Schonendes Gehen und Stehen – Teil 2

Schonendes Gehen und Stehen - Teil 2. Lesen Sie im zweiten Teil des Beitrags von Prof. Dr. med. Markus Walther über Erkenntnisse und Schlussfolgerung aus der Studie zum Einsatz von...

Schonendes Gehen und Stehen - Teil 2. Lesen Sie im zweiten Teil des Beitrags von Prof. Dr. med. Markus Walther über Erkenntnisse und Schlussfolgerung aus der Studie zum Einsatz von speziell gedämpften Sicherheitsschuhen mit Mehrweitensystem.

Bisher beschäftigen sich wenige wissenschaftliche Arbeiten mit dem Zusammenhang von orthopädischen Erkrankungen und Sicherheitsschuhen. Die Mehrzahl der Arbeiten zum Thema Schuh kommt aus dem Bereich der Diabetesforschung, der Sportschuhforschung und dem Kinderschuhbau. Teile der Erkenntnisse können jedoch auch auf den Sicherheitsschuh übertragen werden.

Mehrweitensystem für Alle

Die Analyse der Daten, der von Schuhhersteller L. Steitz Secura in Auftrag gegebenen Studie, belegt die Notwendigkeit des Mehrweitensystems auch beim Arbeitsschuh. Was beim qualitativ hochwertigen Kinderschuh als WMS-System seit Jahren Standard ist, hat auch im Erwachsenenschuhbau seine Berechtigung, gerade bei Schuhen die täglich über viele Stunden getragen werden.

Ein im Vorfußbereich zu enger Schuh hat mehrere Effekte.

  • Damit der Schuh nicht drückt, muss der Träger zwangsläufig einen längeren Schuh wählen. Dies führt dazu, dass die Flexibilität der Sohle nicht mehr zu Flexibilität des Fußes passt und unnötige Hebelmomente auf die Fußgelenke entstehen, was langfristig zu Beschwerden führen kann.
  • Es kommt zu einer Verschiebung der Mittelfußknochen nach plantar, was lokale Druckspitzen begünstigt, da die Mittelfußköpfchen keine andere Möglichkeit haben als in Richtung Fußsohle auszuweichen. 

Aber auch ein zu weiter Schuh im Vorfußbereich ist problematisch. Der Fuß rutscht in die Zugabe,

  • das heißt in den Raum, der eigentlich für eine freie Zehenbeweglichkeit vorgesehen ist. Durch das nach vorne Rutschen des Fußes haben die Zehen nicht mehr ausreichend Raum, die Bildung von Krallenzehen wird begünstigt. Gleichzeitig sitzt der Schuh an der Ferse locker, was zu Reizungen im Achillessehnenbereich führen kann. 
  • Zusätzlich führt ein im Fersenbereich zu lockerer Schuh zu einem Stabilitätsverlust, was gerade im Hinblick auf die Arbeitssicherheit unerwünscht ist. 

Probanden im fortgeschrittenen Lebensalter bevorzugten Schuhe mit Vorfußdämpfung. Dies deckt sich mit der Erfahrung aus dem klinischen Bereich, dass die körpereigenen Dämpfmöglichkeiten im Laufe des Lebens abnehmen. Hier ist insbesondere die altersabhängige Degeneration des plantaren Fettpolsters relevant.

Die natürlicherweise vorhandene Fettschicht unter der Fußsohle wird mit zunehmendem Alter dünner, so dass knöcherne Vorsprünge, insbesondere die Mittelfußköpfchen, stärker hervortreten und zu schmerzhaften Schwielen und Entzündungen führen. In verschiedenen Messungen konnte ein direkter Zusammenhang zwischen der Dicke des plantaren Fettpolsters und dem Spitzendruck unter der Fußsohle nachgewiesen werden.

Weitere Risikofaktoren für einen Druckanstieg unter dem Vorfuß sind einzelne Überlange Mittelfußknochen, eine eingeschränkte Beweglichkeit im Sprunggelenk, sowie eine verkürzte Wadenmuskulatur.

Sowohl die Probanden die mit, als auch jene die ohne Dämpfmatte arbeiteten, bevorzugten statistisch signifikant einen Schuh mit Vorfußdämpfung. Dies legt die Vermutung nahe, dass eine Dämpfungsmatte nur einen geringen Einfluss auf das Interface zwischen Fuß und Schuh besitzt, während die für Druckspitzen verantwortlichen Knochenvorsprünge bei einer Vorfußdämpfung im Schuh in das Material eintauchen können.

Dies erklärt, warum Dämpfungsmatten das Gefühl eines weichen Bodens erzeugen, auf lokale Spitzendrucke unter der Fußsohle aber wenig bis keinen Einfluss haben. Um mit Dämpfmatten einen ähnlichen Effekt zu erzeugen wie mit einer Vorfußdämpfung, müsste der Arbeiter barfuß auf der Matte stehen.

Das optimale Ausmaß der Dämpfung wurde in den letzten Jahren intensiv diskutiert, wobei es zahlreiche Hinweise gibt, dass die Dämpfung die Differenz zwischen einen Naturboden und den harten Kunstböden ausgleichen sollte. Ein härterer Boden ist mit einem erhöhten Risiko für Fuß- und Rückenbeschwerden verbunden, ebenso kann aber auch ein Übermaß an Dämpfung zu Problemen führen.

Die Druckverteilungsmessung zeigt, dass die Vorfußdämpfung zu einer Reduktion der Spitzendrucke unter dem Vorfuß führt. Durch die weicher gestaltete Sohle unter dem Vorfuß kann sich der Druck gleichmäßiger auf die vorhandene Fläche verteilen. Lokale Druckschmerzdruckspitzen, beispielsweise hervorstehende Mittelfußknochen, werden so besser kompensiert. Entsprechend erklärt sich auch der geringe messtechnische Effekt bei vorbestehender, physiologischer Druckverteilung.

Die meisten Daten zu dieser Problematik kommen aus der Diabetesforschung. Auch wenn nach wie vor kein harter Grenzwert formuliert werden konnte, ließ sich in Untersuchungen der direkte Zusammenhang zwischen Druckspitzen und dem Risiko für Verletzungen zeigen.

Conclusio

Das Mehrweitensystem sollte bei Sicherheitsschuhen Anwendung finden, da über 2/3 der Belegschaft mit einer Standardweite nicht optimal versorgt sind. Im Vorfußbereich zu enge, wie auch zu weite Schuhe können Fußprobleme begünstigen. Es besteht ein klarer Zusammenhang zwischen Alter und der Präferenz für vorfußgedämpfte Schuhe. Angesichts der immer älter werdenden Population wird diese Thematik in den nächsten Jahren weiter an Relevanz gewinnen. Es ist davon auszugehen, dass Mitarbeiter mit lokalen Druckspitzen ein hohes Risiko besitzen, aufgrund der lokalen Überlastung des Gewebes Vorfußprobleme zu entwickeln.

Der präventive Effekt der Vorfußdämpfung lässt sich durch die Druckverteilungsmessung objektivieren mit einer Reduktion der Druckspitzen von ca. 30 %.

Die Studie hat gezeigt, dass 81,8 % der Probanden einen vorfußgedämpften Schuh gegenüber einer Dämpfungsmatte überlegen oder gleichwertig einschätzen. Dies zeigt sich in der hohen Akzeptanz des vorfußgedämpften Schuhs bei den Probanden. Vor dem Hintergrund der vorliegenden Daten und der positiven Erfahrungen aus der Sportschuh- und der Diabetesforschung erscheint eine Umsetzung der Vorfußdämpfung im Sicherheitsschuh nur eine logische Konsequenz.

Weiterführende Literatur

  1. Finestone A. u. a.: A prospective study of the effect of the appropriateness of foot-shoe fit and training shoe type on the incidence of overuse injuries among infantry recruits. Mil Med 1992 
  2. Fuhrmann R. u. a.: Metatarsalgia. Differential diagnosis and therapeutic algorithm. Orthopade 2005 
  3. Kleindienst F.: Gradierung funktioneller Sportschuhparameter am Laufschuh – in Bezug auf eine anthropometrische Differenzierung, geschlechtsspezifische Gradierung und geographische Gradierung. Dissertation 2003 
  4. Maier E. u. a.: Kinderfuß und Kinderschuh. Neuer Merkur 2003 
  5. Oleske D. u. a.: Risk factors for recurrent episodes of work-related low back disorders in an industrial population. Spine 2006 
  6. Stussi E. u. a.: Sportverletzungen. Sportschaden 1993

 

Kontakt

Prof. Dr. med. Markus Walther
Schön Kliniken, München
Tel.: 089/6211-0
Fax: 089/6211-2042
info@schoen-kliniken.de
www.schoen-kliniken.de

Sicherheitsdienstleister

Lünendonk-Studie 2024

Lünendonk-Studie 2024

Die 25 führenden Sicherheitsdienstleister in Deutschland wachsen im Jahr 2023 um 7,9 Prozent.

Corporate Security

Globale Konzernsicherheit bei der BMW Group

Globale Konzernsicherheit bei der BMW Group

CSO ­Alexander Klotz ist für die globale Konzernsicherheit bei BMW Group zuständig. GIT SICHERHEIT hat sich mit ihm über Aufgaben und potentielle Bedrohungen unterhalten.

Meist gelesen

Photo
24.04.2024 • TopstorySafety

EU-Maschinenverordnung: Methoden zur Risikoeinschätzung Teil 2

Im ersten Teil des Beitrags „Methoden zur Risikoeinschätzung“ wurden die Änderungen der rechtlichen Grundlagen gemäß der neuen EU-Maschinenverordnung sowie die Parameter zur Risikoeinschätzung detailliert beleuchtet. Im zweiten Teil geht es nun um das generelle Vorgehen bei der Risikoanalyse sowie den verschiedenen Verfahren für die Risikoeinschätzung.