Arbeitsschutz: Belastung der Hände am Arbeitsplatz – Ermittlung, Beurteilung und Prävention
Arbeitsschutz: Belastung der Hände am Arbeitsplatz - Ermittlung, Beurteilung und Prävention. „All Ding sind Gift und nichts ohn‘ Gift; allein die Dosis macht, dass ein Ding kein Gi...
Arbeitsschutz: Belastung der Hände am Arbeitsplatz - Ermittlung, Beurteilung und Prävention. „All Ding sind Gift und nichts ohn‘ Gift; allein die Dosis macht, dass ein Ding kein Gift ist.“ Diese Aussage von Paracelsus trifft auf die Auswirkung von körperlicher Belastung durch Vibration und der daraus resultierenden Beanspruchung zu. Vibrationen, in Form von Hand-Arm‑Vibrationen oder Ganzkörper- Vibrationen insbesondere im Sitzen beim Fahren von Fahrzeugen auf unebenen Fahrwegen, sind für den Menschen nur in einem begrenzten Maß ohne gesundheitliche Folgen erträglich.
Diese Erkenntnis hat nun, befördert durch eine Europäische Einzelrichtlinie zum Arbeits- und Gesundheitsschutz, Eingang in das deutsche Arbeitsschutzrecht in Form der Lärm- und Vibrationsarbeitsschutzverordnung vom 06.03.2007 gefunden. Damit werden erstmals in Deutschland verbindliche Grenzwerte in Form von Auslösewerten, bei deren Überschreiten konkrete Präventionsmaßnahmen erforderlich werden und Expositionsgrenzwerten, die nicht überschritten werden dürfen, sowohl für Hand-Arm-Vibrationen, als auch für Ganzkörpervibrationen, festgelegt.
Ermittlung und Beurteilung
Die tatsächlichen Belastungswerte werden als Tages-Schwingungsbelastung nach VDI 2057 Teil 1 und 2 ermittelt. Als Grundlage für die Belastungsermittlung können die Angaben des Herstellers dienen, die dieser in seiner Betriebsanleitung sowohl hinsichtlich Hand-Arm-Vibrationen bei handgehaltenen oder handgeführten Maschinen, als auch hinsichtlich Ganzkörper-Vibrationen bei Maschinen, von denen aufgrund ihrer Beweglichkeit Gefahren ausgehen, machen muss (9. Verordnung zum Geräte- und Produktsicherheitsgesetz in Verbindung mit Anhang 1 der Maschinenrichtlinie).
Ebenso können Vibrationswerte einzelner Maschinen als Emissionswert aus entsprechenden Datenbanken (z. B. dem „Vibrationsrechner“ www.las-bb.de/karla) entnommen werden. Sollten keinerlei Daten verfügbar sein, so sind fachkundige Messungen z. B. nach VDI 2057 Teil 1 und 2 durchzuführen.
Eine wichtige Aufgabe des Arbeitgebers oder der von ihm beauftragten fachkundigen Person ist es dann die tatsächliche, schichtbezogene Expositionszeit gegenüber der Vibrationseinwirkung durch das konkrete Arbeitsmittel oder durch die konkrete Tätigkeit zu ermitteln. Bei bekanntem Schwingungsgesamtwert oder bekannten Schwingungswerten in die drei Raumrichtungen und bekannter Einwirkungsdauer, errechnet der „Vibrationsrechner“ dann nach Eingabe dieser Werte einfach den zur Beurteilung relevanten Tages-Schwingungswert.
Prävention
Wird an einem Arbeitsplatz oder bei einer Tätigkeit der Auslösewert überschritten, so sind Schutzmaßnahmen zu veranlassen, dabei ist die Reihenfolge: Technische Maßnahmen, organisatorische Maßnahmen und persönliche Schutzmaßnahmen zu berücksichtigen.
Technische Maßnahmen
Technische Maßnahmen sind z. B. die Beschaffung vibrationsarmer Maschinen, Werkzeuge und Fahrzeuge. Hierzu kann der Arbeitgeber, der entsprechende Arbeitsmittel zur Benutzung zur Verfügung stellt, auf die Informationen der Betriebsanleitung zurückgreifen. Der Hersteller oder Importeur muss entsprechend der Vorgaben der Maschinenrichtlinie bei handgehaltenen oder handgeführten Maschinen und bei selbstfahrenden, gezogenen oder geschobenen Maschinen, Angaben zur Beschleunigung, der die oberen Gliedmaßen bzw. der Körper ausgesetzt sind, machen. Die regelmäßige Wartung und Instandhaltung der Arbeitsmittel. Ausgeschlagene Schrauberaufsätze, verschlissene (stumpfe) Werkzeuge, defekte Griffe, verschlissene oder nicht richtig eingestellte Sitze etc. führen vielfach zu einem deutlich höheren Vibrationswert des Arbeitsmittels oder durch notwendige längere Bearbeitungszeiten zu einer höheren Tages-Schwingungsbelastung.
Eine regelmäßige Instandhaltung der Fahrwege ist ratsam denn betriebliche Messungen haben gezeigt, dass die Qualität der Fahrwege häufig einen deutlich größeren Einfluss auf die sich ergebende Vibrationsbelastung hat, als die Fahrzeuge oder die Fahrzeugsitze. Günstig ist auch eine Auswahl schwingungsarmer Arbeitsverfahren z. B. der Einsatz ferngesteuerter Vibrationswalzen anstelle handgeführter Geräte oder der Ersatz stoßhaltiger Arbeitsverfahren (absägen statt abmeißeln von Gussgraten).
Organisatorische Maßnahmen
Organisatorische Maßnahmen bestehen in der Reduzierung der Expositionszeit des einzelnen Mitarbeiters gegenüber der Vibrationsbelastung und Rotation der Mitarbeiter bei Montagearbeiten mit Schlag- oder Impulsschraubern. Der Festlegung schwingungsarmer Fahrstrecken oder reduzierter Fahrgeschwindigkeiten bei schlechten Wegeverhältnissen. Gegebenenfalls führt eine etwas längere Fahr-(Expositions-)zeit bei gleichzeitig deutlich geringerem Schwingungswert zu einer Reduzierung der Tages-Schwingungs- Belastung.
Im Hinblick auf die Exposition gegenüber Ganzkörper-Vibrationen im Sitzen bietet der Markt heute schon entsprechende Dosimeter an, die einfach am Sitz befestigt werden können und sowohl optisch wie auch akustisch auf ein Überschreiten der Grenzwerte hinweisen. Ebenso sind weitere Auswerte- und Dokumentationsmöglichkeiten verfügbar.
Persönliche Schutzmaßnahmen
Persönliche Schutzmaßnahmen liegen in der Anwendung von Persönlicher Schutzausrüstung in Form von Vibrationsschutzhandschuhen und Benutzung von Fahrzeugen mit auf die Person optimal eingestelltem ergonomischem, schwingungsgedämpftem Sitz. Weiterhin sind den betroffenen Mitarbeitern bei Überschreiten der jeweiligen Auslösewerte arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen z. B. nach dem bürgerlichen Grundsatz G46 anzubieten.
Ebenso sind entsprechend § 11 der LärmVibrationsArbSchV u. a. über die Art der Gefährdung, die durchgeführten Schutzmaßnahmen, das Ergebnis der Expositionsermittlung, die richtige Anwendung der persönlichen Schutzausrüstung, die richtige Handhabung der Arbeitsmittel und über den Zweck der angebotenen arbeitsmedizinischen Vorsorge zu unterweisen.
Weiterführende Literatur und Regelwerke:
- Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung
- 9. Verordnung zum Geräte- und Produktsicherheitsgesetz (Maschinenverordnung)
- Maschinenrichtlinie (98/37/EG) und (2006/42/EG) VDI 2057 Teil 1 und 2 „Einwirkung mechanischer Schwingungen auf den Menschen“
- VDI 3831 (Entwurf) „Schutzmaßnahmen gegen die Einwirkung mechanischer Schwingungen auf den Menschen“
Kontakt
Bernd Müller
Berufsgenossenschaft Metall Nord Süd, Mannheim
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