Worauf es beim Fußschutz ankommt
Wer täglich Sicherheitsschuhe tragen muss, freut sich über Schuhwerk, das nicht nur vor Gefahren am Arbeitsplatz schützt, sondern auch bequem ist. Worauf sollten Sicherheitsingenieure und Einkäufer bei der Beschaffung von Sicherheitsschuhen achten?
Das entscheidende Kriterium bei der Auswahl eines Sicherheitsschuhs ist sicherlich die Sicherheitsklasse. Dazu ist es wichtig, alle am Arbeitsplatz des Trägers vorherrschenden Gefahren zu berücksichtigen. Ist es sehr heiß oder kalt, droht von oben Gefahr durch herabfallende Gegenstände oder von unten durch spitze Gegenstände? Kommt es zu elektrostatischer Aufladung oder fließt in der Nähe elektrischer Strom? Lauern chemische Gefahren durch Säuren, Laugen, Öle, Fette oder Kraftstoffe? Sind die Wege so beschaffen, dass man leicht ausrutschen oder stolpern kann? All diese Gefahren sind in der Arbeitsschutz-Norm EN ISO 20345 erfasst und in spezielle Schutzklassen eingeteilt. Derzeit gibt es fünf davon. Ab dem Inkrafttreten der neuen Fußschutz-Norm im April 2023 steigt diese Zahl auf sieben. Das heißt, es findet eine noch genauere Differenzierung statt.
Jeder Fuß ist anders – Mehrweitensysteme erleichtern die richtige Wahl des richtigen Sicherheitsschuhs
Weil Sicherheitsschuhe in der Regel täglich getragen werden müssen, sollten sie einen hohen Tragekomfort aufweisen. Das erhöht die Trageakzeptanz bei den Mitarbeitern und vermeidet Langzeitschäden. Doch was macht einen bequemen Schuh aus? Simpel gesagt: Er passt zum Fuß. Da Füße individuell sehr unterschiedlich sind, ist diese Frage letztlich aber nicht einfach zu beantworten. Neben verschiedenen Fußgrößen gibt es auch Unterschiede in der Breite: von sehr schmalen bis zu breiten Füßen. Das wissen auch die Hersteller von Sicherheitsschuhen. Deshalb bieten sie ihr Schuhwerk häufig in unterschiedlichen Weiten, also im sogenannten Mehrweitensystem, an. Die richtige Weite zu wählen, reduziert die Stolpergefahr, die entsteht, wenn Menschen mit breiten Füßen eine größere Schuhgröße wählen, als sie für ihre Fußlänge bräuchten.
Wenn ein Sicherheitsschuh nicht richtig passt, führt das über kurz oder lang immer zu Problemen. Ist er zu eng, bekommt der Träger schnell Druckstellen oder Blasen. Zu weite Schuhe hingegen können reiben oder bei häufigem Tragen Platt- oder Spreizfüße verursachen. Solche Langzeitschäden zeigen sich zwar erst nach einer Weile, sollten jedoch nicht unterschätzt werden. Sie wieder loszuwerden ist sehr langwierig.
Korrekt angepasste Sicherheitsschuhe entlasten den Bewegungsapparat
Die Aufrichtung des Körpers beginnt stets unten – im Gehen und Stehen also bei den Füßen. Durch unpassendes Schuhwerk verursachte Fehlstellungen der Füße können deshalb zu Knie-, Rücken- oder Nackenproblemen führen. Wer einen optimal angepassten Sicherheitsschuh trägt, entlastet somit seinen gesamten Bewegungsapparat.
Beim Gehen setzt in der Regel die Ferse zuerst auf dem Boden auf. Das Körpergewicht plus zusätzliche Lasten, die getragen werden, landen somit zuerst dort, bevor sie durch die Gewichtsverlagerung des Körpers nach vorne zum Mittel- und Vorfuß gelangen. Diese Dynamik verleiht dem Fuß Schwung für die Abstoßung, die er für den nächsten Schritt braucht. Auch beim Stehen sollte ein Großteil des Körpergewichts auf der Ferse bleiben, da diese wie ein Steuerruder den Fuß gerade ausrichten und verhindern kann, dass zu viel Gewicht auf dem Vorfußballen lastet, was zur Abflachung der Fußgewölbe und Verbreiterung der Füße führt.
Böden in Produktionshallen müssen stabil, fest und eben sein. Durch den harten Untergrund kommt es jedoch zu einer Art Rückstoß auf die Fußgelenke. Um diese Belastung zu reduzieren haben hochwertige Sicherheitsschuhe im Bereich der Ferse ein Dämpfungsmodul integriert: Idealerweise ist dieses sogar gewichtsabhängig, das heißt für leichtgewichtige Menschen eine weiche, für Normalgewichtige eine mittlere und für schwere Menschen eine harte Dämpfung.
Für jeden Einsatzort gibt es das richtige Schuhwerk
Neben dem individuellen Fuß gilt es bei der Auswahl des richtigen Sicherheitsschuhs auch trägerunabhängige Parameter zu beachten. Je nach Einsatzort empfehlen sich verschiedene Lauf- und Einlegesohlen, Obermaterialien und Verschlusssysteme. Laufsohlen aus Gummi sind äußerst strapazierfähig und kurzzeitig bis 300 Grad Celsius hitzebeständig. Außerdem halten sie Kraftstoffen, Öl, Mikroben und zahlreichen Chemikalien Stand. Gummi ist jedoch schwerer als Polyurethan (PU) und Thermoplastisches Polyurethan (TPU). PU punktet neben seinem leichten Gewicht über gute Dämpfungseigenschaften und hohen Tragekomfort. Es ist zwischen minus 30 und plus 130 Grad einsetzbar und ebenfalls gegen Öl und Kraftstoffe sowie zahlreiche Chemikalien und Mikroben resistent. TPU-Sohlen verfügen über ähnliche Eigenschaften wie PU-Sohlen, sind aber deutlich haltbarer und besitzen eine stärkere Rutschhemmung bei höherer Elastizität und Kälteresistenz. Sohlen aus Nitrilkautschuk, einem synthetisch hergestellten Gummi, gelten als sehr strapazierfähig und sind bis 220 Grad hitzebeständig, verfügen über eine sehr gute Rutschhemmung und eine sehr hohe Laugen- und Säurebeständigkeit.
Viele Sicherheitsschuhe haben zusätzlich zur Laufsohle eine Zwischensohle. Eine Duo-Sohle mit einer Laufsohle aus Gummi und einer Zwischensohle aus PU vereint die Vorzüge beider Materialien: die hohe Hitzebeständigkeit von Gummi und gute Dämpfungseigenschaften von PU. Eine Einschichtsohle hingegen besticht meist durch weniger Gewicht.
Je größer der Schutz, umso schwerer der Schuh
Alle Sicherheitsschuhe verfügen über Zehenschutzkappen, um die Füße vor herabfallenden Gegenständen und Quetschungen zu schützen. Im Baugewerbe werden meist günstige Stahlkappen eingesetzt, in der Industrie leichtere Aluminiumkappen. Wo kein Metall erwünscht ist, wie beispielsweise an Flughäfen, kommen Komposit-Schutzkappen aus Kunststoff zum Einsatz, die durch ihre dickere Bauart aber klobiger sind. Darüber hinaus gibt es auch noch Carbonkappen, die jedoch eher selten eingesetzt werden, da sie sehr teuer sind.
Um den Fuß vor dem Durchstoßen eines spitzen Gegenstandes von unten zu schützen, sind Sicherheitsschuhe mit einem Durchtrittsschutz aus Metall oder Textil ausgestattet, wobei letzterer mit mehr Flexibilität und geringerem Gewicht punktet. Nach der neuen Norm muss bei der Kennzeichnung von Sicherheitsschuhen erstmals auch das Material des Durchtrittsschutzes sowie die im Test eingesetzte Nagelgröße berücksichtigt werden: „P“ und „PL“ stehen für einen metallischen bzw. textilen Durchtrittsschutz und einen Testnagel von 4,5 Millimeter Durchmesser. „PS“ kennzeichnet hingegen einen textilen Durchtrittsschutz, der mit einem Testnagel von 3 Millimeter Durchmesser geprüft wurde.
Beim Obermaterial der Schuhe besticht Mikrofaser durch wenig Gewicht und hohen Tragekomfort, Atmungsaktivität sowie Formbeständigkeit. Mikrofaser ist bei permanent hoher Beanspruchung jedoch weniger strapazierfähig. Mikrofaserschuhe, die mit einer wasserundurchlässigen Membran wie zum Beispiel Gore-Tex ausgestattet sind, können auch in nassen Umgebungen eingesetzt werden. Lederschuhe – egal, ob aus Glattleder oder Vollnabenleder – sind deutlich robuster, aber auch schwerer.
Als Verschlusssysteme bieten sich neben dem klassischen Schnürsenkel auch Klettverschluss, Schnellverschluss durch Gummizug oder BOA-Verschluss an. Schuhe mit Schnürsenkeln geben dem Fuß einen sehr guten Halt, das Binden ist jedoch vergleichsweise zeitaufwändig und sie können sich eher ungewollt öffnen als die anderen Verschlüsse. Schuhe mit Klett- oder Schnellverschluss sind weniger stabil als solche mit BOA-Verschluss, die wiederum teurer sind. Hier wird durch Drehen eines Verschlussknopfes der Schuh über einen dünnen Draht in wenigen Sekunden verschlossen.
Orthopädische Anpassungen nur bei Schuhen mit Zertifikat möglich
Sicherheitsschuhe für Mitarbeiter, die orthopädische Einlagen tragen, müssen in Deutschland, Österreich und der Schweiz die Zertifizierung DGUV 112-191 vorweisen. Diese gewährleistet, dass die Schuhe durch Orthopäden ohne Beeinträchtigung der Sicherheitsleistung angepasst werden dürfen.
Tragetests stellen die Alltagstauglichkeit unter Beweis
Da es angesichts der zahlreichen Möglichkeiten nicht einfach ist, selbst für gesunde Füße den richtigen Schuh zu finden, bietet die Hoffmann Group einen herstellerunabhängigen Beratungsservice an. Kann dabei die Auswahl auf ein oder zwei Kandidaten eingegrenzt werden, geht es ans Ermitteln der individuellen Schuhgrößen aller Mitarbeiter über Scanner oder Messschalen. Anschließend können die neuen Sicherheitsschuhe bei einem Tragetest im Arbeitsalltag bis zu sechs Wochen auf Herz und Nieren geprüft werden.
Wichtig ist noch zu wissen: Ab 1. April 2023 müssen Sicherheitsschuhe nach der neuen Norm EN ISO 20345:2022 zertifiziert werden. Für Schuhe, die noch nach der bisher gültigen Norm zertifiziert sind, gilt ein Bestandsschutz, solange das entsprechende Zertifikat Gültigkeit besitzt. Die wichtigsten Änderungen der neuen Norm betreffen die Schutzklassen, den Durchtrittschutz, die Rutschhemmung, die Kraftstoffbeständigkeit sowie die Trittsicherheit für Leitern.
Fazit
Bei der Beschaffung von Sicherheitsschuhen muss neben der Einhaltung der geforderten Schutzklassen auf einen hohen Tragekomfort geachtet werden. Dieser setzt voraus, dass die Sicherheitsschuhe auch nach vielen Stunden für die Träger noch bequem sind. Nur dann können Sicherheitsschuhe sowohl Schutz vor akuten Gefahren bieten als auch Langzeitschäden am Muskel-Skelett-System verhindern.
Autorin
Gudrun Zercher
Freie Journalistin
Business Partner
Hoffmann GroupHaberlandstraße 55
81241 München
Deutschland
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