IP-Kameras als Sensoren: Intelligente Videoanalyse
Preiswerter, einfacher zu warten und mit besserer Bildqualität. Netzwerkkameras sind in vielerlei Hinsicht ihren analogen Vorgängern überlegen. Eine neue Generation von IP-Kameras ...
Preiswerter, einfacher zu warten und mit besserer Bildqualität. Netzwerkkameras sind in vielerlei Hinsicht ihren analogen Vorgängern überlegen. Eine neue Generation von IP-Kameras soll nun die umgebende Infrastruktur weitestgehend überflüssig machen. Intelligente Software – sogenannte Edge-basierte Videoanalysen – ist der Schlüssel für Analysen auf der Kamera. Ein Beitrag von Maximilian Busse, Regional Sales Engineer bei Moog Pieper.
Bislang bestanden Netzwerk-Videosysteme aus einer Vielzahl an Komponenten: die IP-Kamera, einem Computer für die Videoverwaltungssoftware und natürlich das umgebende Netzwerk aus Server sowie Switches, Router und Speicher. Zukünftig könnte ein solches System erheblich kleiner sein: Dank leistungsfähiger Chips auf den Kameras lassen sich zahlreiche Kamerafunktionen in die Geräte selber integrieren.
Netzwerk überflüssig?
Egal, ob es sich um klassische Bewegungserkennung oder auch erweiterte Funktionalitäten wie das Zählen von Personen handelt – die neue Generation an Kameras benötigt erheblich weniger Infrastruktur für die Bildverarbeitung als frühere Modelle. Unternehmen sparen Kosten, denn statt High-Performance-Servern lassen sich kleinere, preiswertere Modelle nutzen, die meist niedrigere Lizenzgebühren haben, weniger Strom- und Wartungskosten verursachen und bei zusätzlichen Kameras einfacher erweitert werden können. Auch die einfachere Skalierbarkeit der Videoüberwachung spricht für die neuen Technologien.
Vorteile bieten sich auch beim Speicherplatz. Denn trotz gesunkener Preise ist dies häufig ein Knackpunkt bei der Installation einer Videoüberwachung. Zum einen benötigen Edge-basierte Videoanalysen weniger Speicherkapazität: Leistungsfähigere Software komprimiert die Videosequenzen um bis zu achtzig Prozent im Vergleich zu Motion JPEG. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, dass ausschließlich relevantes Bildmaterial gespeichert wird. Beim Perimeterschutz von Betriebsgeländen oder Parkplätzen würden beispielsweise Sequenzen ohne jegliche Bewegung nicht vom System übermittelt werden. Erst nachdem eine Bewegung registriert wird, zeichnet die Kamera den Vorfall auf, übermittelt diesen an die Leitstelle und informiert gegebenenfalls per SMS das Wachpersonal.
Grenzen der On-the-Edge-Videoanalyse
Dennoch steckt der Teufel, wie bei vielen neuen Technologien, noch im Detail: Je nach Hersteller reicht die Funktionalität, Flexibilität und Leistungsfähigkeit der Kameras für einige Anwendungsfälle noch nicht aus. Ein Beispiel ist die Nummernschilderkennung, die an Mautstraßen oder bei der Parkplatzverwaltung genutzt wird, um Autos zügiger abzufertigen. Bei solch großen Datenbankabgleichen sind Server-Installationen derzeit noch erforderlich und können auch in absehbarer Zeit nicht über die Kamera geleistet werden. Gleiches gilt auch für die Gesichtserkennung, die bei Sportgroßveranstaltungen eingesetzt wird, zuletzt beispielsweise bei den Olympischen Spielen in Pyeongchang.
Nicht in allen Fällen ist der Verzicht auf Server oder PC-gestützte Systeme sinnvoll. Gerade bei der Speicherung sensibler Videodaten ist die Verwaltung von Zugriffen sowohl auf Live-Bilder als auch gespeichertes Videomaterial über eine Videoverwaltungssoftware unverzichtbar.
Stolpersteine rechtzeitig ausräumen
Die Beispiele zeigen: Für eine gelungene Installation müssen Integrator und Kunde genau erörtern, welche Analysefunktionen in der Kamera technisch möglich sind und welche kundenseitig benötigt werden. Durch das Zusammenführen von Bilderfassung, Digitalisierung und Auswertung innerhalb eines Systems vereinfacht sich die Projektierung sowohl für Integrator als auch Anwender. Die einzelnen Analyse-Funktionen können auf einer Oberfläche in der Kamera konfiguriert werden. Zur Visualisierung können diese aber auch in eine übergeordnete Videomanagement-Software integriert werden.
Wichtig ist zudem, dass Analysefunktion, Installationsort und gewählte Kamera zusammen passen. Bei einer Personenzählung, wie sie beispielsweise auf Messen zur Besucherzählung und auch zur gezielteren Personalplanung eingesetzt wird, muss die Kamera von oben montiert einen Blick auf die gesamte Szene ermöglichen. Und zu guter Letzt muss das Thema Datenschutz berücksichtigt werden. Echtzeit-Verpixelungen zum Schutz von Mitarbeitern oder die Schwärzung ganzer Bildabschnitte, wie beispielsweise von Nachbargrundstücken, sind kundenspezifische Softwareprogrammierungen, die in der Planung berücksichtigt werden müssen.
Einzelhandel und ÖPNV
Edge-basierte Lösungen können grundsätzlich in allen Branchen eingesetzt werden, auch wenn sie derzeit vor allem im Einzelhandel Anwendung finden. Die Funktion zur Personenzählung wird von Retailern genutzt, um Stoßzeiten besser zu bestimmen und in diesen Phasen mehr Personal einzuplanen. Gespeichert werden die numerischen Daten, nicht die Videosequenzen selber. Auch lassen sich durch die Zählung von Kunden Rückschlüsse auf (regionale) Werbemaßnahmen ziehen.
Ähnliche Einsatzmöglichkeiten gibt es beim öffentlichen Nahverkehr, der allerdings noch von analogen Kameratechnologien geprägt ist. Hier könnten intelligente Kamerasysteme zukünftig zur besseren Sicherheit der Passagiere beitragen. Reisen nach einem Konzert oder Sportereignis sehr viele Personen gleichzeitig ab, können Einsatzkräfte basierend auf der Personenzählung der Kamera schneller entscheiden, ob ein Bahnsteig wegen Überfüllung kurzzeitig gesperrt werden muss.
Doch nicht nur Pop-Konzerte oder Fußballspiele profitieren von verbesserten Sicherheitstechnologien. Vorteile bieten sich auch in der klassischen Perimeter-Überwachung für das automatisierte Verfolgen von Objekten oder Personen mittels steuerbarer Kameras (PTZ-Kameras). Spezielle Applikationen auf Thermalkameras alarmieren, wenn sich eine Person unbefugt Zutritt zu einem bestimmten Bereich verschafft. Die einfach zu installierende Applikation unterscheidet zwischen Personen, Tieren und Fahrzeugen und stellt somit eine sinnvolle Ergänzung zu üblichen physischen Schutzmaßnahmen dar.
Eine Einzelfallentscheidung
Edge-basierte Lösungen sind vor allem für Anwendungsfälle interessant, in denen keine umfassende Infrastruktur vorhanden ist (ein grundlegendes Netzwerk zur Weitergabe von Daten und zur Stromversorgung wird dennoch benötigt), Kameras auf mehrere, mitunter abgeschiedene Standorten verteilt sind oder nicht ausreichend Bandbreite zur Verarbeitung der Video-Streams vorhanden ist. Damit sind die ausgeklügelten Analytics-Lösungen auch für kleinere Unternehmen eine Option, für die Videoüberwachung bislang unerschwinglich war.
Dem gegenüber steht mehr Leistungsfähigkeit bei klassischen IP-basierten Lösungen – es gibt also auch weiterhin Gründe für die Installation im Netzwerk. Integratoren wie Moog Pieper helfen, für die kundenspezifischen Anforderungen die passende Lösung zu finden – sowohl was die Technologie als auch das Budget betrifft.