Schmersal Gruppe gründet Geschäftsbereich für Dienstleistungen

Unter der Marke tec.nicum bündelt die Schmersal Gruppe ihr umfassendes Dienstleistungsangebot der Maschinensicherheit. GIT SICHERHEIT befragte Jörg Schreiber, Leiter Strategische...

Unter der Marke tec.nicum bündelt die Schmersal Gruppe ihr umfassendes Dienstleistungsangebot der ­Maschinensicherheit. GIT SICHERHEIT befragte
Jörg Schreiber, Leiter Strategische Marktentwicklung der Schmersal Gruppe, zum Portfolio des neuen Geschäftsbereiches und zur ­Positionierung des Unternehmens als System- und Lösungs­anbieter.

GIT SICHERHEIT: Herr Schreiber, mit den „Safety Services“ hat die Schmersal Gruppe ja bereits in der Vergangenheit diverse Dienstleistungen der Maschinensicherheit angeboten. Steht die Gründung des neuen Geschäftsbereichs nun für einen Neuanfang – oder hat sich im Wesentlichen nur der Name geändert?

Jörg Schreiber: Die Gründung eines eigenständigen Bereiches für unsere Dienstleistungen zeigt den Erfolg dieses Angebotes, das in der Tat für uns nicht neu ist und sich organisch entwickelt hat. Seit vielen Jahren bieten wir Schulungen zu Themen der Maschinensicherheit, und schon immer haben unsere Vertriebsingenieure die Kunden intensiv unterstützt und beraten. Inzwischen hat die Nachfrage nach Safety Services eine Größenordnung erreicht, die uns dazu bewogen hat, den Bereich Dienstleistungen neu zu strukturieren, strategisch zu erweitern und in einen eigenen Geschäftsbereich zu überführen.

Welchen Kundenkreis sprechen Sie mit Ihren Dienstleistungen an?

Jörg Schreiber: Hier gibt es verschiedene Zielgruppen. Hauptkundenkreis für die gesamte Schmersal Gruppe ist der Maschinenbau, den die tec.nicum-Kollegen zum Beispiel mit ihrem Schulungsangebot über neue Normen ansprechen – aber auch mit individuellem Engineering wie z.B. der Programmierung von Sicherheitssteuerungen. Allerdings haben sich in den vergangenen Jahren insbesondere die Endanwender von Maschinen und Anlagen zu den wichtigsten Abnehmern unserer Dienstleistungen entwickelt. Sie wünschen, um nur Beispiele zu nennen, Unterstützung bei der sicherheitstechnischen Bewertung sowie bei der Modernisierung von Maschinen und Anlagen – und das sehr häufig auf globaler Ebene. Ein weiterer Kundenkreis sind die Systemintegratoren. Auch Importeure und Distributoren von Maschinen fordern häufig unsere Unterstützung an, wenn es z. B. um die Normenkonformität für bestimmte Märkte geht.

Können Sie ein aktuelles Beispiel für eine typische Aufgabe des neuen Geschäftsfeldes darstellen?

Jörg Schreiber: Ein internationaler Pharma- und Kosmetikhersteller hat einen ebenfalls weltweit tätigen Wettbewerber aufgekauft und wünschte die sicherheitstechnische Bewertung des gesamten Maschinenparks in mehr als 130 Fertigungsstätten. Wir haben zunächst gemeinsam ein Bewertungsschema mit mehr als 60 Kriterien und Fragen erarbeitet und dabei die internationalen Normen zur Gefährdungs- und Risikobeurteilung zugrunde gelegt. Dann haben wir die Standorte besucht und auditiert. Das ist ein sehr großer Arbeitsumfang gewesen, der aber unsere Leistungsfähigkeit gut wiederspiegelt. Und: Der Kunde ist auf uns zugekommen, weil er das Vertrauen hatte, dass wir diese Aufgabe bestmöglich bewältigen.

Wie können Sie solche Aufträge personell abdecken?

Jörg Schreiber: Wir haben weltweit Mitarbeiter und Partner zu Functional Safety Engineers qualifiziert und durch den TÜV Rheinland zertifizieren lassen. So bringen wir das nötige Fachwissen für diese anspruchsvollen Aufgaben mit. Zudem haben wir umfassende Erfahrungen, die auf vielen Jahren angewandter Praxis in der Maschinen- und Anlagensicherheit und deren normativer Einbettung aufbauen. Mit der Gründung des eigenständigen Geschäftsbereichs tec.nicum tragen wir der wachsenden Nachfrage nach diesen Dienstleistungen Rechnung und gewährleisten weltweit einheitliche Standards in unserem gruppenweiten Netzwerk.

Ein heikles Thema sind sicherlich die Kosten. Sind die Kunden bereit, für derartige Dienstleistungen zu bezahlen?

Jörg Schreiber: Der allgemeine Trend „Konzentration auf Kernkompetenzen“ bringt es mit sich, dass Unternehmen offen sind, Aufgaben nach außen zu verlagern und auf Expertenwissen von Spezialisten zugreifen. Darüber hinaus bieten wir unsere Dienstleistungen modular an. Der Kunde kann je nach Bedarf einzelne Leistungen wie etwa Schulungen oder fachspezifische Beratung abrufen oder auch als Komplettpaket – von der ersten Beratung bis zu Inbetriebnahme von industrieller Sicherheitslösungen. Grundsätzlich sehen wir unsere Dienstleistungen losgelöst vom Geschäft mit Komponenten und Systemen der Maschinensicherheit. Das unterstreichen wir mit der Einrichtung des eigenen Geschäftsbereichs für die Safety Services nun ganz bewusst. Dabei legen wir großen Wert auf unsere Kernphilosophie, unsere Beratungsleistungen stets und bewusst produkt- und herstellerneutral anzubieten.

Das würde im Extremfall bedeuten, dass Sie auch Fremdprodukte einsetzen, wenn ein Beratungsprojekt es verlangt.

Jörg Schreiber: In der Tat. Wenn wir mit der sicherheitstechnischen Modernisierung einer Maschine beauftragt werden und daraus zum Beispiel die Erneuerung von Antriebskomponenten resultiert (tec.nicum consulting und engineering), dann werden wir diese auf Wunsch auch beschaffen, installieren und in Betrieb nehmen (tec.nicum integration).

Der Geschäftsbereich hat zum 1. Januar 2016 offiziell seine Arbeit aufgenommen – in welchen Ländern?

Jörg Schreiber: Grundsätzlich forcieren wir einen globalen Markteintritt. Natürlich gibt es Landesgesellschaften, die den Bereich der Dienstleistungen schon länger fokussiert haben – mit Schulungen und auch mit intensiver Beratung der Hersteller und Endanwender von Maschinen. Dazu gehören z.B. Spanien und Großbritannien und, außerhalb Europas, Brasilien und Indien. In einigen Märkten fangen wir jedoch auch erst an, unsere Dienstleistungen zu etablieren. Dafür haben wir ein „Sponsorship-Modell“ entwickelt, bei dem unsere weltweit ansässigen Experten gezielt einzelne Landesgesellschaften unterstützen, wenn komplexe Beratungsthemen angefragt werden.

Der Name tec.nicum ist ja bekannt – er steht für Ihr Veranstaltungszentrum in Wuppertal und für Ihr Schulungsangebot. Bleibt dieses Angebot bestehen?

Jörg Schreiber: Selbstverständlich. Wir haben den seit 2006 gut eingeführten Begriff nun als Dachmarke für alle Dienstleistungen etabliert. Die Wissensvermittlung – ob zentral oder dezentral beim Kunden vor Ort – wird künftig durch die „tec.nicum academy“ wahrgenommen. Daneben gibt es die Beratungsdienstleistungen des „tec.nicum consulting“. Dazu gehören u.a. die Beurteilung und Bewertung von Risiken und Gefahren, die Validierung von Sicherheitsfunktionen, die CE-Konformitätsbewertung und auch andere fachspezifische Themen wie Hygienic Design und Explosionsschutz. Die dritte Säule des Portfolios, „tec.nicum engineering“, übernimmt die Planung und das Design sicherheitsspezifischer Hard- und Software inkl. notwendiger Messungen, beispielsweise als Turn-Key- Projekt das Retrofitting einer Maschine oder Prozesslinie. Auf der Shopfloor-Ebene bieten wir den Kunden in Form der Säule „tec.nicum integration“ Installationsleistungen von Schutzeinrichtungen und Sicherheitskomponenten an.

In der täglichen Arbeit werden die tec.nicum-Spezialisten mit der Praxis der Maschinensicherheit konfrontiert – bei den Konstrukteuren und den Betreibern der Maschine. Welche Empfehlung können Sie auf der Basis dieser Erfahrungen aussprechen?

Jörg Schreiber: An die Konstrukteure geht die Empfehlung, die Sicherheitsfunktionen möglichst früh bei der Maschinenentwicklung in deren Design und Funktion zu integrieren. Das ist die beste Voraussetzung für optimale Produktivität und Sicherheit. Die Anwender sind gut beraten, bei Investitionsentscheidungen auch die Sicherheitsmerkmale einer Maschine zu berücksichtigen. Nur so sind am Ende auch die wirtschaftlichen Interessen einer prozesssicheren somit effizienten Produktion gewahrt.

Meist gelesen