Rechtsfragen der Video-Überwachungstechnik in Unternehmen Teil 1

Zur Wahrnehmung des Hausrechts, zum Schutz von Rechtsgütern sowie zu Zwecken der Beweissicherung setzen Unternehmen Videoüberwachung ein. Dabei werden jedoch personenbezogene, bild...

Beispiel für ein Hinweisschild, Muster der Datenschutzbeauftragten der Länder
Beispiel für ein Hinweisschild, Muster der Datenschutzbeauftragten der Länder

Zur Wahrnehmung des Hausrechts, zum Schutz von Rechtsgütern sowie zu Zwecken der Beweissicherung setzen Unternehmen Videoüberwachung ein. Dabei werden jedoch personen­bezogene, bildhafte Aufenthalts- und Bewegungsdaten erzeugt, weil die abgebildeten Personen in der Regel bestimmbar sind. Dies wirft Fragen des Datenschutzes auf – auch hinsichtlich der Rechte von Mitarbeitern, die sich einer Videoüberwachung im Unternehmen nicht entziehen können. Der Berliner Rechtsanwalt Ulrich Dieckert stellt in seinem zweiteiligen Beitrag für GIT SICHERHEIT die wichtigsten Rechtsgrundlagen vor, die Unternehmen beim Einsatz von Videoüberwachungstechnik beachten müssen. Im Mittelpunkt stehen die Neuregelungen der jeweils seit dem 25. Mai in Deutschland unmittelbar geltenden EU-Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO) und des neuen Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG n.F.).

Mit der Videoüberwachung werden personenbezogene Daten in automatisierter Form erhoben, verarbeitet und genutzt. Derartige Daten stehen unter dem Schutz der DS-GVO, welche als EU-Verordnung direkt in Deutschland Anwendung findet. Daneben gelten die Vorschriften des neuen Bundesdatenschutzgesetzes, mit dem die zahlreichen Öffnungsklauseln der DS-GVO ausgefüllt wurden. Letztlich geht es um den Schutz von verfassungsrechtlich garantierten Persönlichkeitsrechten, aus denen das Bundesverfassungsgericht das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung abgeleitet hat.

Unter „personenbezogene Daten“ versteht die DS-GVO alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen (vgl. Artikel 4 Nr. 1). Als „Verarbeitung“ definiert die DS-GVO jeden mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführten Vorgang im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten, wie z. B. das Erheben, Erfassen, Ordnen, die Speicherung, das Auslesen, die Offenlegung durch Übermittlung, das Löschen oder die Vernichtung (vgl. Artikel 4 Nr. 2). Adressat der Vorschriften über den Datenschutz ist der sogenannte „Verantwortliche“, d. h. die natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder andere Stelle, die allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet (vgl. Artikel 4 Nr. 7). Verantwortlich sind damit auch Unternehmen, die Videoüberwachungssysteme aus den o. a. Gründen betreiben und dabei personenbezogene Daten von Besuchern, Kunden, Dienstleistern und Arbeitnehmern erheben und verarbeiten.

Jegliche Verarbeitung personenbezogener Daten unterliegt den Grundsätzen des Artikel 5 DS-GVO, wonach Daten nur auf rechtmäßige Weise und für festgelegte, eindeutige und legitime Zwecke erhoben werden dürfen (Grundsätze der Rechtmäßigkeit und Zweckbindung), wobei die Erhebung auf das für die Zwecke der Verarbeitung notwendige Maß beschränkt sein muss (Grundsatz der Datenminimierung). Vor allen Dingen aber gilt der Grundsatz der Rechtmäßigkeit aus Artikel 6 DS-GVO, wonach eine Verarbeitung nur dann zulässig ist, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind (Verbot mit Erlaubnisvorbehalt). Diese Bedingungen lassen sich in drei Gruppen zusammenfassen:

  • Einwilligung: Die betroffene Person ist mit der Vereinbarung ausdrücklich einverstanden.
  • Erlaubnis: Die Verarbeitung ist zur Erfüllung eines Vertrages, oder zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung oder zum Schutz lebenswichtiger Interessen der betroffenen Person erforderlich, oder dient der Wahrnehmung einer Aufgabe, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt (konkrete Erlaubnistatbestände).
  • Interessenabwägung: Die Verarbeitung ist zu Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen erforderlich, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen.

Konkrete Hilfestellungen, wie diese Grundsätze im Falle einer Videoüberwachung anzuwenden sind, enthält die DS-GVO nicht. Aus diesem Grunde hat der deutsche Gesetzgeber in § 4 des neuen Bundesdatenschutzgesetzes Regeln zum Einsatz von Videoüberwachungstechnik aufgestellt, die dem bisherigen § 6 b BDSG weitergehend entsprechen.

Videoüberwachung in öffentlich zugänglichen Räumen
Gemäß § 4 BDSG n.F. ist die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen (Videoüberwachung) zulässig, soweit sie zur Wahrnehmung des Hausrechts oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen (vgl. Abs. 1).

Die Vorschrift gilt also für Räume, die dem öffentlichen Verkehr gewidmet sind oder nach dem erkennbaren Willen des Berechtigten von jedermann genutzt oder betreten werden können. Davon umfasst ist z. B. die Außenüberwachung und Zutrittskontrolle, die Überwachung von Verkaufsräumlichkeiten und Schalterräumen sowie die Überwachung von Parkplätzen, Tiefgaragen, Hotelfoyers und ähnlichen Flächen, die von jedermann betreten werden können. Davon abzugrenzen ist die Videoüberwachung von Büro- und Geschäftsräumen, umfriedeten gewerblichen Anlagen, Lagern und Produktionsstätten, deren Zulässigkeit an den allgemeinen Grundsätzen der DS-GVO und gegebenenfalls den Regeln des Beschäftigtendatenschutzes zu messen ist.

Interessenabwägung
Als berechtigte Interessen des Betreibers sind grundsätzlich anerkannt die Wahrnehmung des Hausrechts, der Schutz vor Diebstahl oder Vandalismus, der Schutz von Mitarbeitern und Kunden, die Beweissicherung sowie der Perimeterschutz. Dabei muss die Maßnahme zur Zweckerfüllung geeignet sein und darf auch nur zur Erfüllung des genannten Zwecks eingesetzt werden. Des Weiteren muss der Betreiber nach dem Grundsatz der Erforderlichkeit stets prüfen, ob es keine milderen Mittel gibt, die den gleichen Zweck erfüllen aber weniger in die Rechte der Betroffenen eingreifen, wie z. B. die Beschränkung der Überwachung auf bestimmte Schwerpunkte bzw. bestimmte Zeiträume oder die Verpixelung von „private zones“. Zur Erforderlichkeit gehört auch, dass eine hinreichend konkrete Gefahr besteht (z. B. belegt durch Vorfälle aus der nahen Vergangenheit). Schließlich muss die Überwachung verhältnismäßig sein, was durch Abwägung zwischen den schutzwürdigen Interessen der Betroffenen (insbesondere Persönlichkeitsrecht) einerseits und den anzuerkennenden Zwecken des Betreibers andererseits zu entscheiden ist. In der Intimsphäre (z. B. Sanitärräume, Umkleidekabinen) und der Privatsphäre (z. B. Gasträume, in denen Kommunikation bzw. soziale Interaktion stattfindet) darf grundsätzlich keine Videoüberwachung stattfinden. In der sogenannten Sozial-/Geschäftssphäre hingegen sind Eingriffe in Persönlichkeitsrechte unvermeidbar; sie sind insbesondere dann zu dulden, wenn Personen eher beiläufig oder nur kurzfristig in überwachte Zonen geraten (z. B. Schalterräume, Parkplätze, Tankstellen, Verkaufsflächen, etc.).

Dabei hat der Gesetzgeber in März 2017 durch das „Videoüberwachungsverbesserungsgesetz“ neue Abwägungsvorgaben eingebracht, die auch in den neuen § 4 Abs. 1 Satz 2 BDSG n.F. übernommen wurden. Danach gilt bei der Videoüberwachung von öffentlich zugänglichen großflächigen Anlagen (z. B. Sport-, Versammlungs- und Vergnügungsstätten, Einkaufszentren oder Parkplätzen) oder von Fahrzeugen und öffentlich zugänglichen großflächigen Einrichtungen des öffentlichen Schienen-, Schiffs- und Busverkehrs der Schutz von Leben, Gesundheit oder Freiheit sich dort aufhaltender Personen als ein besonders wichtiges Interesse. Der Betreiber kann sich also auch auf diese Gründe berufen, wenn die von ihm betriebene Videoüberwachung in den gesetzlich genannten Bereichen stattfindet.

Kennzeichnung
Gemäß § 4 Abs. 2 BDSG n.F. sind der Umstand der Beobachtung und der Name und die Kontaktdaten der Verantwortlichen durch geeignete Maßnahmen zum frühestmöglichen Zeitpunkt erkennbar zu machen. Dies hat in der Regel durch Schilder zu erfolgen, deren Inhalt von den Betroffenen wahrgenommen werden kann, bevor sie in den Erfassungsbereich einer Kamera geraten. Das Schild muss nach Auffassung der Datenschutzbehörden jedoch noch weitere Informationen enthalten, die den Betroffenen gemäß Artikel 13 DS-GVO „zum Zeitpunkt der Erhebung der Daten“ mitzuteilen sind. Dies umfasst z. B. die Namen und Kontaktdaten des Verantwortlichen, gegebenenfalls die Kontaktdaten des Datenschutzbeauftragte, die Zwecke, für die die personenbezogenen Daten verarbeitet werden sollen, die berechtigten Interessen die verfolgt werden sowie die Speicherdauer oder Kriterien für die Festlegung der Dauer.

Nicht nur das reine Monitoring (geregelt in § 4 Abs. 1 BDSG n. F.) sondern auch die Speicherung oder Verwertung der erhobenen Bilddaten unterliegt den Grundsätzen der Zweckmäßigkeit, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit (vgl. § 4 Abs. 3 BDSG n.F.). Die Daten sind unverzüglich zu löschen, wenn sie zur Erreichung des Zwecks nicht mehr erforderlich sind oder schutzwürdige Interessen der Betroffenen einer weiteren Speicherung entgegenstehen (vgl. § 4 Abs. 5 BDSG n.F.). Hier hat der Betreiber im Rahmen der von ihm anzustellenden Datenschutz-Folgeabschätzung für jeden Einzelfall zu prüfen, wie lange die Bilddaten unbedingt zur Erreichung der Zwecke (z. B. Beweissicherung) aufbewahrt werden müssen.


 

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