Ray ­Mauritsson wirft einen Blick auf die Entwicklung der Videotechnik

Axis und die Zeitschrift GIT SICHERHEIT sind erfolgreiche Kinder der Neunziger. Ein hinreichender Grund für die ­Altersgenossen, einen Blick auf die Wurzeln zu werfen - und schon m...

Ray ­Mauritsson, President & CEO von Axis Communications
Ray ­Mauritsson, President & CEO von Axis Communications

Axis und die Zeitschrift GIT SICHERHEIT sind erfolgreiche Kinder der Neunziger. Ein hinreichender Grund für die ­Altersgenossen, einen Blick auf die Wurzeln zu werfen - und schon mal einen Ausblick auf die nächsten ­Jahrzehnte zu wagen. Aus diesem Anlass sprachen wir mit Ray ­Mauritsson, President & CEO von Axis Communications, einem der ­führenden Unternehmen und Pioniere der Netzwerkvideotechnologie.

GIT-SICHERHEIT.: Herr Mauritsson, Axis und die Zeitschrift GIT SICHERHEIT sind ja gewissermaßen Altersgenossen. Wenn Sie 20 Jahre zurückdenken - wie fing das damals an mit der Axis-Kameratechnik?

Ray Mauritsson: Das Netzwerkkamera-Geschäft von Axis wurde zwischen 1993 und 1996 aufgebaut von Martin Gren. Ihm kam damals bei einem Aufenthalt in Tokyo, im Zusammenhang mit einem potentiellen Kunden, die Idee, Netzwerkkameras herzustellen. Gleichzeitig hatte der Axis-Ingenieur Carl-Axel Alm die Idee, ein netzwerkbasierendes Video-Konferenzsystem zu konstruieren. Die beiden entwickelten die Idee weiter und machten aus dem Konzept Realität.

Als wir 1996 die weltweit erste Netzwerkkamera auf den Markt brachten, konnte man deren Leistung zugegebenermaßen noch nicht gerade als optimal bezeichnen. Sie bewältigte ein Bild pro Sekunde (fps) und brauchte 17 Sekunden, um einen einzigen D1-Schnappschuss zu generieren. Das war zwar für normale Überwachungsanwendungen so gut wie nutzlos - aber es wurde letztlich zum Erfolg bei der Fernüberwachung. Und wir sahen Möglichkeiten für einen Videoüberwachungsmarkt der Zukunft, der noch vollständig analog, dabei aber, wie alles heute, unweigerlich auf dem Weg zur Digitalisierung war.

Glücklicherweise hat sich die Leistungsfähigkeit heute verbessert - weit jenseits dessen, was Martin oder Carl-Axel damals hätten vorhersehen können. Tatsache ist, dass die Netzwerkkameras von Axis heute 30 fps in HDTV 1080p-Auflösung liefern können - im Vergleich mit nur einem fpx in 0,1 MPix vor fünfzehn Jahren. Das ist eine 600fache Leistungssteigerung.

Wie und wann entstand die für Ihre Produkte grundlegende IP-basierte Technologie-Plattform, bzw. die Etrax- und Artpec-Chips?

Ray Mauritsson: Die Entwicklung von Asic begann bei Axis bereits in den späten 80er Jahren- mit dem Chipset der Etrax-Familie, das vor allem in unseren Print-Server-Produkten verwendet wurde. Als der Fokus sich in Richtung Netzwerkvideotechnik verschob, brachte unsere Asic-Entwicklungsplanung Anfang 2000 das Etrax-Know-how zusammen mit netzwerkvideospezifischen Funktionen in unsere Artpec-Familie ein.

Was waren im Zuge der Digitalisierung der Videoüberwachung aus Ihrer persönlichen Sicht die wesentlichen technischen Sensationen der letzten beiden Dekaden?

Ray Mauritsson: Das Wichtigste war natürlich das Aufkommen der ersten Netzwerkkamera, die wir vor 15 Jahren entwickelt haben. Eine weitere frühe technische Entwicklung war der Digitale Videorekorder, der ein analoges System in die Lage versetzte, Bilder digital aufzunehmen. Power over Ethernet war ein weiterer wichtiger Schritt - denn das ist der Eckpfeiler für die ganze Ära der Digitalisierung. Durch Power over Ethernet sind Netzwerkvideoprodukte in der Lage, sowohl Daten, als auch Strom über ein einziges Ethernet-Kabel zu empfangen.

PoE-Produkte ermöglichen es, Netzwerkkameras und Video-Encodern in Umgebungen zu installieren, in denen herkömmliche Stromkabel und -versorgungen nicht zur Verfügung stehen oder schwierig zu installieren sind. Power over Ethernet bietet eine einfachere, schnellere und kosteneffizientere Lösung, als die Installierung neuer Stromversorgungen und elektrischen Leitungen. Eine ausgesprochen wichtige Entwicklung ist die Verbesserung der Bildqualität, die die Digitalisierung mit sich gebracht hat. Sie stieg in dem Maße, in dem Bildsensoren lichtempfindlicher wurden und die Zahl der lesbaren Pixel in den Megapixelbereich vorstieß.

...bis hin zu HDTV.

Ray Mauritsson: Richtig. Bei all dem war noch nicht einmal von HDTV die Rede. HDTV bringt bis zu fünf Mal höhere Auflösung und doppelt so hohe TV-Linien-Auflösung wie das herkömmliche analoge Fernsehbild. Die Farben sind echt und die Bilder sind klar, selbst wenn das Objekt sich schnell bewegt. Wir sehen jetzt, wie sich die Video-Industrie an den Fernsehmarkt anlehnt, weil die Kunden das Potential der HDTV-Technik erkennen. Ich halte das für den besten Leistungsindikator: Die Nachfrage. Vor allem kann die Bildqualität ausgesprochen wichtig sein für die Videoüberwachung, denn hier ist die genaue Identifizierungsmöglichkeit auch bei beweglichen Objekten von zentraler Wichtigkeit. Bilder in HD-Qualität wären allerdings meist unpraktikabel, gäbe es keine H.264-Kompression. Diesem Standard ist es zu verdanken, dass Videodateien bis zu 20 Mal kleiner sind und die Anforderungen an die Bandbreite entsprechend verringert sind.

Auch die Nutzung der Wärmebildtechnik für Überwachungsaufgaben war eine wichtige Neuerung. Dank ihr können Kameras im Dunkeln sehen - unschätzbar für Überwachungsbereiche mit schlechten Lichtverhältnissen. Eine ganze Welt von Möglichkeiten hat die Einführung der intelligenten Videotechnik mit sich gebracht: Eine Kamera kann nicht mehr nur überwachen und aufzeichnen. Sie wurde vielmehr in ein interaktives Business-Werkzeug umgewandelt. Durch intelligente Applikationen wie Bewegungssensoren, Personenzähl-Funktionen und Audiofunktionen kann die Kamera zur Kommunikation über das Netzwerk verwendet werden und zur Alarmierung bei Veränderungen wie z. B. das An- und Ausschalten von Lampen oder das Betreten bestimmter Bereiche. Dazu kommt die Überwachung von Verhaltensmustern von Menschen, die sich z. B. in Geschäften bewegen, etc.

Welche Entwicklungen aus anderen Sicherheitsbereichen haben Sie in dieser Zeit besonders beeindruckt?

Ray Mauritsson: Im Vergleich zu anderen Wirtschaftssektoren kam der Technologiewandel in der Sicherheitsindustrie nicht in der Geschwindigkeit, die ich erwartet hätte. Die Risiken, mit denen Organisationen heute konfrontiert werden, waren nie komplizierter als heute. Die Unternehmen erwarten - und brauchen - mehr von der Funktion Sicherheit. Deshalb musste die Entwicklung bei der Sicherheit schnell voranschreiten, um Schritt zu halten. Ein interessantes Gebiet, bei dem wir eine starke Veränderung feststellen werden, ist die Zutrittskontrolle. Dazu gehört die Integration eines Video-Management-Systems in das Zutrittskontrollsystem eines Gebäudes, um Gebäude- und Raumzutritt per Video dokumentieren zu können.

Der Zutrittskontrollmarkt verwendet IP-Netzwerke noch nicht in vollem Umfang - hier kann noch viel gemacht werden. Ein Beispiel ist der Einsatz von Tracking-Systemen zur Verfolgung von Objekten mit Hilfe von RFID-Technik. Das wird auf Flughäfen für Gepäckstücke verwendet. Man kann verfolgen, wo sie gerade sind und dafür sorgen, dass sie zum richtigen Zielort gebracht werden. Wenn dies mit Videoüberwachung verknüpft wird, haben die Behörden einen optischen Nachweis dafür, wo Gepäckstücke verloren gehen oder beschädigt werden - die Suche kann im Ergebnis optimiert werden. Für den Sicherheitsmarkt im Allgemeinen geht die Biometrie sehr aufregende Wege. Gesichtserkennung wird z. B. einen sehr wichtigen Beitrag zur Verbrechensvorbeugung leisten.

Versetzen wir uns eine Dekade in die Zukunft: Welche technischen, produktbezogenen Visionen schweben Ihnen für das Jahr 2031 vor?

Ray Mauritsson: Vor allem Standardisierung. Sie ist in allen Industrien für die Verbreitung neuer Technologien im großen Maßstab wichtig gewesen. Die Unterstützung guter Standards führt zu einfacher Handhabbarkeit - das ist einer der Gründe, warum analoge Videotechnik solange vorherrschend blieb. Außerdem werden Innovationen ermutigt, indem Wissen geteilt wird. Wir dürfen deshalb erwarten, dass das Tempo des technischen Fortschritts weiter ansteigen wird. Ich glaube, dass Onvif der herrschende Standard im Netzwerk-Videobereich sein wird. Die Bildqualität hat sich zwar kräftig verbessert, aber es kann immer noch viel erreicht werden. In den letzten fünfzehn Jahren passierte das Meiste bei der Auflösung und der Bildfrequenz.

In Zukunft wird die Leistungssteigerung sich auf die Bildverarbeitung konzentrieren. Ich erwarte, dass dies die durchschnittliche Überwachungskamera in die Lage versetzen wird, sogar mehr zu sehen, als das menschliche Auge. Die Wärmebildtechnik wird in den nächsten zehn Jahren sprunghaft an Bedeutung gewinnen. Jeder will die niedrigste mögliche Lux-Rate für seine Kamera - wie wäre es aber mit Null? Heute ist die Wärmebildtechnik ein Nischenmarkt, meist für militärische und behördliche Anwendungen. Wenn aber die Preise für Netzwerk-Wärmebildkameras sinken, ist zu erwarten, dass eine Vielzahl neuer Anwendungen auf uns zukommen wird.

Wie sieht es mit der Analysetechnik aus?

Ray Mauritsson: Auch die Videoanalyse wird breitere Anwendungsfelder bedienen, was die Effizienz der Systeme erhöhen wird. Außerdem - das zeigt der Blick auf alle anderen Sektoren - wird sich der Sicherheitsmarkt weiter digitalisieren. Ich würde sagen, bis 2020 wird Netzwerk-Videosysteme den Markt vollständig dominieren - mehr als 80 % der verkauften Kameras wird das umfassen. Schließlich ist die Netzwerkvideotechnik so aufgestellt, dass sie das Design der Überwachungssysteme vollständig revolutionieren wird. Wir werden Verbesserungen bei der Installation sehen, die sich vereinfachen wird. Es wird mehr Installationsmöglichkeiten und mehr Schwenk-Neige-Kameras geben. Und das Personal wird geschult sein im Umgang mit mobilen Geräten, die mit den Kameras verbunden sind - das wiederum wird für mehr Effizienz sorgen.

Herr Mauritsson, besten Dank für das ­Gespräch.

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