Wirtschaftlichkeit und/oder Arbeitsschutz – wenn an der falschen Stelle gespart wird

Wirtschaftliche Engpässe werfen in vielen Unternehmen deutschlandweit die Frage auf, wo gespart werden kann. Das gilt nicht zuletzt für den Gebäudesektor, der in den vergangenen Jahren einen beispiel­losen Boom erlebt hat, nun aber unter extrem gestiegenen Kosten und Zinsen leidet. Franz Wudy, Leiter Sicherheit & Gesundheit bei Caverion Deutschland, mahnt davor, bei Arbeitsschutz Budgets zu kürzen. Denn das sei nicht nur eine Gefahr zulasten der Belegschaft. Auch der gesamte Unternehmenserfolg gerate so in Schieflage.

Nach 15 Jahren im Leistungssport ­wechselte Franz Wudy in die Gebäudetechnik...
Nach 15 Jahren im Leistungssport ­wechselte Franz Wudy in die Gebäudetechnik und setzt sich seitdem als Experte für die Arbeitssicherheit und das betriebliche Gesundheitsmanagement bei Caverion Deutschland ein. © Caverion Deutschland GmbH

GIT SICHERHEIT: Immobilienunternehmen gerieten in den letzten Monaten spürbar unter Druck. Energiekosten, Zinswende und Inflation gehen am Marktumfeld nicht vorbei. Was macht das mit dem Thema Arbeitssicherheit?

Franz Wudy:
Leider entsteht noch in zu vielen Fällen der falsche Eindruck, dass in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, Einsparungen in puncto Arbeitssicherheit legitim wären. Das führt in der Folge dazu, dass in zu vielen Unternehmen, oft an der falschen Stelle gespart wird. Meiner Meinung nach muss allerdings unabhängig von Branche und Unternehmensgröße klar sein, dass Arbeitsschutz einer der Top-Prioritäten ist.

Nicht nur, weil die Gesundheit der Beschäftigten an erster Stelle steht. Auch führen mangelnde Planung und Arbeitsunfälle zusätzlich zu Verzögerungen in kompletten Projekten. Werden Aufträge langsamer fertig und Projekte verzögert abgeschlossen, entsteht neben dem eigentlichen Problem auch ein finanzieller Schaden. Daher ist die Vernachlässigung von Arbeitssicherheit auch ein operatives Risiko. Das Bewusstsein dafür fällt noch zu gering aus.


Wie hat sich die Wahrnehmung für das Thema generell und spezifisch im Gebäudesektor während der letzten Jahre gewandelt?

Franz Wudy:
Branchenübergreifend und speziell im Gebäudesektor hat natürlich die Pandemiephase Arbeitsschutz in Teilen neu definiert. Fragen zu gesundheitlicher Prävention im Inneren und im Freien, aber auch der Schutz von Beschäftigten in Home-Office-Zeiten haben wir uns die Jahre davor zu selten gestellt. Gerade den Faktor „Remote Work“ sollte dabei niemand gänzlich unterschätzen. Denn auch in den eigenen vier Wänden gilt es, die physische und psychische Gesundheit der Belegschaft zu schützen. Ich bin fest davon überzeugt, dass es dazu in den kommenden Jahren weitere Fortschritte geben wird.

Persönlich kann ich allerdings nur dafür werben, die Fortschritte der letzten Jahre nicht in Frage zu stellen. Die Verbesserungen rund um Arbeitsschutz, die allein die letzten zwei bis drei Jahre gebracht haben, sollten Firmen möglichst langfristig für sich implementieren und nicht in Frage stellen.


Wo passieren heute die meisten Arbeitsunfälle und welche Konstellationen im Berufsalltag werden sowohl von Unternehmen als auch von der Belegschaft unterschätzt?

Franz Wudy:
Für den Gebäudesektor ist die Arbeit im, beziehungsweise am Gebäude selbstverständlich eine potentielle Gefahrenquelle, in der Unfälle passieren. Dafür ist es wichtig, dass möglichst proaktiv sämtliche Sicherheitsdefizite in Gebäuden identifiziert werden. Sind bereits im Vorfeld Risiken ausgeräumt, ist neben den Mitarbeitern auch der Eigentümer besser geschützt, da sich Unfälle in Gebäuden auch auf diese Seite auswirken.

Unterschätzt wird aus meiner Sicht kein Bereich der Arbeitssicherheit. Ich würde mich jedoch mit der Annahme schwertun, dass Arbeitsschutz durch verstärkten Einsatz von hybriden Arbeitsmodellen eine geringere Rolle spielt. Denn auch hier gibt es genügend Situationen, bei denen Mitarbeiter geschützt werden müssen. Sei es bei acht bis zehn Stunden am Laptop, in einer ungünstigen Sitzhaltung oder auf dem Weg zu Unternehmensstandorten. Hier lauern überall Gefahrenquellen, die niemand kleinreden darf.


Wie kann der Schutz der Beschäftigten möglichst unabhängig vom wirtschaftlichen Zustand des Unternehmens gestärkt werden?

Franz Wudy:
Die wichtigsten Bausteine lauten aus meiner Erfahrung, Dokumentation, Aufklärung und Prävention. Gerade beim letzten Punkt ist es für uns Gebäudetechniker ausschlaggebend, über Newsletter und zielgruppengerechte Arbeitsschutzkampagnen sowie regelmäßige Sicherheitsbegehungen bis hin zu Sicherheitsschulungen vor Ort an der Baustelle, die Awareness zu stärken. Wird einmal darüber gesprochen, verlässt das Thema auch das Firmeninnere nicht.

Hinzukommt, dass es standardisiert eine eigene Abteilung für Arbeitssicherheit geben sollte. Es wäre ein kapitaler Fehler, dieses Thema auf einige weniger Schultern in Firmen zu verlagern. Denn das senkt auch die Akzeptanz innerhalb des Betriebes. Unternehmen, die hier vorzeitig aufklären, tragen quasi automatisch dazu bei, das Risiko für Unfälle und damit auch die Folgekosten spürbar zu senken.

Parallel sind digitale Dokumentationen von Audits, Baustellen- und Objektchecks sowie Sicherheitsbegehungen eine wichtige Stütze. Dokumentations-Tools für Arbeitssicherheit bringen dabei deutlich mehr Übersicht und Struktur als papiergestützten Dokumentation, die im Worst Case verloren gehen können. All dies sind konkrete Hilfestellungen, die auch in der jetzigen Marktphase abbildbar sind – und das weitestgehend unabhängig von Budget und Größe der Organisation.


Wann kommt es Ihres Erachtens besonders häufig zu Fehlern, wenn es um Arbeitsschutz geht?

Franz Wudy:
Fehler treten beispielsweise dann gehäuft auf, wenn es den Unternehmen wirtschaftlich schlechter geht. Der jetzige Zustand unserer Gebäudebranche belegt das deutlich: Vergleichsweise wirtschaftlich schwere Zeiten erhöhen die Bereitschaft beim Arbeitsschutz zu sparen. Aus meiner Sicht ist das mit der größte Fehler, den Unternehmen heute machen können. Und das gilt, wie gesagt, nicht nur auf dem Baugerüst, bei Leitungsarbeiten oder dem Transport. Auch remote entstehen regelmäßige Arbeitsunfälle, die es zu vermeiden gilt. So wird nicht nur die Gesundheit, sondern in der Regel auch der wirtschaftliche Erfolg abgesichert.


Rechnen Sie damit, dass Arbeitssicherheit in naher Zukunft eher an Wichtigkeit gewinnt oder verliert?

Franz Wudy:
Ich bin fest davon überzeugt, dass wir noch zu wenig über Arbeitssicherheit sprechen. Fälschlicherweise werden Unternehmen sowohl intern als auch von Dritten zu statisch in wirtschaftlichen Kennzahlen, Aktienwerten oder Umsätzen bewertet. Die Sicherheit der Belegschaft legt allerdings nicht nur den Grundstein für den ökonomischen Erfolg. Auch leidet dieser sofort, sollte es intern zu Ausfällen, Verletzungen oder sogar Schlimmerem kommen.

Die Zahlen sprechen dabei für sich. 32,37 Arbeitsunfällen pro eine Million geleisteter Arbeitsstunden (2021), sind in der Bauwirtschaft ein noch viel zu hoher Branchendurchschnitt. Wirtschaftlichkeit und Arbeitsschutz werden trotz dieser Zahlen leider immer noch gegenübergestellt. Meiner Meinung nach gehört beides aber zusammengedacht. Ein „Entweder-oder“ sollte es nicht geben.

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