Perimeterschutz: Tür und Tor in der Praxis
Hier lehren ausschließlich öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständigen: Die Akademie für Perimeter-Protection bietet Technikseminare mit Sachkundigenprüfung. Doch es geht ...
Hier lehren ausschließlich öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständigen: Die Akademie für Perimeter-Protection bietet Technikseminare mit Sachkundigenprüfung. Doch es geht nicht nur um Tür und Tor, sondern auch um Brandschutz. GIT SICHERHEIT sprach mit den Geschäftsführern Bernd Sander, Markus Macal und Britta Sander.
GIT SICHERHEIT. Herr und Frau Sander, Herr Macal, Sie haben Ihrem Internetauftritt vor kurzem einen frischen Anstrich verpasst – was gibt es Neues in Ihrem Programm?
Bernd Sander: Der Startschuss für die Akademie fiel im März 2016, unser gesamter Auftritt ist generell noch sehr frisch. Trotzdem hat sich in dieser Zeit auf unserer Website einiges getan. Es ist z.B. ein neuer Fachbereich hinzugekommen. Auch konnten wir weitere öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige als Dozenten hinzugewinnen. Und natürlich veröffentlichen wir hier Seminartermine in Moers, Berlin, im Raum Frankfurt und München, sowie auch Venedig. Die Resonanz nach den ersten drei Jahren war sehr positiv und immer wieder gab es Nachfragen nach weiteren Technikseminaren. So haben wir unser Angebot um das wichtige Thema Brandschutz erweitert. Außerdem gehen wir verstärkt auf Rechtsfälle aus der Gutachterpraxis ein.
Sie sprechen mit Ihren Seminaren ja vor allem erfahrene Praktiker an?
Markus Macal: Unsere Seminare sind für alle Techniker interessant. Technische Vorkenntnisse sollte man zwar besitzen, aber langjährige Berufserfahrung muss niemand mitbringen. Genauso wenig wie Kenntnisse über Sicherheitsanforderungen, aktuelle Normen, Kräftemessung oder die Beurteilung der CE-Konformität. Das lernen die Teilnehmer dann in den Seminaren, sowohl theoretisch, als auch bei praktischen Übungen direkt an den Toren. Für sehr erfahrene Praktiker sind die Seminare eine gute Gelegenheit, Wissen zu vertiefen und sich auf den neuesten Stand zu bringen, was EU-Normen und Richtlinien angeht. Vieles wird in offenen Diskussionen besprochen, dafür ist in den Seminaren immer Zeit. Und wo trifft man auf so viele Techniker und geballtes Fachwissen? Das ist schon etwas ganz Besonderes, auch für langjährige Profis.
Auch große Unternehmen schicken ihre Mitarbeiter zu Ihnen?
Bernd Sander: Es kommen Leute von kleinen und mittelständischen Errichterfirmen, Metallbauunternehmen oder Montagefirmen. Also Betriebe, die sowohl produzieren, als auch montieren. Aber unsere Technikseminare sind auch für große Konzerne interessant. Mitarbeiter des Flughafens Düsseldorf haben z.B. an unserem Seminar teilgenommen. Denn bei einem Flughafen sind nahezu alle erdenklichen Türen, Tore und Schranken im Einsatz. Doch ganz gleich, in welcher Größenordnung man als Unternehmen agiert, alle Firmen müssen die gleichen, festgelegten Regelwerke einhalten.
Markus Macal: Und das ist oft der Casus Knacksus für die Unternehmen! Die technischen Vorgaben sind fix, daran lässt sich auch nichts rütteln. Aber die Bedingungen sind an jedem Einsatzort anders. Mal befindet sich die Schranke am Parkhaus und mal am Kindergarten. Mal ragt sie in die Fußgängerzone und mal sichert sie den Cargobereich am Flughafen. Genau solche individuellen Fälle behandeln wir im Seminar und diskutieren die Lösungsmöglichkeiten. Hier kann man nicht mit Standardantworten kommen, schließlich sind auch unsere Teilnehmer vom Fach. Aus diesem Grund sind unsere Dozenten ausschließlich Sachverständige, die sich auf Fachbereiche spezialisiert haben.
Sie schulen u. a. in einem eigenen „Technikum“ mit allen Arten von Toren zum Testen. Was sind die jüngsten Neuerungen, die sich darin finden?
Markus Macal: Unser Technikum hat eine Fläche von 500 Quadratmetern, da muss ich ein bisschen weiter ausholen. Zum einen haben wir einen Schulungsraum, der 40 Seminarteilnehmern Platz bietet. Daran grenzt ein Showroom, in dem sich Schiebetore, Rolltore, Schnelllauftore, Deckenlauftore, Flügeltore oder auch Sektionaltore verschiedenster Hersteller befinden. Nicht zu vergessen Tür- und Torantriebe mit unterschiedlichen Steuerungsmodulen. Ganz neu ist hier eine kraftbetätigte Schranke eines namhaften deutschen Herstellers mit vielen Sonderfunktionen, die auch für unser speziell entwickeltes Schrankenseminar genutzt werden kann. Dank dieser Vielfalt können wir beim Seminar die verschiedensten Fälle veranschaulichen und durchspielen. Wir können Betriebs- und Kraftmessungen mit den Teilnehmern vornehmen und auch Fehlersimulationen durchführen. Dieser praktische Teil ist besonders wichtig, denn das gibt den zukünftigen Sachkundigen die nötige Sicherheit.
Sie arbeiten in Ihren Seminaren mit Rechtsfällen aus der Praxis. Geben Sie uns einmal ein paar aktuelle Beispiele – zunächst aus dem Bereich Tür und Tor... ?
Bernd Sander: Aus Gutachter-Sicht gesprochen, haben es Lichtschranken wirklich in sich. Hier habe ich schon viele Rechtsfälle begleitet, die ich dann auch mit den Teilnehmern im Seminar besprochen habe. Jeder kennt zum Beispiel elektrisch betriebene Tore mit einer eingebauten Lichtschranke. Erfasst die Lichtschranke einen Gegenstand oder ein Lebewesen, bleibt das Tor sofort stehen. Jetzt ist es so, dass die Norm einen Abstand von 200 mm zwischen Boden und Lichtschranke vorschreibt. Wenn sich nun aber ein Kleinkind während eines Spiels ganz flach auf den Boden legt, direkt neben den Torflügel, unterschreitet es die 200 mm. Die Lichtschranke detektiert das Kind nicht mehr und der Torflügel würde das Kind unabhängig von den Sicherheitskontaktleisten anstoßen bzw. erfassen. Wie würde man diesen Fall nun vor Gericht behandeln? Einerseits entspricht die Installation voll der Norm, andererseits muss man den individuellen Fall betrachten, der hier lebensgefährlich sein kann. So etwas landet dann bei uns auf dem Gutachter-Schreibtisch. Wenn Seminarteilnehmer schon einmal mit solchen Grenzfällen zu tun hatten, können wir dies gemeinsam im Plenum diskutieren – oder gerne zu einem späteren Zeitpunkt per Telefon oder E-Mail. Das Angebot wird von den Seminarteilnehmern häufig wahrgenommen, über das Vertrauen freuen wir uns sehr.
Sie kooperieren hier seit kurzem mit dem BVT – Verband Tore. Wie sieht diese Kooperation aus?
Britta Sander: Richtig, hier kooperieren wir im Bereich Brandschutz. Der BVT möchte seinen Mitgliedern zu diesem Thema Spezialseminare anbieten. Und da wir Schulungen für Feuer- Rauchschutzabschlüsse und Feststellanlagen im Repertoire haben, können wir das Programm des BVTs damit ergänzen. Unsere Brandschutzexperten sind hier die öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen Gunter Thomas und Thomas Graul. Sie besitzen viele Jahre Erfahrung auf diesem Gebiet und werden diese Seminare leiten.
Welche Themen decken Sie bei den Brandschutzseminaren ab? Was steht hier auf dem Programm?
Bernd Sander: Bei diesem Seminar dreht sich alles um den Aufbau, die Klassifizierung und die wiederkehrende Prüfung von Feuer-, Rauchschutzabschlüssen und Feststellanlagen. Die Teilnehmer lernen bei uns, welche Verwendbarkeitsnachweise vorhanden sein oder übergeben werden müssen. Außerdem erfahren Sie, welche Änderungen die europäische Normung im Hinblick auf das In-Verkehr-Bringen von Abschlüssen und Feststellanlagen mit sich bringt. Und zwar sowohl bei der Konformitätsbewertung, als auch bei der Erklärung, der Leistung und der Kennzeichnung. Unser Ziel ist es, dass jeder Teilnehmer am Ende des Seminars in der Lage ist, verantwortungsvoll für sichere Fluchtwege zu sorgen. Er kann sicher mit Änderungen an Feuer-, Rauchschutzabschlüssen und Feststellanlagen umgehen und weiß ganz genau, wie sie zu montieren und normgerecht zu warten sind. Selbstverständlich schließt auch dieses Seminar mit einer Prüfung ab. Laut der DIN 14677 darf dies bei Feststellanlagen nur ein Sachkundiger mit Kompetenzausweis tun. Und den gibt es bei uns.
Auf Anfrage bieten Sie auch Spezialseminare an. Zu welchen Themen gibt es hier die meiste Nachfrage?
Markus Macal: Viele Unternehmen sind an Schranken-Seminaren interessiert. Aber auch das Thema Baustatik wird immer wieder nachgefragt. Da manche Themen sehr unternehmensspezifisch sind, halten wir oft Inhouse-Schulungen ab. Hier kommen unsere Dozenten ins Unternehmen und können so ganz individuell auf die Schwerpunkte vor Ort eingehen. Übrigens auch eine tolle Möglichkeit, Kunden einzuladen und zusammen mit den eigenen Mitarbeitern an dem Inhouse-Technikseminar teilzunehmen. Ein Baustein in unseren Seminaren ist die Risikoanalyse und die Risikobeurteilung. Da die Nachfrage hiernach besonders groß ist, planen wir zu diesem Thema ein eigenständiges Spezialseminar.
Herr Sander, als wir uns hier bei GIT SICHERHEIT vor einem halben Jahrzehnt über aktuelle Fragen des Perimeterschutzes unterhielten, sprachen wir u.a. über die Maschinenrichtlinie und die damals neue Bauprodukteordnung. Geben Sie uns ein kleines Update?
Bernd Sander: Die Maschinenrichtlinie und die Bauproduktenverordnung als übergeordnete Richtlinie haben sich grundsätzlich nicht verändert. Es gibt hier nur leichte Anpassungen, besonders für den Torbauer sind die neuen Angaben bei den Ausührungs-C-Normen interessant. Markus Macal hat kürzlich beim Verband Tore einen Vortrag über die aktuellen Änderungen gehalten, deshalb gebe ich die Frage an ihn weiter.
Markus Macal: Es hat sich im Bereich der beiden wichtigsten C-Normen eine Menge getan. Insbesondere die DIN EN 12453 wurde überarbeitet und ist seit 2017 im Weißdruck erhältlich. 2019 hat die Norm noch einmal textliche Veränderungen erhalten.
Interessant in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, dass zukünftig das sogenannte Mindestschutzniveau nicht immer ausreichen wird. Vielmehr verweist die neue 12453 auf die Risikobeurteilung nach der Maschinenrichtlinie. Neu ist auch, dass bei der Anwesenheit von besonders schutzbedürftigen Personen, wie z.B. Kindern, die E-Absicherung in den Fokus rückt. Das bedeutet, dass das Tor so abzusichern ist, dass unter keinen Umständen eine Person von dem Tor berührt werden kann. Eine Kontaktleiste mit Lichtschranke alleine, also eine C- und D-Einrichtung, würde dann nicht mehr ausreichen. Bernd Sander wies vorhin auf den Grenzfall mit einem flach auf dem Boden liegenden Kind hin. Solche Risiken könnten zukünftig dank der Neuerung noch mehr eingedämmt werden.
Sie betonen ja – auch in Ihren Seminaren -, dass in der Praxis nicht nur Normen zählen, sondern konkrete Anforderungen vor Ort immer eigenes Mitdenken und Urteilsvermögen erfordern. Könnten Sie das einmal an ein paar Beispielen erläutern?
Bernd Sander: Die Normen bilden zwar immer das Grundgerüst, aber in den meisten Fällen muss man um Ecken denken, um eine Lösung zu finden. Ich hatte einmal den Fall, dass ein Elefant das Tor seines Zoogeheges von alleine öffnen konnte. Er hat mit dem Rüssel so lange herumgetrickst, bis das Tor aufging und er ins Freigehege gelangte. Die Besichtigung vor Ort war für mich ein echtes Erlebnis. Doch hier galt es, viele Aspekte zu berücksichtigen, die über das Tor und seinen Spezial-Schließmechanismus hinausgingen. Zum Beispiel die Anbringungshöhe und Erreichbarkeit des Schlosses, die Breite der Gitterstäbe, die Gelenkigkeit eines Elefantenrüssels etc. Seitdem kenne ich mich mit Elefanten übrigens bestens aus.
Markus Macal: In unseren Seminaren berichten die Teilnehmer oft selbst über Fälle aus der Praxis, zu denen sie unsere Meinung aus Gutachter-Sicht hören möchten. Wir sind zwar keine Rechtsberatung, aber Sachverständige mit jeder Menge technischer Fälle auf dem Buckel.
Generell werden Ihre Seminare ausschließlich von öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen entwickelt und gehalten. Warum ist Ihnen das so besonders wichtig?
Britta Sander: „Expertenwissen ist unser Markenzeichen“, hat Markus Macal einmal gesagt. Und das bringt es genau auf den Punkt. Bei uns werden Seminare von Technikern für Techniker entwickelt. Das heißt, auch auf Teilnehmerseite handelt es sich um Leute vom Fach. Und die brauchen erfahrene Sparringspartner, auf deren Wissen und Erfahrung sie sich absolut verlassen können. Ich betreue die Kommunikation, da erreichen mich viele E-Mails von Technikern, die sich auch nachträglich den Rat der öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen einholen möchten.
Bernd Sander: Sie müssen wissen, die Bezeichnung „Sachverständiger“ ist in Deutschland rechtlich nicht geschützt. Also auch Gutachter, die nicht ausreichend qualifiziert sind, bezeichnen sich als Sachverständige. Darum hat die deutsche Gesetzgebung die öffentliche Bestellung eingeführt – mit anspruchsvollem Prüfungsverfahren, Vereidigung, Urkunde, Ausweis und Rundstempel auf dem Briefbogen. So weiß jeder, dass dieser Sachverständige auf seinem Fachgebiet besonders qualifiziert ist. Um unseren Seminarteilnehmern die nötige und größtmögliche Sicherheit und Qualität bieten zu können, führen bei uns ausschließlich öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige die Seminare durch.
Markus Macal: Bernd ist kürzlich von der Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer wiederbestellt worden und damit in Deutschland der längste ö.b.u.v. Sachverständige auf dem Gebiet der äußeren Sicherheitstechnik. Dieser Erfahrungsschatz ist einfach unbezahlbar und das schätzen auch unsere Seminarteilnehmer.
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AKADEMIE FÜR PERIMETER PROTECTION GbRBullermannshof 15
47441 Moers
Deutschland
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