ist etwa z.B. bei Großbränden oder bei Waldbränden sehr nützlich.
Was ist der Vorteil gegenüber einem Hubschrauber?
H. J. Blätte: Die Vorteile liegen vor allem darin, dass die Kosten pro Flugstunde erheblich geringer sind, aber auch darin, dass Drohnen weniger Lärm verursachen. Wir arbeiteten hier mit Firmen wie Robowatch aus Berlin zusammen und jetzt mit Zeppelin in Friedrichshafen. Mit letzterer bauen wir gerade an einem kleinen, etwa zehn Meter langen und ferngesteuertem Zeppelin. Ein anderes wichtiges Thema mit dem wir uns gerade beschäftigen, ist die Anwendung von Ingenieurmethoden im vorbeugenden Brandschutz. Hier geht es darum, dass man den traditionellen Brandschutz, der ja ein (Erfahrungs-) Gesetzeswerk ist, durch genaue Rechenverfahren ergänzt. Mithilfe dieser Rechenverfahren kann man ermitteln, wie lange ein Gebäude etwa der Hitze bei einem Brand standhält, oder welche Einrichtungen es bedarf, um Rauch und Wärme im Brandfall aus dem Gebäude abzuleiten.
Herr Blätte, im kommenden Jahr findet in Leipzig ja wieder die „Interschutz" statt - welche Bedeutung hat diese Messe für Sie persönlich?
H. J. Blätte: Zunächst muss man sagen, dass die „Interschutz" eine wirkliche Weltleitmesse ist. Sie ist in Nord- und Südamerika genauso der Inbegriff der Brandschutzmesse wie in China. Entsprechend wichtig ist es für eine exportorientierte Wirtschaft wie der unsrigen, auf der Interschutz präsent zu sein. Es handelt sich für mich persönlich um eine Messe, bei der Herz und Kommerz zusammen kommen - das ist durchaus etwas Besonderes. Immerhin stecken hinter den roten Autos und hinter dem Retten, Bergen und Löschen viele Emotionen, die von sehr vielen Menschen geteilt werden. Das sieht man an der Zahl der Freiwilligen: Bei uns in Deutschland stellen immerhin etwa 1,3 Millionen freiwillige Helfer im Brandschutz ihre Freizeit der Allgemeinheit zur Verfügung.
Welche Rolle spielt die vfdb bei der Interschutz genau?
H. J. Blätte: Wir sind als Partner der Messe ideeller Aussteller, vertreten also sozusagen das Herz bei der Interschutz. Das Anmeldeverhalten zur Interschutz 2010 ist sehr stabil. Aktuell haben bereits mehr als 1.000 Unternehmen ihren Auftritt bestätigt. Viele technische Highlights erwarten uns.
Was sind hier die wichtigsten Themen?
H. J. Blätte: Wir erwarten eine ganze Menge von technischen Weiterentwicklungen und Neuigkeiten, wobei der abwehrende Brandschutz (Fahrzeuge und Geräte) traditionell eine wichtige Rolle spielen wird. Diese Rolle wird aber zunehmend durch die Dienstleister relativiert, die IT-Lösungen anbieten, die in der Prävention aktiv sind. Wir wollen auch durch ein besonderes Engagement im Rettungsdienst darauf hinweisen, dass die Rettungskette ein ineinander fließendes System ist und die Glieder Brandschutz, technische Hilfeleistung und Rettungsdienst zusammengehören.
Vor welchen hauptsächlichen Herausforderungen steht aus Ihrer Sicht der Brandschutz in den nächsten Jahren insgesamt?
H. J. Blätte: Die nichtpolizeiliche Gefahrenabwehr hat immer Konjunktur. Allerdings erwarten wir in „schlechten Zeiten" ein Umsatzhoch für unsere Branche - zu dieser Prognose nutzen wir unseren langjährigen Erfahrungsschatz. Die Finanziers unserer Dienstleistung, meist die Kommunen, werden in den nächsten Jahren aber nun nicht gerade üppige finanzielle Ressourcen haben. Dazu kommt eine Verknappung und Verteuerung des für uns existenziell wichtigen Gutes Mensch (bei den Ehrenamtlichen und bei den Professionellen), der ja der nicht wegzurationalisierende Träger der Dienstleistung ist. Diese dreifache Herausforderung wird uns wahrscheinlich zu Korrekturen des bis jetzt eingehaltenen Kurses zwingen.
Ein aktuelles Thema ist derzeit der Digitalfunk für Behörden mit Ordnungs- und Sicherheitsaufgaben. Können Sie uns zum Stand
der Dinge noch eine Einschätzung geben?
H. J. Blätte: Das Ziel, sich von Albanien bezüglich des Technologiestandes abzusetzen, wird man wohl erreichen. Das sollten wir im Rahmen eines sportlichen Strebens nach Fortschritt richtig feiern. Danach sollten wir uns mal überlegen, was wir mit dieser mehrere Milliarden schweren Investition gewonnen haben. Wir sprechen „analog", senden nun digital und hören wieder „analog". Die reale Kommunikationsrate hat sich also nicht erhöht, sie beträgt nach wie vor etwa 1 bis 2 bit/s. Das ist menschlich, aber das ist grottenschlecht. Und die Leistungsfähigkeit der Digitalfunksysteme für den BOS-Bereich sind jetzt (und vermutlich auch nicht in Zukunft) nicht geeignet, Datenmengen in größerem Umfang zu übertragen. Also sieht man in der Zukunft an der Einsatzstelle die Einsatzkraft oder den Einsatzleiter mit dem Minicomputer oder dem Handy hantieren, um sich z. B. Einsatzpläne heranzuholen. Der wahre Fortschritt findet also bei UMTS oder bei den IT-Derivaten statt. Problematisch wird wohl sein, dass die öffentliche Hand investiert und dann über 30 Jahre kein Geld mehr hat, die Investition zu modernisieren. Die BOS haben im übertragenen Sinne ein Computersystem gekauft, das heute schon ein paar Generationen auf dem Buckel hat und dann noch viele Generationen halten muss. Würden Sie noch mit einem C64 arbeiten wollen und das noch in 30 Jahren? Hoffentlich liege ich bei meiner (nicht mehr ganz einsamen) Einschätzung völlig falsch, denn es wäre schade um das wunderschöne Geld.
Herr Blätte, herzlichen Dank für Ihre Einschätzungen und für dieses Gespräch.