Maschinensicherheit: CE-Kennzeichnung und Maschinenrichtlinien
Maschinensicherheit: CE-Kennzeichnung und Maschinenrichtlinien. Konstrukteure und Planer müssen seit dem 1.1.1995 die Maschinenrichtlinie beim Inverkehrbringen von Maschinen und An...
Maschinensicherheit: CE-Kennzeichnung und Maschinenrichtlinien. Konstrukteure und Planer müssen seit dem 1.1.1995 die Maschinenrichtlinie beim Inverkehrbringen von Maschinen und Anlagen verbindlich berücksichtigen. Seit Juni diesen Jahres ist nun die neue Maschinenrichtlinie 2006/42/EG im Amtsblatt der EU veröffentlicht. Welche Änderungen ergeben sich für den Anwender bei der Umsetzung der Anforderungen aus der neuen Maschinenrichtlinie?
Die CE-Kennzeichnung an einer Maschine wird in der Regel vom Hersteller selbst angebracht. Ausnahmen bilden hier nur die als besonders gefährlich eingestuften Maschinen nach Anhang IV der Maschinenrichtlinie, die ein besonderes Konformitätsbewertungsverfahren durchlaufen müssen. Unterschiedliche Sicherheitsanforderungen hatten dabei in Europa zu Handelshemmnissen geführt.
Durch die Maschinenrichtlinie sollte der freie Warenverkehr innerhalb des europäischen Wirtschaftsraums vereinfacht werden. Dieser neue Ansatz erfordert gleichzeitig aber auch mehr Eigenverantwortung der Maschinenhersteller. Diese sehen sich jedoch einem harten Wettbewerb ausgesetzt und daher ist die Versuchung groß, an der Sicherheit die nötigen Einsparungen vorzunehmen. Schnell wird in der Praxis dann der Ruf nach mehr staatlicher Überwachung laut, wenn ein Wettbewerber es nicht so genau nimmt.
CE = sichere Maschine?
Glaubt man einer unabhängigen Studie so ist es um die Sicherheit der Maschinen in Europa nicht gut bestellt: Lediglich 8% der Hersteller sind in der Lage, eine adäquate Risikoanalyse vorzulegen. Weniger als 12% der Konstrukteure konnten die korrekte Anwendung von harmonisierten Normen in Bezug auf die Anforderungen an moderne Steuerungssysteme darlegen. Bei weniger als 20% der Maschinen wiesen fanden Wartungs-, Reinigungs- oder Servicearbeiten die angemessene Berücksichtigung. Gerade hier jedoch weisen die Statistiken überdurchschnittlich hohe Unfallzahlen auf.
Dass die Zahlen für schwere Unfälle an Maschinen dennoch stetig und auf einem niedrigen Niveau bleiben, mag unterschiedliche Ursachen haben: Durch den hohen Automatisierungsgrad von Maschinen befindet sich der Bediener in der Regel außerhalb des Gefahrenbereichs. Dort, wo allerdings Eingriffe des Bedienpersonals notwendig werden, sind jedoch aufgrund der zunehmenden Komplexität der Anlagen und weit reichenden Integration die Schäden auch größer und weit reichender.
Sicherheitstechnische Ausrüstungen, so modern und fortschrittlich sie auch sein mögen, haben ihre natürlichen Grenzen. Vor diesem Hintergrund reift die Erkenntnis, dass der Durchbruch zur weiteren Reduzierung der Unfallrate nur über die stärkere Einbindung der Mitarbeiter in den Arbeitsschutz zu erreichen ist. Diese Forderung ist das Ergebnis von Unfalluntersuchungen. Demnach sind 90% der Unfälle auf unsichere Handlungen und nur 10% auf unsichere Bedingungen zurückzuführen.
Bei Unfällen mit tödlichem Ausgang handelt es sich nur um die Spitze des Eisbergs. Viel alarmierender sind die sog. "Beinaheunfälle". Dem Anspruch, dass jeder Unfall vermeidbar ist, wird man jedoch nur gerecht, wenn gefährliche Situationen, gleich ob sie zu einem Unfall geführt haben oder ob aufgrund glücklicher Umstände kein Personenschaden zu verzeichnen war, systematisch zur Untersuchung kommen.
Je mehr die Arbeitssicherheit an Bedeutung gewinnt, umso stärker wird sie unter Kostengesichtspunkten betrachtet. Daher sind die wirtschaftlichen Auswirkungen des Unfallgeschehens zu analysieren, um eine zusätzliche Motivierung der Verantwortlichen zu erreichen. Es geht dabei nicht um einen Gegensatz "Wirtschaftlichkeit oder Sicherheit". Optimale Wirtschaftlichkeit ist nur mit Arbeitsschutz zu erreichen und kaum ein wirtschaftliches Instrument weist ein so hohes Einsparpotenzial aus wie die Prävention.
Welchen Beitrag leistet die neue Maschinenrichtlinie?
Die bis dato existierende Maschinenrichtlinie 98/37/EG hat sich im Grundsatz bewährt. Daher bringt die neue Maschinenrichtlinie keine grundlegenden Änderungen mit sich. Im Detail jedoch ist eine Vielzahl von Anpassungen zu beachten. Insbesondere bei den Konformitätsbewertungsverfahren sind einige neue Ansätze zu berücksichtigen:
- Der Anwendungsbereich wurde klarer gefasst, vor allem durch eine neue Abgrenzung zur Niederspannungsrichtlinie und die Einbeziehung von Baustellenaufzügen sowie Lastaufnahmemitteln, die bisher nur in Anhang I erwähnt wurden.
- Die Anforderungen an Teilmaschinen – auch unvollständige Maschinen genannt – wurden in der Neufassung der Maschinenrichtlinie neu geregelt. Reichte bisher eine Herstellererklärung aus, muss der Hersteller zukünftig eine Einbauerklärung mitliefern. Darin muss angegeben werden, welche Anforderungen der Richtlinie auf die Teilmaschine zutreffen und eingehalten wurden. Diese Regelung erleichtert insbesondere den Prozess bei der Erstellung von komplexen Maschinenanlagen. Bisher war dies zusätzlich zwischen den Vertragsparteien zu vereinbaren. Eine Montageanleitung muss zukünftig den Unterlagen zur Maschine beigefügt werden.
- Die grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen (Anhang I) verlangen vom Hersteller eine Risikobeurteilung. Die Anforderungen an die Ergonomie, an Steuerungen und Schutzeinrichtungen sowie zu Lärm- und Vibrationsemissionen wurden konkretisiert.
- Das Konformitätsbewertungsverfahren für die in Anhang IV der Richtlinie aufgeführten und als besonders gefährlich eingeschätzten Maschinen wurde erweitert bzw. angepasst. Bisher musste bei derartigen Maschinen immer eine notifizierte Prüf- und Zertifizierungsstelle eingeschaltet werden. Zukünftig entfällt diese Verpflichtung, wenn es harmonisierte Normen für die spezielle Maschine gibt und diese Normen alle relevanten grundlegenden sicherheits- und Gesundheitsanforderungen berücksichtigen. Werden die Normen nicht eingehalten oder gibt es solche Normen für den jeweiligen Anwendungsfall nicht, ist es zukünftig möglich, statt der EG-Baumusterprüfung auch ein sog. umfassendes Qualitätssicherungssystem (nach Anhang X) durch den Hersteller anzuwenden.
- Der Anhang IV selbst wurde ebenfalls überarbeitet. Neu hinzugekommen sind u.a. Logikeinheiten für Sicherheitsfunktionen, wie z.B. Sicherheitsschaltgeräte, Sicherheitssteuerungen und Bussysteme. Darüber hinaus wurde der verallgemeinernde Begriff der „Schutzeinrichtungen zur Personendetektion“ mit aufgenommen. Zuvor war dies auf „elektronsensible Schutzeinrichtungen“ beschränkt.
- Neu ist außerdem, dass auch auf Sicherheitsbauteilen die CE-Kennzeichnung anzubringen ist (Anhang V). Da es immer wieder Diskussionen gab, was ein Sicherheitsbauteil ist, wurde als Anhang V der Richtlinie eine hinweisende, nicht vollständige Aufzählung von Sicherheitsbauteilen aufgenommen.
Zeitrahmen bei der Anwendung der neuen Maschinenrichtlinie
Die EG-Mitgliedstaaten müssen bis 29.06.2008 ihre nationalen Gesetze an das geänderte EG-Recht angepasst haben (in Deutschland: Überarbeitung der 9. Verordnung zum GPSG – 9. GPSGV und ggf. des Geräte- und Produktsicherheitsgesetzes – GPSG). Daran schließt sicher eine 18-monatige Anpassungsfrist bis 29. Dezember 2009 an. Wichtig zu wissen: eine Übergangsfrist mit gleichzeitiger Anwendung der alten und neuen Richtlinie gibt es nicht.
Das CE-Zeichen garantiert nicht automatisch eine sichere Maschine. Auch die neue Maschinenrichtlinie kann dies nicht gewährleisten. Auf dem Weg zu mehr Sicherheit dürfen sich Arbeitsschutz und Wirtschaftlichkeit jedoch nicht als Gegensatz sehen, stehen sie doch in direktem Bezug zueinander. Beide hängen sie von weiteren Faktoren ab, nämlich der Führungsqualität, der Unternehmenskultur sowie der Motivation von Führung und Mitarbeitern und ergänzen sich zu dem gemeinsamen Ziel, die Zukunft des Unternehmens zu sichern.
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Carsten Gregorius
Pilz GmbH & Co. KG, Ostfildern
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