„So entwickelt heutzutage fast jeder eine Fußfehlstellung“ - Unfallchirurg, Orthopäde und Mitentwickler des Akupunktur-Tapings Dr. Matthias Manke im Interview
Jeder von uns steht drauf und sie tragen uns im Laufe eines Lebens durchschnittlich viermal um die Welt: unsere Füße. Gerade bei körperlich arbeitenden Menschen, die zudem auf das Tragen von Sicherheitsschuhen angewiesen sind, sind gesunde Füße das A und O, um zahlreichen Gesundheitsproblemen, Schmerzen und damit zuletzt Arbeitseinschränkungen vorzubeugen. Warum heutzutage fast jeder eine Fußfehlstellung entwickelt und wie diesen vorgebeugt werden kann, verrät Unfallchirurg, Fußorthopäde sowie Spiegel-Bestseller-Autor Dr. med. Matthias Manke.
GIT SICHERHEIT: Herr Dr. Manke, alle klagen über Nacken-, Rücken- oder Knieschmerzen. Von Fußbeschwerden hört man selten. Warum beschäftigt Sie das Thema trotzdem so stark?
Matthias Manke: „Weil der Fuß aus meiner Sicht das am meisten unterschätzte Körperteil ist. Man muss sich das mal vor Augen führen: Die Füße bilden das Fundament unseres Körpers. Wie der Sockel eines Wolkenkratzers stellen sie sicher, dass alle übergeordneten Strukturen im Gleichgewicht bleiben. Anders als bei einem Bauwerk müssen sie jedoch nicht nur Gewicht tragen, sondern zusätzlich noch dynamisch sein, sie bewegen uns von A nach B, gerade bei Arbeitern Hunderte Male am Tag. Trotzdem würdigt das niemand. Unsere Füße leisten unglaublich viel, aber meine Frage ist: Was leisten wir für unsere Füße?“
Was müsste man aus Ihrer Sicht denn für die Füße leisten?
Matthias Manke: „Wir sollten unserer Fußstatik dringend die Aufmerksamkeit schenken, die sie verdient. Denn von ihr hängen zahlreiche andere Bereiche unseres Körpers ab, vor allem auch die Beschwerden. Ein Senk-, Spreiz- oder Knickfuß kann zum Beispiel zu einer funktionellen Beinlängenveränderung führen. Wenn das Fußgewölbe abflacht und das Becken schiefsteht, versucht die Wirbelsäule, im Lenden-, Brust- oder Halswirbelsäulen-Bereich auszugleichen. Dadurch ändert sich der Zug an den Muskeln und Rücken- oder Nackenschmerzen entstehen. Gleichzeitig kommt es zu einem vermehrten Verschleiß an den Gelenken und, wenn das Gewicht nicht optimal verteilt wird, zu einem frühzeitigen Verschleiß des Gelenkknorpels. Mit anderen Worten: Der Gelenkverschleiß – Arthrose – tritt früher ein. Die Schmerzen äußern sich häufig also ganz woanders, aber Schuld sind die Füße. Oder vielmehr: deren Verkümmerung.
Und woher weiß ich, in welchem Zustand meine Füße bzw. meine Fußgesundheit sich befindet?
Matthias Manke: „Für den Profi spiegelt sich an den Füßen der Gesundheitszustand wider. Dabei geht es um weit mehr als ‚nur‘ die Statik. Fuß- oder Nagelpilz beispielsweise birgt die Gefahr, dass der Körper permanent gegen eine Infektion ankämpfen muss. Ist die Immunabwehr geschwächt, können sich bakterielle Infektionen dazugesellen, was besonders Zuckerkranken Beschwerden macht. Schwellungen an Unterschenkeln und Füßen – sogenannte Lymphödeme – können ein Zeichen für ein geschwächtes Herz-Kreislauf-System sein, insbesondere, wenn es zu bräunlichen Ablagerungen kommt. Schwellungen in Gelenkbereichen können einen Hinweis auf ein akutes oder chronisches Gelenkproblem geben. Ist das Empfinden an den Füßen abgeschwächt, kann dies auf ein Nervenleiden hindeuten. Aus all diesen Gründen wird insbesondere für körperlich Arbeitende eine regelmäßige Betrachtung der Füße empfohlen. Und wenn man etwas Auffälliges entdeckt, bitte nicht ignorieren, sondern sofort vom Orthopäden abklären lassen.“
Angenommen, ich hätte meine Füße genauer betrachtet und vermute einen Senkfuß. Wie entsteht der und was kann man dagegen tun?
Matthias Manke: „Ganz klar: Fuß-Gymnastik. Hier hilft nur regelmäßiges Training. Unsere Füße sind hochkomplex konstruiert. 26 Knochen, 33 Gelenke, mehr als 100 Bänder und über 200 Sehnen machen sie zu einem anatomischen Meisterwerk. Beim Blick auf den Fuß fällt etwas ganz Entscheidendes auf: Im hinteren Abschnitt liegen die Knochen übereinander, im mittleren und vorderen Bereich dagegen nebeneinander. Dadurch entsteht auf der Innenseite des Fußes ein ausgeprägtes Längsgewölbe und im hinteren Mittelfuß ein Quergewölbe. Dank dieser Form liegen gesunde Füße niemals mit der gesamten Fläche auf – vorausgesetzt, die Muskeln werden ausreichend beansprucht oder trainiert. Tun wir das nicht, flacht das Fußgewölbe ab. Knochen und Bänder allein können die Fußform langfristig nämlich nicht stabilisieren. Bei fast jedem kommt es dann zu Fußveränderungen:
- Sinkt das Quergewölbe entsteht der Spreizfuß.
- Sinkt das Längsgewölbe ein, entsteht der Senkfuß.
- Liegt gar keine Wölbung vor, besteht der Plattfuß.
- Bei Stabilitätsverlust im Sprunggelenk knickt der Fuß ab und es besteht ein Knickfuß.
Oft zeigen sich zwei bis drei Fußveränderungen zugleich.
Die Fußmuskulatur muss also trainiert werden. Wie funktioniert das genau? Der typische Igelball?
Matthias Manke: „Leider nicht. Der Igelball ist vielleicht angenehm, bringt aber überhaupt nichts. Wer im Fitnessstudio seinen Bizeps trainieren will, würde schließlich auch nicht mit einem Ball über die Haut rollen, sondern den Muskel kontrahieren. Das gilt auch für die Füße. Bei der Ansteuerungsübung hebt man abwechselnd die große Zehe und die übrigen Zehen nach oben. Wer diese Übung schafft, darf mit der Stärkungsübung anfangen. Dabei stellen wir uns drei Eckpunkte vor: die große Zehe, die kleinste Zehe und die Ferse. Man stellt sich hin – zum Beispiel abends zehn Minuten vor die Couch – und muss diese drei Punkte zusammenziehen. Das heißt, den Impuls geben, der das Fersengewölbe und das Längsgewölbe anspannt. Vom Gefühl her zieht man das Gewölbe unter dem Fuß nach oben. Es ist die gleiche Übung wie beim Barfußlaufen, wobei man sich mit dem Fuß abstößt. Beide Übungen brauchen Zeit, bis sie perfekt gelingen, vier bis fünf Wochen sollte man sich geben. Auf andere Fußgymnastik-Techniken wie den Igelball, das Stehen auf den Zehenspitzen, Dehnen oder Wärmebehandlungen empfehle ich zu verzichten. Das sind symptomatische Therapien, die etwas für den Moment bringen, aber nicht langfristig.“
Das Fuß-Training klingt ziemlich zeitintensiv für eine Muskelgruppe, die man selten sieht und dadurch im Alltag schnell vergisst …
Matthias Manke: „Genau das ist das Problem. Den meisten meiner Patienten fehlt die Zeit, Geduld oder Muße für aktives Fuß-Training. Ich empfehle ihnen dann immer, mindestens eine halbe Stunde am Tag bewusst barfuß zu laufen, damit die Füße mal aus ihrer starren Position im Schuh ausbrechen können. Aber auch das ist für viele nicht mit dem stressigen Alltag vereinbar. Für diese Menschen ist eine Einlegesohle das A und O.“
Bringen Einlegesohlen denn wirklich etwas?
Matthias Manke: „Diese Frage höre ich als Fußorthopäde sehr häufig und habe dazu eine klare Meinung: Ja! Eine individuelle Einlegesohle ist immer dann sinnvoll, wenn kein regelmäßiges Fußmuskel-Training erfolgt. Denn wird der Fuß im Schuh permanent überdehnt und die Muskelaktivität durch die Begrenzung des Schuhs ruhiggestellt, erschlaffen die Muskeln, die das Fußgewölbe stützen sollen, und Längs- wie Quergewölbe flachen ab. So entwickelt heutzutage fast jeder eine Fußfehlstellung. Eine Einlage kann hier verhindern, dass der Fuß irgendwann nur noch platt auf dem Boden aufliegt, indem sie ihn unterfüttert. Es muss nicht immer gleich eine orthopädische Sohle sein. Gerade für die Menschen, die noch keine Beschwerden haben, eignet sich eine semi-orthopädische sehr gut: Die Fit Insole von Atlas beispielsweise wird mittels Smart Technology an den individuellen Footprint maßangepasst. Mithilfe eines speziellen Hitze-Kälte-Verfahrens wird die Sohle von unten gegen den Fuß gebogen und erhärtet, sodass sie das Gewölbe stützt – und das innerhalb von nur vier Minuten! Ein Gang in den stationären Handel, der über eine sogenannte Flowmould-Station verfügt, kann sich also auszahlen. Gesundheitsprävention ist kaum irgendwo so wichtig wie bei Füßen, die den Großteil des Tages in Sicherheitsschuhen stecken.
Könnte man nicht auch was gegen die Begrenzung im Schuh unternehmen?
Matthias Manke: „Ja, das ist sogar ganz wichtig. Bei Arbeitsschuhen gibt es verschiedene Breiten. Hier ist es elementar, seine genaue Größe zu kennen. Eine Faustregel besagt, Sicherheitsschuhe immer eine Nummer größer zu kaufen. Aber Vorsicht: Ist der Schuh zu groß, kann sich der Fuß ausweiten und es kann so zu einem Spreiz- oder Plattfuß kommen. Bei einem Schuh, den man so intensiv nutzt, sollte man Zeit in die Größenbestimmung investieren, beispielsweise mit der Scan-Technologie von Atlas. Die ermittelt nicht nur die benötigte Größe, sondern auch die Breite des idealen Sicherheitsschuhs. Das geht auch bequem per App von zuhause aus.“
Was kann ich beim Kauf noch beachten?
Matthias Manke: „Hilfreich ist auch immer ein gutes Belüftungssystem im Schuh. Atmungsaktive Materialien, beispielsweise aus Mesh wie beim nachhaltigen Recycling Safety Shoe von Atlas, können das Auftreten von Fuß- und Nagelpilzinfektionen verringern. Mein Tipp als Fußspezialist: Auch bei der Sockenauswahl einen belüftungsaktiven Stoff wählen, zum Beispiel aus Merinowolle, damit die Vorzüge des Atlas Sicherheitsschuhs optimal ausgeschöpft werden können.“