In GIT Sicherheit11/2021 zu Gast:
Herbert Saurugg
Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Krisenvorsorge
- Herbert Saurugg, Jhrg. 1974, verheiratet, zwei Kinder, wohnt in Wien
- Internationaler Blackout- und Krisenvorsorgeexperte
- Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Krisenvorsorge (GfKV)
- Kernthemen: ein europaweiter Strom-, Infrastruktur- sowie Versorgungsausfall (‚Blackout‘); die steigende Vernetzung & Komplexität sowie Fragilität lebenswichtiger Infrastrukturen; die Gestaltung von antifragilen lebensfähigen, Systemen und Strukturen
- bis 2012 Berufsoffizier des Österreichischen Bundesheeres im Bereich Cyber-Sicherheit
Ihr Berufswunsch mit 20 war:
Berufsoffizier des österreichischen Bundesheeres zu werden.
Was hat Sie dazu bewogen, eine Aufgabe im Bereich Sicherheit zu übernehmen?
Ich wurde mit 12 Jahren Mitglied der Jugendfeuerwehr, ging mit 14 ins Militärrealgymnasium – damit war der Grundstein für meine Sicherheitskariere schon sehr früh gelegt.
Welche sicherheitspolitische Entscheidung oder welches Projekt sollte Ihrer Meinung nach schon längst umgesetzt sein?
Wir leben in einer enormen Scheinsicherheit, die sich binnen weniger Tage als evolutionärer Irrtum herausstellen könnte. Dies auch deshalb, weil uns eine entsprechende Fehler- bzw. Sicherheitskultur fehlt.
Ein Erfolg, den Sie kürzlich errungen haben, war:
Dass wir gemeinsam mit dem Österreichischen Städtebund und dem österreichischen Lebensmittelhandel eine Initiative gestartet haben, um eine Lebensmittelnotversorgung für den Fall eines Blackouts vorzubereiten. Das Besondere daran ist, dass sowohl die Bevölkerung als auch die Gemeinden dabei aktiv eingebunden werden.
Wer hat Ihrer Meinung nach eine Auszeichnung verdient?
All jene Menschen, die jetzt in der Corona-Krise als wirklich systemrelevant sichtbar wurden und die nur ein wenig Applaus erhalten haben.
Worüber können Sie sich freuen?
Wenn es doch wieder einen kleinen Schritt vorangeht – oder über eine großartige Naturstimmung.
Wobei entspannen Sie?
Beim Sport oder bei der Gartenarbeit. Da kann ich wirklich komplett abschalten.
Wie würde ein guter Freund Sie charakterisieren?
Zielstrebig, sehr hartnäckig, zuverlässig, ehrlich und umgänglich.
Welche Zeitschriften lesen Sie regelmäßig?
Ich lese sehr viel, aber fast nur mehr Online-Inhalte und diese aus unterschiedlichen Bereichen, um ein möglichst umfangreiches Bild zu bekommen.
Welches Buch haben Sie zuletzt gelesen?
„Die Zerbrechlichkeit der Welt: Kollaps oder Wende. Wir haben es in der Hand“ von Stefan Thurner, einem der führenden Komplexitätsforscher Europas und Leiter des Complexity Science Hub Vienna (CSH)
Was motiviert Sie?
Positive Rückmeldungen zu meiner unermüdlichen Aufklärungsarbeit, die ja nicht unbedingt eine sehr erfreuliche Botschaft enthält.
Worüber machen Sie sich Sorgen?
Mir bereitet vor allem die steigende gesellschaftliche Polarisierung Kummer. Gerade jetzt bräuchten wir das Gegenteil, nämlich ein Sowohl-als-auch-Denken, um die vielen anstehenden Probleme angehen und wirklich lösen zu können. Mit unserem linearen Denken werden wir furchtbar scheitern.
Die beste Erfindung im Bereich Sicherheit ist Ihrer Meinung nach:
Wir sollten viel mehr auf die Natur schauen und von ihr lernen – etwa, dass wir zu unserem bisherigen Sicherheits- und Risikoansatz auch komplementäre Ansätze wie Robustheit und Resilienz, aber auch Antifragilität benötigen. Denn es gibt keine hundertprozentige Sicherheit. Gerade Resilienz, also die Lern- und Anpassungsfähigkeit – und nicht, wie häufig gemeint, die Widerstandsfähigkeit – sind von zentraler Bedeutung, um in Zeiten von großen Umbrüchen voranzukommen und nicht zu zerbrechen.
Ihre gegenwärtige Geistesverfassung ist:
Besorgt, weil wir sehenden Auges in absehbarer Zukunft in die Katastrophe rennen und nur viel zu wenige Menschen die Zusammenhänge verstehen.