Im Gespräch mit Michael Schmidt, Leiter Konzernsicherheit Volkswagen Konzern
Der Volkswagen-Konzern mit Sitz in Wolfsburg ist einer der führenden Hersteller von Automobilen und Nutzfahrzeugen weltweit und der größte Automobilproduzent Europas. Zwölf Marken ...
Der Volkswagen-Konzern mit Sitz in Wolfsburg ist einer der führenden Hersteller von Automobilen und Nutzfahrzeugen weltweit und der größte Automobilproduzent Europas. Zwölf Marken aus sieben europäischen Ländern gehören zum Konzern: Volkswagen Pkw, Audi, SEAT, Škoda, Bentley, Bugatti, Lamborghini, Porsche, Ducati, Volkswagen Nutzfahrzeuge, Scania, MAN und die VW Financial Services. Der Konzern betreibt in 20 Ländern Europas und in elf Ländern Amerikas, Asiens und Afrikas 120 Fertigungsstätten. 626.715 Beschäftigte produzieren an jedem Arbeitstag rund um den Globus durchschnittlich 43.000 Fahrzeuge. Heiner Jerofsky von GIT SICHERHEIT sprach mit Michael Schmidt, Leiter Konzernsicherheit und Chief Security Officer, über sein weltweites Sicherheitsmanagement, seine Erfahrungen und Ziele.
GIT SICHERHEIT: Herr Schmidt, Sie sind einer der erfahrensten deutschen Sicherheitschefs, Dozent und Beirat an Hochschulen und Mitglied in zahlreichen Sicherheitsorganisationen. Bis dato sind Sie auch der einzige Sicherheitschef, der diese Position in drei verschiedenen DAX-Konzernen innehatte. Für Ihre Verdienste sind Sie 2008 mit der Ehrenbürgerschaft der Stadt London (Liveryman of the City of London) und Ende 2017 ASIS Germany für Ihr Lebenswerk ausgezeichnet worden. Das ist eine beachtliche Bilanz. Haben Sie ein Erfolgsrezept?
Michael Schmidt: Im Laufe meines Berufslebens sind mir große Herausforderungen gestellt worden und Menschen, die viel Verantwortung tragen, haben mir vertraut. Ich empfinde das als Glück und ein Geschenk. Es hat mir und den Experten, mit denen ich in den verschiedenen Positionen zusammengearbeitet habe, die Chance gegeben, an den Aufgaben immer wieder zu wachsen. Ein Erfolgsrezept gibt es nicht. Das wäre auch ein falscher Ansatz. Wichtig ist in unserem Beruf, sein Handwerk solide zu beherrschen und sich flexibel der Situation anpassen zu können: Vor die Lage kommen und sich dem modus operandi und der Tätermotivation anpassen. Menschenkenntnis ist sehr wichtig in der Sicherheit. Und die Fähigkeit, im Denken keine Tabus zuzulassen. Es mag überraschen, aber: Als junger Polizeibeamter habe ich die Grundfertigkeiten meines Berufs gelernt, die ich später immer wieder angewendet und variiert habe. Dafür bin ich sehr dankbar – wie auch für die Anerkennung, die ich in der Branche erhalten habe.
Welche Zuständigkeiten und Aufgabengebiete liegen beim Weltkonzern Volkswagen in Ihrer Verantwortung?
Michael Schmidt: Die Konzern-Sicherheit steuert die strategischen Themen der Objektsicherheit, des Personen- und Veranstaltungsschutzes, das Krisenmanagement und die Reisesicherheit, den Know-how- und Prototypenschutz sowie die Forensik und Cyberforensik. Übergeordnete Steuerungsfunktionen sind außerdem die Internationale Koordinierung, das Berichtswesen und die Security-Audits. Die Steuerung der Werksicherheiten liegt ebenfalls in meinem Bereich. Eine Besonderheit im Automobilsektor ist der Brandschutz. Dieses Spektrum war in früheren Positionen, etwa bei der Post und RWE, ähnlich. Natürlich hilft es, wenn man Erfahrung auf einem Gebiet besitzt. Grundsätzlich würde ich sagen, dass branchenunabhängig 80 Prozent der Sicherheitsthemen in den unterschiedlichen Unternehmen identisch sind.
Am Stammwerk Ihres Konzerns in Wolfsburg sind über 60.000 Menschen auf einer Fläche von ca. 650 Hektar beschäftigt. Zusätzlich frequentieren Lieferanten, Besucher, Abholer und viele Fremdfirmen das Gelände. Welche Anforderungen stellen Sie an das Sicherheitspersonal und die Sicherheitstechnik bei der Zutrittskontrolle?
Michael Schmidt: Die Sicherheit unserer Werke wird durch den Leiter bzw. die Leiterin unserer Werksicherheiten gesteuert. Die Position ist mit einer sehr kompetenten Frau besetzt – eine Quereinsteigerin aus dem Bereich Personal, aus dem wir noch andere „Rohdiamanten“ für das Thema Sicherheit begeistern konnten. Knapp 400 ausgebildete Werk- und Brandschutzmitarbeiter sind hier für die Sicherheit aller Kolleginnen und Kollegen und der Sachwerte des Unternehmens eingesetzt. Der Frauenanteil über die sechs Werke liegt übrigens bei etwa 40 Prozent. Das Werk Wolfsburg hat, das ist richtig, eine sehr große Fläche, immerhin vergleichbar mit Monaco. Wir arbeiten hier auf zwei großen Gebieten: zum einen setzen wir derzeit ein völlig neues Zutrittskonzept um, das es für Besucher und Werksicherheit künftig sehr bequem macht. Stichworte: Onlinebesucheranmeldung und QR-Code. Parallel, und das ist mir sehr wichtig, bilden und entwickeln wir die Mitarbeiter des Werkschutzes umfassend weiter. Bei Volkswagen wie auch vielen anderen Unternehmen hat die Werksicherheit über viele Jahre ein eher stiefmütterliches Dasein gefristet. Wir machen eine moderne Qualitätsorganisation daraus.
Welche Bedeutung haben Perimeterschutz, Videoüberwachung und mobile Objektsicherung bei Ihren Liegenschaften?
Michael Schmidt: Natürlich eine sehr große. Alle drei Elemente gehören zu den wichtigen Bausteinen der Objektsicherheit. Ganz grundsätzlich: Eine moderne Werksicherheit muss sich an allen relevanten Innovativen orientieren. Wir werten deshalb permanent Publikationen und Fachmessen aus und arbeiten auch mit der Forschung zusammen. Interessanterweise ist übrigens die Consumer Electronic Show (CES) in Las Vegas eine der wichtigsten Messen für uns. Moderne Perimeterabsicherung setzen wir nach beschriebenen Sicherheitsmindeststandards natürlich ein. Und wir kombinieren sie mit fest installierter und mobil einsetzbarer Videotechnik. Übrigens nicht nur in Wolfsburg. Derzeit arbeiten wir an dem ersten, autark durch eine Drohne gesicherten, Objekt. Das ist eine sehr wichtige Technologie, aber sie muss mit Augenmaß eingesetzt werden. Hier haben wir von vorneherein mit der Mitbestimmung eng zusammengearbeitet. Auch die Einbindung anderer Schnittstellenpartner, wie etwa des Luftfahrtbundesamtes war ein wesentlicher Erfolgsfaktor für dieses Vorhaben.
An vielen deutschen Standorten unterhält Volkswagen eine eigene Werkfeuerwehr. Welche Erfahrungen haben Sie mit betriebseigener Feuerwehr gemacht? Und wie gehen Sie mit dem Nachwuchsproblem in der Feuerwehr um?
Michael Schmidt: Das ist richtig. In unseren sechs inländischen westdeutschen Werken gibt es überall eigene Werkfeuerwehren. Sie sind ein wichtiger Bestandteil der Gefahrenabwehr. Wir haben hier hochqualifizierte Spezialistinnen und Spezialisten für den vorbeugenden und abwehrenden Brandschutz. Ein Automobilwerk ist ein großer verketteter Produktionsprozess. Jede Störung hat sofort Auswirkungen auf den Gesamtprozess. Daher ist schnelles Eingreifen von großer wirtschaftlicher Bedeutung. Oft ist die Werkfeuerwehr auch Mädchen für alles. Wenn eine Fahrzeugkarosse aus einem Tauchbecken geholt werden muss, dann schneidet die Werkfeuerwehr sie klein. Dabei zählt natürlich Geschwindigkeit. Denn jeder Stillstand heißt Fahrzeugverlust. Zum Nachwuchsthema: 2016 haben wir begonnen, auch Werkfeuerwehrleute in der Berufsausbildung selbst auszubilden und auch eine Berufsschulklasse für diesen Ausbildungsberuf in Wolfsburg etabliert. Wir bekommen ein sehr positives Feedback auf die Ausbildung. Die Auszubildenden sind hoch motiviert und die Bewerberzahlen zeigen, dass die Berufsausbildung hervorragend angenommen wird. Im Jahr 2016 haben wir zum ersten Mal in Niedersachsen den Ausbildungsberuf „Werkfeuerwehrmann/-frau“ eingeführt. Unter unseren aktuell 20 Auszubildenden sind übrigens fünf Frauen. Das ist bemerkenswert, weil es sich bei dem Berufsbild bisher um eine fast reine Männerdomäne handelte.
Im Werk Wolfsburg gehen wir sogar noch einen Schritt weiter, hier bilden wir nicht nur unsere eigenen Mitarbeiter aus, sondern werden die hochqualifizierte Ausbildung zukünftig auch auf dem externen Markt anbieten.
Wie ist das werkseigene Rettungswesen an den deutschen Standorten organisiert?
Michael Schmidt: Wir haben bei Volkswagen ein eigenes Gesundheitswesen mit hochqualifiziertem Rettungsdienstpersonal. Diese Kollegen arbeiten mit unseren Werkfeuerwehrleuten im Bereich der Notfallrettung eng zusammen. Im Jahr 2017 haben wir mit unserer Werkfeuerwehr in Wolfsburg 55 Brände bekämpft, 762 Rettungseinsteinsätze und 1128 Krankentransporte durchgeführt… Das ist eine stolze Bilanz. Im Bedarfsfall unterstützen wir auch den kommunalen Rettungsdienst. Das ist aber eher die Ausnahme.
Welche Erfahrungen haben Sie mit eigenem Werkschutz versus Sicherheitsdienstleistern gemacht? Und wie sieht das Qualifikationskonzept aus?
Michael Schmidt: Wir haben hier in den Gesellschaften und Marken des Konzerns weltweit ein heterogenes Bild. Teilweise werden Sicherheitsdienstleister (global ca. 85 % aller Sicherheitsmitarbeiter) eingesetzt, teilweise eigenes Personal. Die Kernaufgaben im Werkschutz in unseren sechs inländischen Werken werden durch eigene Mitarbeiter abgedeckt. Lediglich im Rahmen von zusätzlichen Auftragsspitzen, z. B. bei Großveranstaltungen oder bei Sonderprojekten – beispielsweise der temporären Absicherung von Baustellen – lassen wir uns von externen Sicherheitsdienstleistern unterstützen. Die richtige Auswahl eines geeigneten Sicherheitsdienstleisters ist ein sehr aufwendiger Prozess, den wir konzernweit stetig standardisieren. Als großen Vorteil von eigenem Werkschutzpersonal sehe ich die Identifikation der Mitarbeiter mit unserem Unternehmen. Zudem können wir auf diesem Wege jederzeit direkt Einfluss auf die Personalauswahl und -entwicklung nehmen. In puncto beruflicher Background und Qualifizierung reicht das Spektrum beim Werkschutz von erfahrenen ehemaligen Polizeibeamten bis hin zu Quereinsteigern aus Produktionsbereichen. Wir haben unsere Qualifizierungsprogramme dahingehend passend mit internen und externen Qualifizierungen aufgebaut. Das geschieht über unsere interne Akademie. Wir setzen auf eine umfassende Grundausbildung. Unsere erfahrensten Mitarbeiter führen als Experten selbst Schulungen wie beispielsweise Überwachung und Kontrolle des Fahrzeug- und Güterverkehrs, Regelung des Besucherverkehrs, Informations- und Prototypenschutz, Hausrechtsschulungen für den Werkschutz aber auch Standards bei Kontrollen, Eigensicherung und beispielsweise Kundenorientierung durch. Zudem lassen wir unsere Mitarbeiter zur Geprüften Schutz- und Sicherheitskraft (IHK) und /oder Betriebssanitätern ausbilden.
Sie haben im Werk Wolfsburg eine Sicherheitsleitstelle. Wie funktioniert das Zusammenspiel mit anderen Werken?
Michael Schmidt: Derzeit betreibt jedes Volkswagen Werk noch seine eigene Sicherheitsleitstelle. Im Werk Wolfsburg haben wir im vergangenen Jahr in einem Projekt die Zusammenlegung der Werkschutzleitstelle mit der Leitstelle des Brandschutzes zu einer integrierten Sicherheitsleitstelle realisiert. Hier sind wir auf dem aktuellsten Stand von Technik und Ergonomie. Wir betreiben sie mit eigenen kompetenten Mitarbeitern aus Werkschutz und Brandschutz. In Zukunft werden wir eine Ausbildung zum Sicherheitsdisponenten für die Sicherheitsleitstelle durchführen.Die Einbruch-, Brandmelde-, Kommunikations- und Videotechnik ist hoch vernetzt und läuft auf einem zentralen Leitstellenmanagementsystem auf. Die Visualisierung erfolgt an fünf Einzelarbeitsplätzen und auf einer Monitorwand. Hier wird den Einsatzstichworten entsprechend die zutreffende Ressource zugeordnet und zum Einsatz gebracht. In Sonderfällen gibt es eine sehr enge Abstimmung und Ergänzung mit den städtischen Behörden wie Polizei und Berufsfeuerwehr. Jeder Einsatz wird hier erfasst und revisionssicher dokumentiert. Die personelle Besetzung erfolgt im vollkontinuierlichen Schichtbetrieb, also 24/7. Auf Grundlage der aus dem Projekt resultierenden Erfahrungen im Einbinden vorhandener Brandschutz- und anderer Sicherheitssysteme unter ein Hauptmanagementsystem werden wir die Anbindung von Sicherheitssystemen anderer Werke prüfen und vorantreiben.
Die wertvollen Betriebsstätten, Montagehallen, Anlagen und Fahrzeugteile auf dem Gelände sind vielfältigen Gefahren ausgesetzt. Wie verhindern und bekämpfen Sie Betriebsstörungen und Kriminalität wie etwa Diebstähle, Sabotage, Spionage, terroristische Angriffe?
Michael Schmidt: Mit technisch-organisatorischen Maßnahmen. Angefangen von Themen der technischen Absicherung von Liegenschaften mit Alarmanlagen, Zutrittskontrollen, Videotechnik usw. bis hin zu personellen Maßnahmen wie Brand- und Werkschutz. Darunter befinden sich auch Spezialabteilungen, wie z. B. der betriebsinterne Ermittlungsdienst, das Bedrohungsmanagement, der Know-how- und Prototypenschutz, das Krisenmanagement, etc.. Alles auf der Grundlage von Risikoanalysen und beschriebenen Sicherheitsmindeststandards und Sicherheitshandbüchern.
Gibt es gegen Betriebskriminalität wirksame Präventionsmodelle, die Sie auch anderen Konzernen empfehlen können?
Michael Schmidt: Der wichtigste Präventionsfaktor ist Achtsamkeit, „Awareness“. Wir schulen regelmäßig sogenannte Brennpunktbereiche. Da wo häufiger Vorfälle passieren, klären wir auf, welche Konsequenzen unehrliches Handeln haben kann. Hier unterstützt uns parallel der Compliance Bereich mit seinen Kampagnen. Aber jede repressive Ermittlung wird im Anschluss mit den betroffenen Bereichen besprochen, damit wir auch die Schwachstellenanalyse zur Fehlerbeseitigung zu nutzen.
Stichwort „Sicherheits-Compliance“: Wie kann es gelingen, dass Sicherheitsregeln, Betriebsanweisungen, Alarmpläne und andere Informationen zur Sicherheits- und Notfallorganisation die Köpfe der unterschiedlichsten Beschäftigten und Besucher erreichen und ernst genommen werden?
Michael Schmidt: In der Tat ist das bei großen Organisationen eine Herausforderung. Regelmäßige Schulung und Übungen sind hier sehr wichtig. Global gibt es ein markenübergreifendes Berichtswesen. Die konsolidierten Informationen gehen dann an die globale Sicherheitsorganisation retour. Damit wissen alle Sicherheitsverantwortlichen Bescheid und können Themen, die bei anderen passiert sind, in ihrem eigenen Verantwortungsbereich vorbeugend schon einbauen bzw. entsprechend argumentieren. Unser Konzept des Berichtswesens haben wir über Jahre entwickelt. Ich halte es für sehr effektiv.
Welche Bedeutung haben technische Einrichtungen, wie Brand-, Überfall- und Einbruchmeldeanlagen, Videoüberwachung und Zutrittskontrolle für die Sicherheit in einem Konzern Ihrer Größenordnung?
Michael Schmidt: Essentielle Bedeutung natürlich. Anders sind Schutzziele kaum noch zu erreichen. Zugleich gilt: Die beste Technik wird ohne den Menschen nicht erfolgreich eingesetzt werden können.
Welche moderne Sicherheitstechnik finden Sie besonders innovativ?
Michael Schmidt: Aus meiner Sicht ist die Drohnen-Technologie besonders wichtig, weil sie zukunftsweisend ist. Ich glaube, dass wir mit unseren Drohnen-Projekten weit die Nase vorn haben. Unsere Prototypengelände werden noch in diesem Jahr eine Drohnenabwehr erhalten. Wir sind hier in der Lage, einfliegende Objekte zu erkennen, und können diese anhand von Georeferenzdaten lokalisieren. Es handelt sich hierbei um eine mobile Einheit, die Sensoren bei Bedarf „wecken“ kann und sich so aktiv schaltet. So umgehen wir teure Einmallösungen und können das Konzept anlassbezogen nutzen. Werkschutz und Polizei werden dann zur Täterergreifung eingesetzt. Zusätzlich haben wir eine mobile Videoeinheit – eine Panomera-Kamera – auf einem Amarok mit Brennstoffzelle gebaut. Diese Einheit kann konzernweit gebucht werden und kommt überall zum Einsatz wo Bedarf ist. Derzeit analysieren wir „Sicherheitsroboter“. Es gibt dazu schon Beispiele für die Feuerwehr und den Werkschutz. Übrigens beteiligen wir uns regelmäßig an den Outstanding Security Performance Awards (OSPAs), die jährlich stattfinden und finden diese Initiative sehr gelungen. Die Sicherheit „feiert“ dort eigene Ideen, Innovationen und besonders Herausragendes. Hier waren wir mit drei Top-Ideen und Innovationen im Jahr 2016 im Bewerbungslauf. Eine Konzeptidee wurde mit einem OSPA belohnt und für 2018 werden wir uns wieder mit innovativen Ideen bewerben. Sie sehen, Sicherheit kann auch kreativ sein.
Welche positiven oder negativen Erfahrungen für die Werksicherheit haben Sie mit dem Einsatz und dem Auftreten von Drohnen?
Michael Schmidt: Wir haben schon vor Jahren erkannt, dass auch uns diese Thematik ereilen wird. Die ersten negativen Vorfälle gab es dann auch schon kurz darauf. Derzeit verzeichnen wir ca. vier Vorfälle pro Jahr und konnten erst kürzlich einen Drohnenpiloten ergreifen. Das Konzept hat gegriffen. Äußerst positiv ist, dass alle Drohnenaktivitäten für eine Nutzung, wie z. B. für die Logistik, Real Estate, Feuerwehr etc., durch uns koordiniert werden. So verhindern wir eine Vielfalt von „Verkaufsaktivitäten“, und wir haben einen echten Überblick über das was tatsächlich funktioniert.
Welche Bedeutung hat die Kooperation mit örtlichen Polizeidienststellen vor dem Hintergrund wachsender Bedrohungen im Rahmen des “Public Private Partnership“-Gedanken?
Michael Schmidt: Eine sehr große! Dazu können sie auch einen Presseartikel in den Wolfsburger Zeitungen googeln. Wir betreiben PPP nicht nur lokal sondern auch regional und auf Bundesebene. Wir bieten Behörden Vertretern im Zuge ihrer beruflichen Weiterbildung regelmäßig Hospitationen an und tauschen uns regelmäßig aus auf Veranstaltungen oder aufgrund von akuten Lagen.
Sicherheitskonzepte sind das Ergebnis von aktuellen Gefahren- und Bedrohungsanalysen. Wo liegen nach Ihrer Risikobeurteilung die größten Gefahren für Ihren Konzern, und wie schätzen Sie persönlich die aktuelle Risiko- und Bedrohungssituation ein?
Michael Schmidt: Schauen Sie sich die Welt von heute an: Staaten bedrohen Staaten; „Failed staes“, also Länder in denen staatliche Ordnung zum Teil von heute auf morgen verfällt; Putsch und Umsturz; Radikalisierung via Internet; Bombendrohungen und Explosionen an vermeintlich sicheren Orten; der Djihad vor der Haustür, könnte man sagen; Erpressung mit virtuellen Währungen, Bitcoins; Hacker- Angriffe zu Tausenden Tag für Tag; Fake News; Ich könnte noch lange weitermachen mit dieser Aufzählung. Aus Sicht der Sicherheit ist die Welt, in der wir leben, ein Kaleidoskop von Illegalität und Kriminalität völlig neuer Qualität. Dabei sind es nicht die schiere Anzahl und Addition der Ereignisse, die neu sind. Die unerhörte Komplexität, Raffinesse, Omnipräsenz, technologische Versiertheit und Entgrenzung der Straftaten, gepaart mit der Instabilität des Umfeldes sind es, die mich besorgt sein lassen. Vor allem, weil zugleich die Anforderungen an Unternehmen wachsen. Die Internationalisierung in Verbindung mit dem Duty of Care Gedanken sieht den Arbeitgeber mehr und mehr in der Verantwortung, überall und jederzeit für seine Mitarbeiter zu sorgen. Globale Haftbarmachung und Organhaftung spielen eine immer größere Rolle. Eine Internationalisierung institutioneller Sicherheitsstrukturen wird es aber auf absehbare Zeit nicht geben. Bekanntermaßen werden Sicherheitsaufgaben, die traditionell beim Staat angesiedelt waren, Stück für Stück auf die Wirtschaft übertragen. Das bedeutet, dass sich die Sicherheit in Strukturen, Funktionsweisen und Netzwerke unterschiedler Rechtsräume einarbeiten muss. Auch die Sicherheitsbedürfnisse eines Global Players haben sich verändert. Die Handlungsfelder und Kompetenzen der Unternehmenssicherheit müssen sich daher zwangsläufig ebenfalls weiterentwickeln. Denn nach wie vor müssen wir uns als Business Enabler bewähren. Diese Aufgabe ist unsere Daseinsberechtigung. Da reicht es nicht aus, die gute alte Unternehmenssicherheit linear fortzuschreiben. Ein „noch besser, noch gründlicher“ wird uns nicht helfen, mit den komplexen Bedrohungen fertig zu werden. Eine Unternehmenssicherheit von heute muss strategisch aufgestellt sein, wenn sie ihren Auftrag, das Geschäft der Company abzusichern, gerecht werden. Nach außen entstehen daher immer mehr Kooperationen und Public Private Partnerships zwischen öffentlichen Institutionen und Wirtschaftsunternehmen. Nach innen sind neben den klassischen Partner Revision vor allem die IT- Abteilungen ein entscheidender Partner zur Bewältigung von Themen in Security 4.0 geworden.
Welchen fachlichen Rat können Sie anderen Sicherheitsmanagern aus Ihrer beruflichen Erfahrung geben? Haben Sie einen persönlichen Leitsatz oder eine Sicherheitsphilosophie?
Michael Schmidt: Meine Kollegen benötigen meinen Rat nicht. Ich kann nur sagen, was für mich selber wichtig ist und mich unterstützt. Und das ist die Erfahrung, die Meinung und die Unterstützung von Experten unserer Branche und von relevanten Partnern. Nennen Sie es „Netzwerk“, wenn Sie möchten. Und ein Zweites: Nach wie vor ist „vor die Lage zu kommen“ das A und O für einen Sicherheitsmanager. Das mag beides banal und einfach klingen. Meiner Meinung nach ist es die Kunst unseres Berufes.
Vielen Dank für das offene und fachkundige Gespräch.
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