Interview mit Ralph Siegfried, Business Development Manager Retail bei Axis Communications

GIT SICHERHEIT sprach mit Ralph Siegfried, Business Development Manager Retail bei Axis Communications, über die Hintergründe der jüngsten Studie über CCTV im Einzelhandel des EHI ...

Ralph Siegfried, Business Development Manager Retail bei Axis Communications
Ralph Siegfried, Business Development Manager Retail bei Axis Communications

GIT SICHERHEIT sprach mit Ralph Siegfried, Business Development Manager Retail bei Axis Communications, über die Hintergründe der jüngsten Studie über CCTV im Einzelhandel des EHI Retail Institute.

GIT SICHERHEIT: Herr Siegfried, werfen wir gleich mal einen Blick auf die Praxis: Wie wirkt Videoüberwachung aus Sicht der Einzelhändler? Geht es dem Einzelhandel eher um Abschreckung diebischer Kunden - oder mehr um den Bereich Warenein- und -ausgang? Wie und wo genau wird die Videoüberwachung im Einzelhandel eingesetzt?

Ralph Siegfried: Zunächst muss man sich klarmachen, welche Summen durch Inventurdifferenzen eigentlich entstehen. Was für einige wie ein Kavaliersdelikt scheinen mag, ist für andere enorm geschäftsschädigend. Das Kölner EHI Retail Institute stellte 2013 in Deutschland Inventurdifferenzen von 3,3 Milliarden Euro fest. Diese werden durch Diebstähle von Kunden, eigenen Mitarbeitern sowie Lieferanten und Servicepersonal verursacht. Statistisch betrachtet, stiehlt jeder deutsche Haushalt jährlich Waren im Wert von rund 55 Euro. Dadurch entgehen dem deutschen Einzelhandel durchschnittlich 1,01 Prozent seines Umsatzes. Der Einzelhandel investiert jährlich rund 1,3 Milliarden Euro in Präventiv- und Sicherheitsmaßnahmen. Videoüberwachung ist hier ein effizientes Mittel. Kameras unterstützen Mitarbeiter, verdächtiges Verhalten bzw. Diebstähle zu erkennen sowie im Nachgang aufzuklären. Die Studie über CCTV im Einzelhandel, welche vom EHI Retail Institute in Köln im Auftrag von Axis Communications bereits zum zweiten Mal durchgeführt worden ist, zeigt deutlich, dass die Abschreckung diebischer Kunden ein sehr wichtiger Grund für die Installation von Kameras ist. So haben in der Studie 97 Prozent der befragten Händler angegeben, dass sie diese im Verkaufsraum installiert haben. Weitere Überwachungskameras finden sich auch im Kassenbereich, den Check-out-Zonen sowie dem Waren Ein und -ausgang. Gegenüber dem Vorjahr verwenden nun auch mehr Einzelhändler Überwachungsmonitore, rund 75 Prozent. Diese dienen überwiegend zur Abschreckung und als Hinweis auf die Videoüberwachung für die Kunden.

Welche Rolle spielt Videoüberwachung bei der Aufklärung bereits begangener Übergriffe?

Ralph Siegfried: Eine sehr große Rolle. In der Studie gaben 93 Prozent an, dass die Aufzeichnungen im Falle eines externen Diebstahls verwendet werden, 6 Prozent bei Einbrüchen. Dank hochauflösender Kameras können auf den Bildern inzwischen auch Details erkannt werden und so eine Identifizierung krimineller Personen erleichtert werden. Hier bieten Netzwerk-Kameras gegenüber analogen Produkten einen deutlichen Vorteil. Denn neben der IP-Verbindung, die den Fernzugriff auf die Videobilder gleich für mehrere Nutzer ermöglicht, sprechen vor allem die hohe Bildqualität, die anwenderfreundliche Montage und die geringe Wartung für die digitale Variante. In HDTV- oder Megapixel-Qualität lassen sich Bilddetails deutlich besser erkennen als mit analoger Bildtechnik. Und das erhöht auch den forensischen Nutzen. Die Diebstahlrate sinkt, denn Personen oder zum Beispiel Nummernschilder können sehr viel leichter identifiziert werden. Auf unserer diesjährigen Roadshow sprach ein Videoexperte des Forensischen Instituts in Zürich über den Nutzen von Videobildern für die Aufklärung von Straftaten. Er betonte, dass ein gut geplantes System essentiell ist, um die Täterschaft zu klären oder auch vorab Kriminelle abzuschrecken. Eine Kamera bringt nichts, wenn davor ein Werbeplakat aufgehängt wird und nur noch ein kleiner Teil des Kamerabildes sichtbar ist. Ein Videosystem muss grundsätzlich folgende Fragen beantworten können: Wie ist die Tat passiert? Welche Merkmale hatte der Täter? Ohne Videoüberwachung müsste man sich auf die Beschreibung anderer Kunden oder des Personals verlassen. Doch dies ermöglicht nur in den seltensten Fällen eine Identifizierung.

Die Vorteile von digitalen Netzwerk-Kameras werden von den Einzelhändlern offenbar deutlich gesehen. Nun zeigt die Studie allerdings auch: Im Vergleich zum Vorjahresergebnis hat bei der 2014er Erhebung die Zahl der Projekte bei denen ausschließlich Netzwerk-/IP-Kameras eingesetzt oder geplant werden, abgenommen. Dafür steigt die Zahl der Anwender, die beide Technologien einsetzen bzw. planen dies zu tun (zu Lasten der rein analogen Konzepte). Mit anderen Worten: Der Einzelhändler schmeißt so schnell nichts weg?

Ralph Siegfried: Die Zahl zeigt nicht die Anzahl der Projekte, sondern die prozentuale Verteilung der eingesetzten Technologie bei den Einzelhändlern. Da wir in 2014 gut doppelt so viele Teilnehmer hatten, ist der Anteil derer, die nur IP-Technik einsetzten, prozentual etwas geringer, in absoluten Zahlen aber höher. Bei Um- oder Neubauten wird heute fast immer direkt auf IP-Systeme gesetzt. Aber natürlich, auch wir plädieren dafür, funktionierende analoge Kameras nicht sofort zu ersetzten, sondern mittels Encoder in digitale Systeme einzugliedern. Dafür bieten sich Encoder an, die analoge Videosignale in digitale Datenströme konvertieren. So können Einzelhändler ihr System erweitern und modernisieren. Die Studie zeigt, dass viele Händler auf den kombinierten Einsatz von traditioneller analoger und digitaler Technologie vertrauen. Eine Erklärung hierfür ist der Investitionsschutz.

Vor allem die HDTV-Bildqualität ist ein schlagendes Argument im Abgleich von IP- versus analoge Technik. Offenbar werden aber noch nicht alle Möglichkeiten in der Praxis ausgeschöpft - hier nennt die Studie das Thema Zugriff über mobile Endgeräte?

Ralph Siegfried: Der Grund warum viele Händler vermehrt zu Netzwerk-Kameras greifen, hat sich gegenüber 2013 kaum verändert. Nach wie vor sind die hervorragende Bildqualität, die unkomplizierte Installation sowie die größere Flexibilität Gründe für IP-Video. Handlungsbedarf besteht beim Zugriff auf Videodaten. Dem Wunsch von rund der Hälfte der Umfrageteilnehmer mit mobilen Endgeräten auf Daten zuzugreifen, wurde bisher nur in 14% der Unternehmen entsprochen. Ganz offensichtlich müssen hierfür erst die richtigen Rahmenbedingungen geschaffen werden.

Die Videotechnik wird ja ganz generell immer stärker zu Zwecken eingesetzt, die jenseits der Aspekte Prävention, Strafverfolgung, Sicherheit liegt. Im Einzelhandel kann sie etwa dazu dienen, einen besseren Überblick über die Kunden und deren Verhalten zu gewinnen. Welche dieser Trends finden denn Anklang beim Retailer?

Ralph Siegfried: Vielen Einzelhändlern ist zwar bekannt, dass sie den Return-on-Investment durch die Nutzung von Zusatzfunktionen mit Hilfe von Video-Analysen weiter verbessern können. Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern zeigt die EHI-Studie jedoch, dass die weiteren möglichen Einsatzfelder von Netzwerk-Videosystemen in Deutschland bisher wenig genutzt werden. Am bekanntesten sind die Personenzählung und das Management von Warteschlangen. Analysen der Laufwege und Verweildauer, Erkennung von Alter/Geschlecht oder die automatische Erkennung von Bestandslücken sind zwar den meisten bekannt, werden aber nur von wenigen eingesetzt. Gegenüber 2013 geben allerdings deutlich mehr Einzelhändler an, die Einführung dieser Systeme zu planen.

Wie sieht es bei Video-as-a-Service, insbesondere hinsichtlich der Wahrnehmung von Cloud-Angeboten aus?

Ralph Siegfried: Hier sehen wir einen deutlichen Sprung. 2013 gaben lediglich 2 Prozent an, dass sie eine Cloud-basierte Videoüberwachung nutzen. 2014 hingegen speichern bereits 6,3 Prozent der befragten Einzelhändler ihre Daten in der Cloud, auch wenn der PC das bevorzugte Medium bleibt.
41 Prozent der videoaffinen Studienteilnehmer sagen, dass die Zahl der Warendiebstähle rückläufig sei - von diesen 41 Prozent berichten wiederum 14 Prozent von einem Rückgang um mehr als 50 Prozent. Bei welcher Rückgangsquote lohnt es sich aus Sicht der Einzelhändler eigentlich? Wie sieht es generell mit dem Return on

Investment aus? Welche Daten gibt es hier?

Ralph Siegfried: Grundsätzlich lohnt es sich immer für den Einzelhändler in den Schutz seiner Mitarbeiter und seiner Waren zu investieren. Netzwerk-Kameras haben eine lange Lebensdauer und schon alleine aus diesem Grund „rentiert" es sich, in ein Videoüberwachungssystem zu investieren. Eine genaue Zahl, ab wann es sich lohnt, ist schwer zu ermitteln und hängt von zahlreichen Faktoren, wie Lage des Geschäfts, Warenwert etc, ab. Fakt ist, dass die Videoüberwachung in diesem Jahr das führende Instrument zur Diebstahlbekämpfung ist. Da Einzelhändler Ihre Ausgaben sehr kritisch unter die Lupe nehmen, kann man davon ausgehen, dass sich die Investition sehr schnell amortisiert.

In welchem Maße fließt bei der Entscheidung mit ein, dass es auch Nachteile der Videoüberwachung geben kann? Die Studie nennt hier Stichworte wie den Aufwand für die Auswertung, aber auch die Privatsphäre?

Ralph Siegfried: Eine gute und effiziente Planung vor der Inbetriebnahme eines Videosystems ist das A und O für eine gelungene Installation sowie ein erfolgreiches System. Wichtig ist, dass von vornherein der Betriebsrat und die Mitarbeiter mit ins Boot genommen werden. Der Einzelhändler kennt die Bereiche mit dem größten Diebstahlrisiko sehr gut. Wir legen wiederum als Hersteller sehr viel Wert auf eine sehr gute Ausbildung unserer Systemintegratoren und bieten seit Anfang des Jahres auch eine spezielle Zertifizierung an. Gemeinsam können daher die Bedürfnisse und Anforderungen an die Kameras geklärt werden. Ein guter Tipp ist es auch, den Mitarbeitern die Kameras zu zeigen sowie auch die aufgenommen Bilder. So können Missverständnisse von vornherein aus dem Weg geräumt werden. Der Mitarbeiter am Point-of-Sale weiß dann beispielsweise, dass lediglich die Kasse selbst, nicht aber das Gesicht des Kassierers gefilmt wird. Von technischer Seite befürchten viele Händler einen Mehraufwand durch die Auswertung der Bilddaten. Dies ist jedoch dank moderner Systeme und Software kein Problem mehr. Ein weiterer Hemmschuh für Videoüberwachung ist die Sorge der Angestellten um ihre Privatsphäre, Rechte oder Integrität. Hier ist, wie bereits angesprochen, Ehrlichkeit und Proaktivität das beste Mittel. Denn vielen Angestellten ist oftmals gar nicht bewusst, wo sie gefilmt werden, und wo eben nicht.

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