28.01.2010 • Topstory

Keine Angst vor neuen Normen

Sensoren und Sensorlösungen der Fabrik-, Logistik und Prozessautomation stehen im Mittelpunkt der Aktivität der Sick AG. Der unabhängige, weltweit tätige Konzern beschäftigt mehr a...

Sensoren und Sensorlösungen der Fabrik-, Logistik und Prozessautomation stehen im Mittelpunkt der Aktivität der Sick AG. Der unabhängige, weltweit tätige Konzern beschäftigt mehr als 5.000 Mit­arbeitern und erzielte im Jahr 2008 einem Umsatz von 737,3 Mio. €.
Das Geschäftsgebiet der Fabrikautomation umfasst die Produkte der Automatisierungs- und der Sicherheitstechnik. Die Steuerung von Fertigungsabläufen sowie die Qualitätssicherung sind die wichtigsten Aufgabengebiete in der Automatisierungstechnik. Lösungen der Sicherheitstechnik vermeiden Gefährdungen von Mitarbeitern im Bereich gefahrbringender Maschinen.

Im Geschäftsgebiet der Logistikautomation bietet Sick Lösungen für die automatische Identifi­kation von Barcodes und 2D-Codes, für die Kennzeichnung mit RFID-Systemen sowie die Höhen-, Form- und Volumenerfassung.

In der Prozessautomation bietet die Sick AG unter dem Markennamen Sick-Maihak Komponenten und Systemlösungen für die Gasana­lyse, die Staubmesstechnik, die Durchflussmessung und die Füllstandmesstechnik an.Zum 29.12.2009 tritt die neue Maschinenrichtlinie (MRL) in Kraft. Zeitgleich wird die alte Sicherheitsnorm EN954-1 durch die EN ISO 13849 abgelöst. ­Bekannt ist dies seit mehr als zwei Jahren - dennoch wird vielerorts erst jetzt, da man sich damit beschäftigt, klar, welchen Aufwand die Umstellung mit sich bringt. Neben Informationsveranstaltungen und Fachliteratur sind es vor allem die von Bosch-Rexroth und Sick gemeinsam angebotenen Qualifikationsseminare zum „TÜV-zertifizierten Sicherheitsexperten", die den betroffenen Konstrukteuren wertvolle Hilfestellungen bieten.


Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass die Auswirkungen der EN ISO 13849 weitaus größer sind als ursprünglich vermutet. Verschiedene Studien belegen sehr deutlich, dass es derzeit noch einen großen Nachholbedarf gibt: Obwohl die überwiegende Mehrheit angibt, im Rahmen der Konstruktion die Normen zukünftig zu berücksichtigen, kennt weniger als die Hälfte der Unternehmen die Norm EN ISO 13849-1 hinreichend gut. Das gilt auch für den Einsatz von unterstützenden Tools, die zum großen Teil nicht bekannt sind. Mit der 4-tägigen Qualifizierung zum zertifizierten „Experten - funktionale Sicherheit nach EN ISO 13849 (TÜV)" schaffen Bosch Rexroth und Sick hier Abhilfe. Sie behandelt neben elektrischen und programmierbaren elektronischen Technologie auch Aspekte sicherheitsgerichteter Pneumatik und Hydraulik. Nach erfolgreicher schriftlicher Prüfung vergibt der TÜV das Zertifikat.

Was ist anders bei der EN ISO 13849?


Die Sicherheitsfunktionen einer Maschine nach dem zu erwartenden Risiko in eine von fünf Kategorien einordnen und anschließend eine qualitative Verifizierung der sicherheitsrelevanten Steuerungsteile durchführen - dies war grob vereinfacht der Determinismus, der der Norm EN 954-1 zugrundelag. In Zeiten programmierbarer Systeme und komplexer Elektronik reicht dieser Ansatz nicht mehr aus, da z. B. Zuverlässigkeitswerte einzelner Systemkomponenten oder das Ausfallrisiko von Systemen unberücksichtigt blieben. Mit der Nachfolgenorm EN ISO 13849-1 werden jetzt auch quantitative Methoden bzw. Kriterien zum Beurteilen der funktionalen Sicherheit eingeführt, z. B. die MTTFd (mean time to dangerous failure) oder die Betrachtung der Anfälligkeit für Mehrfachfehler aufgrund gemeinsamer Ursache (CCF - common cause failure). Die Steuerungskategorien der EN 954-1 finden sich jetzt mit entsprechend erweiterten Inhalten in den neuen Performance Levels (PL) der EN ISO 13849 wieder - von „a" für niedrig bis „e" für hoch.

Viele Vorteile, viele Fragen


Für die Konstrukteure im Maschinen- und Anlagenbau weist die EN ISO 13849 mehrere Pluspunkte auf: Sie umfasst alle Technologien, ist insbesondere für kleinere und mittlere Unternehmen nachvollziehbar und praktikabel, hat in vielen Fällen einen deutlichen Bezug zu den anwendbaren C-Normen und die PL basieren auf der grundsätzlich bekannten Kategorisierung (Struktur) in B, 1, 2, 3 und 4.

Was nachvollziehbar klingt, hat jedoch in der Praxis der Umsetzung seine Tücken:

  • Wo und wie informiert sich der Konstrukteur,
  • wie stellt er den lückenlosen Umstieg von EN 954-1 auf EN ISO 13849 sicher,
  • wie definiert er sicherheitsrelevante ­Funktionen,
  • sind solche Funktionen an einer Maschine isoliert oder interaktiv zu betrachten,
  • wie identifiziert er die an der Sicherheitsfunktion beteiligten Komponenten anhand der elektrischen, pneumatischen und ­hydraulischen Steuerpläne,
  •  wie überführt der Konstrukteur die Ab­bildung der technischen Realisierung in
  • ein virtuelles Blockdiagramm,
  • wie und wo kann er sich die benötigten ­sicherheitstechnischen Kennwerte be­schaffen und
  • welchen Einfluss hat das Thema Qualitäts­sicherung?

Sicherheitsspezialisten wie Sick können die Fragen beantworten und den hohen Informationsbedarf in Konstruktionsabteilungen bedienen.

Normgerechte Definition von Sicherheitsfunktionen


Eine professionell durchgeführte Risikobeurteilung ist eine gute Basis, um alle sicherheitsrelevanten Funktionen an seiner Maschinen oder Anlage zu definieren. Am einfachsten zu beschreiben sind dabei solche Sicherheitsfunktionen, die bei Auslösen den Stopp einer gefährlichen Bewegung hervorrufen. Hierzu zählen u. a. allen Schutztüren und berührungslos wirkenden Schutzeinrichtungen einschließlich Muting. Darüber hinaus müssen u. U. sichere Positionserfassung (z. B. bei ­Robotern) oder auch Geschwindigkeitsüberwachungen betrachtet werden, die bei Grenzwertverletzungen einen sicheren Halt herbeiführen. Umfasst die Anzahl bei kleinen Maschinen vielleicht 5-10 verschiedene Sicherheitsfunktionen, gelangt man bei komplexen Anlagen schnell in Regionen von über 100 Sicherheitsfunktionen. Darüber hinaus ist festzulegen, ob bestimmte Sicherheitsfunktionen nur isoliert zu betrachten sind oder ob nicht untereinander auch Abhängigkeiten entstehen. So kann es bspw. sein, dass eine für einen Bediener gefährliche Bewegung nicht nur von einen Antriebsystem hervorgerufen wird, sondern gleichzeitig auch noch von einer hydraulischen Spanneinrichtung.

Unterstützung bei der sorgfältigen und strukturierten Beschreibung von Sicherheitsfunktionen bietet das Software-Tool Safexpert, welches den Hersteller gleichzeitig durch den gesamten CE-Kennzeichnungsprozess führt und - quasi nebenbei - auch gleich eine Betriebsanleitung erzeugt, in denen Gefahren, Sicherheitsmaßnahmen und organisatorische Aspekte aufgeführt werden. Der integrierte Normmanager von Safexpert stellt nicht nur sicher, dass bei neuen Projekten die aktuell gültigen Normen angewendet werden - er prüft auch bereits durchgeführte Risikobeurteilungen automatisch auf Aktualität der angewendeten Normen und Richtlinien und passt sie bei Bedarf an. Darüber hinaus unterstützt die Software aktiv die Multiplikation von Risikobewertungen und ihren Sicherheitsfunktionen. In vielen Fällen lässt sich der überwiegende Anteil der Sicherheitsfunktion in Modulen standardisieren; lediglich projektspezifische Anpassungen müssen neu bewertet werden.

Safexpert: Schnittstelle zu SiSteMa


Nachdem jede der für eine Maschine oder Anlage definierten Sicherheitsfunktionen beschrieben und der erforderliche Performance Level PLr festgesetzt wurde, besteht nun oft die Schwierigkeit, die an der Sicherheitsfunktion beteiligten Komponenten anhand der elektrischen, pneumatischen und hydraulischen Steuerpläne zu identifizieren. Schnell sind die „handelsüblichen" Sicherheitsbauteile ausgemacht; problematischer ist jedoch die Identifizierung diskreter Komponenten wie Schütze, Ventile, Elektronik- und Feldbusbaugruppen, die ebenfalls an der Ausführung der Sicherheitsfunktion beteiligt sind. Unterstützung bietet hier das weit verbreitete und kostenlos erhältliche Software-Tool SiSteMa des BGIA (Berufgenossenschaftliches Ins­titut für Arbeitssicherheit). Um den gesamten Prozess zwischen Risikobeurteilung und der „Bewertung zur funktionalen Sicherheit" zu optimieren, bietet Safexpert seinerseits eine Schnittstelle zu SiSteMa an. Das Ergebnis der Risikobeurteilung - die Definition der Sicherheitsfunktion mit dem zugehörigen PLr - ist die Eingangsgröße für SiSteMa; nach der Quantifizierung wird das Verifikationsergebnis zurück in Safexpert „gespiegelt" und dort mit dokumentiert. Somit lassen sich komplette Projekte auch datentechnisch ideal zusammenführen.

Woher kommen die Daten für die ­sicherheitstechnischen Kennwerte?

Sind alle Sicherheitsfunktionen einmal entsprechend analysiert, folgt die Informationsbeschaffung der benötigten sicherheitstechnischen Kennwerte. Die Daten aller eingesetzten Komponenten zu ermitteln, die direkt oder indirekt an der Ausführung von sicherheitsrelevanten Funktionen beteiligt sind, kann für den Konstrukteur eine recht zeitaufwändig Aufgabe sein, vor allem dann, wenn Hersteller anzufragen, Datenblätter zu beschaffen, Internetseiten zu durchsuchen und aufgeführte Kennwerte richtig zu interpretieren sind. Die Hersteller von Sicherheitskomponenten sollten sich von Haus aus mit der Informationsbereitstellung leichter tun - aber auch hier reicht der Blick in die Datenblätter oder Bedienungsanleitungen nicht immer aus, um an die benötigten Kennwerte zu gelangen. Weitaus komfortabler und prozesssicherer ist dagegen die Verwendung von SiSteMa-Bibliotheken, wie sie von Sick verfügbar ist. Die Produktbibliothek für SiSteMa unterstützt den Anwender bei der Bewertung von sicherheitsbezogenen Maschinensteuerungen nach EN ISO 13849 auf direktem Wege, da alle relevanten Kennzahlen direkt in SiSteMa exportiert und dort genutzt werden können. Der Konstrukteur hat deutlich weniger Rechercheaufwand und kann in seinem Arbeitsprozess zeitnah auf die Daten zugreifen - die im Übrigen bei Bedarf online aktualisiert werden.

Fazit


Der Umstieg von EN 954-1 auf EN ISO 13849 kann vielerorts nicht alleine mit den vorhandenen „Bordmitteln" gestemmt werden. Tools wie Safexpert, SiSteMa und die Sick-Komponentenbibliothek bieten Hilfestellungen, deren effiziente Nutzung im Rahmen der von Bosch Rexroth und Sick gemeinsam angebotenen Qualifizierung zum zertifizierten „Experten - funktionale Sicherheit nach EN ISO 13849 (TÜV)" trainiert wird.
Mit zertifizierter Kompetenz verliert die neue Norm EN ISO 13849 ihre Schrecken und eröffnet - u. a. durch den jetzt größeren Spielraum für die einzusetzenden Komponenten - neue technologische Innovationspotenziale.

Meist gelesen