Interview mit Karl-Christian Hahn, Leiter Flughafenbrandschutz

Mit ca. 2,2 Millionen Tonnen hat der Frankfurter Flughafen das größte Frachtaufkommen aller europäischen Flughäfen und das siebthöchste weltweit. Für den Bereich Gefahrenabwehr und...

Mit ca. 2,2 Millionen Tonnen hat der Frankfurter Flughafen das größte Frachtaufkommen aller europäischen Flughäfen und das siebthöchste weltweit. Für den Bereich Gefahrenabwehr und Brandschutz sorgt die Flughafenfeuerwehr mit mehr als 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Unser wissenschaftlicher Schrift­leiter Heiner Jerofsky sprach mit dem Leiter Flug­hafenbrandschutz, Dipl.-Ing. Karl-Christian Hahn, über Organisation, Aufgaben, ­Ausrüstung und Herausforderungen bei seiner Tätigkeit.

Der Flughafen Frankfurt am Main ist der größte deutsche Verkehrsflughafen. Gemessen am Passagieraufkommen ist er nach London-Heathrow und Paris-Charles de Gaulle der drittgrößte europäische Flughafen und liegt im weltweiten Vergleich auf dem zwölften Rang. In Frankfurt werden jährlich rund 60 Millionen Passagiere befördert.

GIT SICHERHEIT: Sie sind nunmehr seit zwanzig Jahren Leiter des Flughafenbrandschutzes an einem der weltweit bedeutendsten Luftfahrtdrehkreuze. Welche Risiken, Entwicklungen und Herausforderungen sind mit dieser Aufgabe verbunden?

Karl-Christian Hahn: Die Risiken sind sicherlich den Lesern bewusst: viele Menschen, Tiere, Gefahrgüter, Flugzeuge, Fahrzeuge, Maschinen und alles gleichzeitig auf eng begrenztem Raum und die Abläufe sind durch die Flugpläne getaktet. Am Ende vom Tag muss dann alles auf die Sekunde genau passen, da wegen der Nachtflugbeschränkungen Punkt 23 Uhr Schluss ist - es gibt keine Minute Verlängerung. Dieser Zeitstress sitzt allen von morgens bis abends im Nacken. Für die Flughafenfeuerwehr ist es wichtig, stets an den Risiken dran zu bleiben und sich nicht von der rasanten Entwicklung abhängen zu lassen - neue Gebäude, neue Materialien, neue Verfahren, verschärfte Gesetze - alles ist ständig im Bewegung. Wer sich nicht ständig aktuell hält und die eigenen Techniken und Verfahren nicht ständig anpasst und vor allem die eigenen Mitarbeiter informiert und mitnimmt - der hat ganz schnell verloren. Eine ständige Herausforderung - aber das macht auch Spaß!

Welche Organisationseinheiten aus dem Bereich Flughafenfeuerwehr - besser Gefahrenabwehr - unterstehen Ihnen mit welchem Aufgabenspektrum?

Karl-Christian Hahn: Mein Bereich Gefahrenabwehr ist derzeit dreigeteilt: Vorbeugender Brandschutz, Abwehrender Brandschutz und das Feuerwehr Training Center (FTC). Seit dem 01.01.2015 ist nach über dreißig Jahren organisatorische Trennung der Rettungsdienst wieder dazu gekommen.

Über welche personelle Besetzung, speziellen Fahrzeuge und Geräte verfügen die vier Feuerwachen auf dem Gelände des Rhein-Main-Flughafens?

Karl-Christian Hahn: Wir müssen gemäß behördlicher Anforderung 64 Mitarbeiter rund um die Uhr einsatzbereit vorhalten. Drei Wachen dienen dem Flugzeugbrandschutz und eine dem Gebäudebrandschutz. Jede Feuerwache hat einen Wachleiter, zugleich Zugführer, mit einem Einsatzleitwagen (ELW1) als Führungskomponente und einem Hilfeleistungstanklöschfahrzeug (HTLF) als Rettungskomponente. Auf den drei Flugzeugbrandschutzwachen stehen als Löschkomponente dann jeweils drei Großflugfeldlöschfahrzeuge (GFLF), sowie eine Rettungstreppe (RTF) bereit. Auf der Gebäudebrandschutzwache stehen zusätzlich 3 HTLF, eine Drehleiter mit Korb (DLK) und 3 Wechselladerfahrzeuge (WLF) mit unterschiedlichen Abrollbehältern. Für Spezialfälle und Großschadensereignisse halten wir - neben Reservefahrzeugen - diverse Abrollbehälter vor, z.B. um große Wassermengen abpumpen zu können, nebst 4 Kilometer Schlauch in Nennweite 250, 12 Tonnen Schaummittel, 4 Tonnen Kohlendioxid, Rüstholz, Sandsäcke. Aber auch fertige Einheiten wie Abrollbehälter „Gefahrgut", „Personendekontamination", „Tierrettung", „Bauunfall", „Flugzeugbergung".

Welche Eingreifzeiten gilt es bei Notfällen mit Flugzeugen oder bei Bränden von Gebäuden einzuhalten und wieviel Löschmittel müssen mindestens für den ersten Angriff am Flugzeug zur Verfügung stehen?

Karl-Christian Hahn: In 120 Sekunden sollen und in 180 Sekunden müssen wir am Flugzeug sein. Weltweit werden alle Flugzeuge in die Brandschutzkategorie 1 bis 10 eingeordnet, - wobei wir in FRA in Kategorie 10 sind. Heißt: Wir müssen gut 32 Tonnen Wasser, dazu entsprechend viel Schaummittel und Pulver in dieser Zeit vor Ort bringen und mit mindestens 11.200 Liter pro Minute löschen können. Aufgrund der Größe und der Geometrie des Frankfurter Flughafens müssen wir dies dreifach gleichzeitig vorhalten.

Sie haben auch die Verantwortung für Werkfeuerwehraufgaben für alle Flächen, Gebäude, Terminals, Bahnhöfe, The Squaire (eines der größten Bürogebäude Europas) und sonstige Anlagen des Großflughafens. Was bedeutet das in der täglichen Praxis?

Karl-Christian Hahn:
Erstens: hohe Flexibilität. Denn täglich, manchmal stündlich ändern sich die Schwerpunkte und die Parallelität der Ereignisse, beispielsweise bei Unwetter - und das bringt alle Beteiligten immer wieder an die Grenze der Kapazitäten. Daher ist es für uns wichtig - über die gesetzlichen Regelungen hinaus - einen Vertrag mit unserem Hauptpartner, der Berufsfeuerwehr Frankfurt zur gegenseitigen Unterstützung zu haben. Hier genügt ein Stichwort und jeder weiss, was zu tun ist - keine Diskussion, keine Konfusion. Zweitens: die gesetzlichen Vorgaben ständig erfüllen und dazwischen aber auch für die Firma, für den Standort da zu sein, wenn technische Störungen die Abläufe aufhalten. Bei aller Dienstleistungsorientierung darf die Einsatzfähigkeit aber keine Sekunde eingeschränkt sein - ständiges Abwägen.

Der bauliche- und präventive Brand- und Explosionsschutz hat an Flughäfen, spätestens nach dem Brand in Düsseldorf und der Misere um den Berliner Flughafen, besondere Bedeutung. Können Sie unseren Lesern einen kleinen Einblick in diese Aufgabe gewähren?

Karl-Christian Hahn: Bereits ein Jahr vor dem schrecklichen Brand in Düsseldorf (DUS) hat der Flughafen mit einem umfangreichen Sanierungsprojekt für das Terminal 1 begonnen, um es zu modernisieren und brandsicherer zu machen. Der Brand in DUS hat dies natürlich beschleunigt und einen dreistelligen Millionenbetrag für Sanierung und Brandschutz erforderlich gemacht. Bestätigt hat sich dabei mal wieder, dass der bauliche Brandschutz ganz vorne stehen sollte, häufig man aber auf technischen Brandschutz ausweichen muss. Dann muss man dies aber vorher intensiv durchdenken, simulieren und praktisch erproben, sonst erleidet man Schiffbruch...

Auf 24 Millionen Quadratmetern arbeiten rund 70.000 Menschen. Mehr als 1.300 Flugzeuge am Tag wollen mit bis zu 16 Millionen Litern Kerosin betankt werden. Zu Ihren Aufgaben gehört auch die Flugzeugbergung. Auf welche Fälle müssen Sie vorbereitet sein und wie umfangreich sind die Vorbereitungen auf diesem Gebiet?

Karl-Christian Hahn: Kann ein Flugzeug nach einem technischen Defekt nicht mehr mit eigener Kraft die Landebahn verlassen oder ist ins Gras gerutscht, hilft auch kein kräftiges Zerren mit einem dicken Flugzeugschlepper. Dann ist es Zeit für eine richtige Flugzeugbergung. Im schlechtesten Fall bedeutet dies im Schlamm oder Schnee das Flugzeug händisch zu entladen, zu enttanken, mit übergroßen Hebekissen anzuheben und auf unsere speziellen Schwerlastanhänger abzulegen, um es dann - ohne weiteren Schaden zuzufügen - wegziehen zu können. Dies können wir mit allen Flugzeugen die es gibt. Selbst ein A 380 können wir ohne Kran anheben und abtransportieren. Das kann nicht jeder Flughafen und die komplette Ausrüstung ist in dieser Form auch nur wenige Male in der Welt vorhanden, so dass meine Mitarbeiter immer wieder auch weltweit unterwegs sind. Wir schulen Flugzeugbergung übrigens auch in englischer und mit Dolmetscher auch in anderen Sprachen.

Wie unterscheiden sich die Aufgaben des Emergency Response Information Center, der Notfallinformationszentrale und der Sicherheitsleitstelle?

Karl-Christian Hahn: Die Fraport AG hält am Standort Frankfurt die drei von Ihnen genannten Einrichtungen vor: die rund um die Uhr besetzte Sicherheitsleitstelle mit integrierter Feuerwehrleitstelle ist der Meldekopf für alle Ereignisse am Standort und Ansprechpartner für alle unsere Standorte im Ausland. Sie alarmiert und disponiert Feuerwehr, Rettungsdienst und Werkschutz. Im Krisenfall treffen sich ausgewählte Führungskräfte und gegebenenfalls. Behörden- und Firmenvertreter im Emergency Response and Information Center (ERIC), um einerseits die Grundsätze der gemeinsamen Kommunikation an Presse und andere Stakeholder abzustimmen - und andererseits um den schnellen Wiederanlauf nach Ende der Störung vorzubereiten. In bestimmten Situationen wurden wir in Vergangenheit mit tausend von Anrufen von besorgten Familienangehörigen bombardiert - hier springt die dann mit freiwilligen Mitarbeitern besetzte Notfallinformationszentrale (NIZ) ein und erteilt Auskünfte an Angehörige.

Werden am Flughafen Notfallübungen abgehalten und wie hat sich das Feuerwehr Training Center bewährt? Trainieren dort auch andere Feuerwehren?

Karl-Christian Hahn: Ohne Übung geht es nicht. Die Ereignisse, die nur selten vorkommen, aber schwerwiegende Auswirkungen hätten, müssen regelmäßig geübt werden. Alle Flughäfen müssen alle zwei Jahre eine große, meist flugunfallbezogene Übung, veranstalten. Aber das allein reicht nicht. Wir sind in der glücklichen Lage, auf unserem neuen Übungsplatz regelmäßig - und ohne Feuer - zu üben. Zusätzlich haben wir zu vielen Firmen am Flughafen einen guten Draht, so dass wir auch vor Ort üben können, z.B. in Tanklagern, im Gefahrgutlager und weiteren besonderen Umgebungen. Inzwischen waren viele Flughafenfeuerwehren aus ganz Europa und dem Nahen Osten bei uns. Unsere Ausbilder gehen aber auch vor Ort - in die eben jene Regionen und vor allem auch an die anderen Standorte des Fraport-Konzern.

Welche Aufgaben haben Sie für die Fraport AG, die sich ja weltweit engagiert, noch außerhalb des Standortes Frankfurt am Main?

Karl-Christian Hahn: Richtig, die Fraport AG ist inzwischen weltweit in unterschiedlicher Ausprägung unterwegs: mal als Eigentümer, mal als befristeter Betreiber des ganzen Flughafens oder von Teilen eines Flughafens oder als Consultant. Natürlich kommen dabei die gleichen Brandschutzfragen wie hier am Standort hoch - wir sind dann Berater und/oder Ausbilder für vorbeugenden Brandschutz, abwehrenden Brandschutz und Flugzeugbergung. Manchmal sind wir lange zuvor geplant vor Ort, manchmal unterstützen wir kurzfristig mit Daten per Mail. Gelegentlich aber auch nachts oder am Wochenende gilt es telefonisch den eigenen Kollegen zu helfen.

Wie verbringen Sie Ihre Freizeit und wie sicher fühlen Sie sich, wenn Sie von Frankfurt aus in Urlaub fliegen?

Karl-Christian Hahn: Ich habe meine Familie und meinen Beruf - beides liebe ich und zusammen füllen sie vierundzwanzig Stunden am Tag aus. Da ist kein Platz mehr für ein Hobby. Im Urlaub ist Entspannung angesagt, keine aufwändigen Reisen, dafür bin ich dienstlich schon genug unterwegs. Ansonsten lehne ich mich im Flugzeug immer locker zurück und versuche Schlaf nachzuholen. Schließlich ist die Fahrt mit dem Auto zum Flughafen viel gefährlicher als der Flug selbst.

Vielen Dank für das spannende Interview zur Sicherheit am größten deutschen Flughafen. Es ist beruhigend zu wissen, dass Sie und Ihre Leute beim Thema Flughafenbrandschutz mit so viel Einsatz, Aufwand und Professionalität arbeiteten.

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