Sicherheitsschränke für Labors im Wandel
Es war eine Pionierleistung der ersten Stunde: Anfang der 70er Jahre entwickelte die Karlsteiner Firma Düperthal den ersten Sicherheitsschrank. Der ideenreiche Firmengründer Willy...
Es war eine Pionierleistung der ersten Stunde: Anfang der 70er Jahre entwickelte die Karlsteiner Firma Düperthal den ersten Sicherheitsschrank. Der ideenreiche Firmengründer Willy Düperthal erkannte den Bedarf zusammen mit einem seiner Kunden: der BASF. Heute sind Sicherheitsschränke für Gefahrstoffe in den Laboren und Reinräumen von Unternehmen und Forschungseinrichtungen gleichermaßen eine Selbstverständlichkeit. Matthias Erler von GIT-SICHERHEIT.de sprach mit Franz-Josef Hagen, Geschäftsführer von Düperthal über ein Stück deutscher Sicherheits-Historie, die gewandelten Ansprüche des Labors und die jüngsten Innovationen seines Hauses.
GIT-SICHERHEIT.de: Herr Hagen, die Firma Düperthal kann man als den dienstältesten Hersteller von Sicherheitsschränken bezeichnen - und sie sind noch heute eine wesentliche Säule Ihres heutigen Portfolios. Aber angefangen haben Sie eigentlich mit Büromöbeln?
Franz-Josef Hagen: Gegründet wurde Düperthal in der Tat bereits 1953 - und zwar als Hersteller von Büroeinrichtungen. Unsere erste Berührung mit dem vorbeugenden Brandschutz war ein selbstlöschender Papierkorb mit Trichtereinwurf, der einen Sauerstoffmangel bewirkte und Brände dadurch erstickte. Die Wende kam allerdings erst mit besonderen Anforderungen, die unser Kunde BASF, den wir damals mit Möbeln belieferten, an uns stellte. Man wollte einen Schrank haben, der für die Lagerung brennbarer Flüssigkeiten geeignet ist. Etwas Derartiges bot der Markt damals noch nicht an - es gab im Grunde nur herkömmliche Metallschränke. Die darin aufbewahrten Medien wurden nicht geschützt bzw. haben im Brandfall dem Feuer zusätzliche Nahrung geboten. Wir haben das aufgegriffen und erstmals einen entsprechenden Schrank konzipiert. In der Folge kam es dann zur offiziellen Gründung der Düperthal Sicherheitstechnik im November 1972.
Die Anforderungen an den neuen Sicherheitsschrank mussten Sie ja - mangels Normen - selbst erst definieren?
Franz-Josef Hagen: Das ist richtig. Wir haben uns mit Experten an einen Tisch gesetzt und die Bedingungen ermittelt, denen ein Schrank standzuhalten hatte. Wir haben als Praktiker das Pflichtenheft für den ersten Sicherheitsschrank erstellt und den ersten seiner Art gebaut. Das Ergebnis floss dann übrigens in die Formulierung der ersten DIN-Norm. Es folgte dann das erste Produkt mit GS-Zeichen: Was heute selbstverständlich ist, war damals sehr praktisch, weil der Schrank nicht mehr im Rahmen einer baurechtlichen Einzelabnahme genehmigt werden musste, sondern eben von einer unabhängigen Prüfstelle zertifiziert war. Wir wirken seitdem als ständiges Mitglied im DIN-Normenausschuss maßgeblich mit.
... und seit seinem Bestehen auch im Europäischen Normenausschuss?
Franz-Josef Hagen: Ja. Die erste DIN EN-Norm kam 2004. Sie entstand auf der Grundlage der deutschen Normen. Auch hier hat Düperthal federführend mitgewirkt. Allerdings waren ihre Auswirkungen auch für uns recht folgenreich. Die Änderungen haben die Belange der Firma im Kern berührt. Um den neuen Anforderungen gerecht zu werden, mussten sowohl das Design als auch die Konstruktion aller bisherigen Sicherheitsschrank-Serien vollständig überarbeitet werden.
In der Folge haben Sie ja erstmalig einen Typ 90-Schrank nach DIN EN 14470-1 vorgestellt, 2006 kamen unter anderem die Typ G90-Druckgasflaschenschränke hinzu. Was sind derzeit Ihre wichtigsten Innovationen im Zusammenhang mit Sicherheitsschränken?
Franz-Josef Hagen: Hier ist zunächst einmal unser Modular Protection System (MPS) zu nennen, ein Zugriffskontrollsystem zum Schutz von Sicherheitsschränken und zum ganzheitlichen Schutz der darin gelagerten Güter. Unser jüngstes Produkt ist das Medienmanagementsystem MMS. Hier geht es darum, mehrere Aspekte miteinander zu vereinbaren: So zum Beispiel den Umweltschutz mit den Kosten. Das geschieht durch den Einsatz von Mehrweggebinden und einem Überwachungssystem, das systemhaft die Einhaltung der Vorschriften abprüft: Der Umgang mit Gefahrstoffen setzt ja vielfach eine Schulung voraus - und unser Verwaltungssystem öffnet den Schrank nur geschulten Mitarbeitern.
Das System managt ja auch die ausgegebenen Mengen?
Franz-Josef Hagen: Hinterlegt ist auch, wer wie viel von welchem Medium entnimmt. Es gibt ja Vorschriften über die zulässigen Lagermengen von Stoffen. Diese sind im MMS hinterlegt und werden genau überwacht. Meldet sich nun ein Nutzer an, gibt er zunächst den Stoff ein, den er möchte, und die Menge. Die abgezapfte Menge wird dokumentiert - und zwar in einer Form, die für die Zuordnung zur entsprechenden buchhalterischen Kostenstelle verwertbar ist. Der Verbrauch wird so genau dokumentiert. Vor allem wird so eine absolute Eins-zu-eins-Beziehung zwischen Medium und Nutzer hergestellt. Insgesamt werden Kosten eingespart.
Wie genau wird hier gespart?
Franz-Josef Hagen: Zunächst einmal ist es ja ganz generell so, dass überall wo ein Prozess kontrolliert wird, der Verbrauch reduziert wird. Die Mitarbeiter verbrauchen automatisch weniger von den Medien. Dazu kommt: Die Informationen des Systems werden über eine Internetverbindung direkt mit der Logistik verknüpft, so dass die Medien passgenau nachgeordert und geliefert werden. Dadurch spart man sich in erheblichen Maße Lager- und Entsorgungskosten. Wir registrieren auch einen Umdenkungsprozess im Betrieb von Laboren. Es war früher nicht üblich, den Bedarf an Medien prozessgenau zu definieren. Heute ist es, bedingt auch durch den Einsatz wiederbefüllbarer Mehrweggebinde, möglich, die Kosten für Verbrauch, Lagerung und Entsorgung zu reduzieren. Auch Personalkosten verringern sich: Das MMS arbeitet ohne Personal, und einer eigenen Medienausgabe bedarf es nicht mehr.
Sie sprachen gerade einen Wandel im Labor an - worin besteht dieser Wandel aus Ihrer Sicht?
Franz-Josef Hagen: Abgesehen von den ständigen Weiterentwicklungen der normativen Rahmenbedingungen wird heute zum Beispiel verstärkt über neue Nutzungsmöglichkeiten von Laborräumen nachgedacht. Die Rauminfrastruktur kann daher nicht mehr so statisch sein wie früher. Man nutzt weniger eigene zentrale Lager sondern lässt sich seine Medien bedarfsgenau liefern - hierfür ist wiederum eine genaue Abrechnung auf der Grundlage verursachungsgerechter Zuordnung erforderlich. Forschungseinrichtungen reden heute teils nur noch von Forschungszellen, für die Räume gemietet werden können, Krankenhäuser arbeiten vermehrt mit Drittdienstleistern zusammen. Das sind alles Entwicklungen, die die Prozesse im Labor verändern.
Inwieweit haben solche Veränderungen Einfluss auf Ihr Geschäftsmodell?
Franz-Josef Hagen: Wir sind sehr nah an all diesen beschriebenen Prozessen dran - deshalb können wir unsere Philosophie ständig an diese Veränderungen anpassen. Dazu gehört vor allem, dass wir heute anders als früher den Schrank nicht mehr als isoliertes Produkt betrachten und als solches verkaufen. Vielmehr können wir heute um ihn herum ein Paket schnüren, das eine Vielzahl von Funktionen jenseits der bloßen Lagerung mit in den Blick nimmt. Der Kunde steht heute vor anderen Herausforderungen und Anforderungen schon hinsichtlich der Gefährdungsanalyse bis hin zur Realisierung seiner individuellen Sicherheitslösung. Gerade für den Umgang mit brennbaren Flüssigkeiten gibt es viele Auflagen. Wir unterstützen unsere Kunden dabei - und er bekommt eben nicht nur einen Schrank, sondern eine komplette Systemlösung sowie gegebenenfalls eine auf ihn zugeschnittene Sonderlösung.
...inklusive der rechtlichen Unbedenklichkeit?
Franz-Josef Hagen: Der Kunde bekommt von uns eine Systemlösung mit TÜV-zertifizierten und -baumustergeprüften Komponenten. Der Kunde ist vollständig davon befreit, etwa sicherzustellen, dass die eingesetzten Teile antistatisch sind. Der Explosionsschutz der Einheit, die Leitfähigkeit, die Sicherheit beim Abfüllvorgang - das ist alles geklärt. Früher musste er alles selbst prüfen und sicherheitstechnisch abnehmen lassen. Ferner kann der Betreiber die für das Ab- und Umfüllen notwendige Luftmenge im Schrank problemlos bedarfsgerecht einstellen. Das schützt Mitarbeiter und spart Energie. Und es stellt einen positiven Faktor in der CO2-Bilanz des Unternehmens dar.
Insgesamt setzen Sie verstärkt auf ganzheitliche und TÜV-geprüfte Konzepte für Ihre Kunden?
Franz-Josef Hagen: Richtig - wir haben in diesem Sinne ein durchgängiges 90-Minuten-Brandschutz Konzept für Flüssigkeiten, Gase und gekühlt zu lagernde brennbare Stoffe entwickelt. Für letzteres haben wir einen explosionsgeschützten Kühlschrank in unseren Gefahrstoffschrank integriert. Die ideale Kombination von Kühlung und 90-Minuten Brandschutz. Das gibt es in dieser Konstellation soweit wir sehen nur von uns.
Wie möchten Sie sich darüber hinaus von Ihren Wettbewerbern abgrenzen?
Franz-Josef Hagen: Wir verfolgen vor allem eine Qualitätsphilosophie, die sich einer „Geiz-ist-Geil"-Mentalität entgegenstellt. Qualität und hohe Lebensdauer sind für uns die höchsten Werte. So versuchen wir immer, die normativen Anforderungen an unsere Produkte möglichst überzuerfüllen, indem wir mehr Nutzen für den gleichen Preis bieten.
Geben Sie uns ein Beispiel?
Franz-Josef Hagen: Dieser Ansatz wird bei einer Vielzahl von Ideen sichtbar. Die Nutzer unserer Schränke können beispielsweise dank einer Farbanzeige in Augenhöhe immer selbst erkennen, ob die Lüftung im Schrank in Ordnung ist. Die Luftabsaugung erfolgt in unseren Schränken serienmäßig in jeder Lagerebene und nicht nur - wie von der Norm gefordert - ganz unten. Eine weiteres Beispiel: Wir sorgen für räumliche Flexibilität unserer Kunden, indem wir unterfahrbare Sicherheitsschränke anbieten - einschließlich eines extra dafür entwickelten Filtersystems zur Absaugung partikelgesättigter Luft, vor allem im Zusammenhang mit Kohlenwasserstoffen. Für den Mehrwert den unsere Schränke bieten, hat der TÜV Süd 2007 erstmalig das „High-Quality"-Gütesiegel vergeben. Bewertet hat die unabhängige Prüfstelle Faktoren wie gehobene Ausführung, Benutzerfreundlichkeit und erhöhte Lebensdauer.
Herr Hagen, Sie vertreiben Ihre Produkte ja sehr erfolgreich auf weltweiten Märkten - ist dies hinsichtlich der unterschiedlichen Sicherheitsnormen nicht sehr problematisch?
Franz-Josef Hagen: Wir haben ja in der EU sehr starke Vorschriften für sicherheitsrelevante Produkte - und so ist es ja, wie beschrieben, auch in unserem Bereich. Außerhalb der EU sind die Vorschriften eher weniger streng - und teils gar nicht vorhanden, auch wenn teils die Versicherungen ihrerseits hohe Anforderungen stellen. Hier können wir aber sehr gut über den Nutzen und die Leistungsfähigkeit unserer Produkte überzeugen.
Der praktische Beweis der Leistungsfähigkeit von Sicherheitsschränken ist ja nicht einfach zu erbringen - wie überzeugen Sie Ihre Kunden von Ihren Produkten?
Franz-Josef Hagen: Über die Leistungsfähigkeit unserer Typ 90 Sicherheitsschränke ist eine kurze Reportage in Deutsch und Englisch auf unserer Website zu sehen. Es war uns wichtig, den Entscheidern, egal ob national oder international, erstmalig Einblicke auf das Brandverhalten zu geben. Ein Sicherheitsschrank ist vergleichbar mit einer Versicherung. Sie schließen eine Police ab und hoffen darauf, die Versicherung niemals in Anspruch nehmen zu müssen. Ferner hofft man, dass es im Schadensfall keine Probleme bei der Regulierung gibt. Die Parallele zum Sicherheitsschrank: Sie kaufen ein geprüftes Produkt und hoffen darauf, dass es niemals den Primärnutzen - sprich Brandschutz - leisten muss. Wenn aber dieser Falls eintritt, dann hoffen Sie, dass der Sicherheitsschrank funktioniert. Bei einem Düperthal Sicherheitsschrank müssen Sie aber nicht hoffen, denn wir treten den Beweis an und gehen damit an die Öffentlichkeit.
Herr Hagen, besten Dank für das Gespräch.