Auf dem Weg zur Industrie 4.0

Ob Smartphone, Haushaltsgerät oder Kfz - sie alle können als Cyber-­Physical-Systeme Teilnehmer im ­Internet sein. So können sie sich vernetzen und kooperieren - und beispielsweise...

Dr. Peter Adolphs von Pepperl+Fuchs
Dr. Peter Adolphs von Pepperl+Fuchs

Ob Smartphone, Haushaltsgerät oder Kfz - sie alle können als Cyber-­Physical-Systeme Teilnehmer im ­Internet sein. So können sie sich vernetzen und kooperieren - und beispielsweise Verkehrsinfos generieren. Damit vergleichbar sind aktuelle Entwicklungen im Produktionsumfeld - das Ergebnis heißt Industrie 4.0. ­Regina Berg-Jauernig von GIT-­SICHERHEIT.de sprach darüber mit Dr. Peter Adolphs von Pepperl+Fuchs.

GIT-SICHERHEIT.de: Herr Dr. Adolphs, die „Smart Bridge", die Sie auf der SPS/IPC/Drives gezeigt haben, hat uns durch seine unmittelbare ­Symbolkraft fasziniert: Es ist ein webgesteuertes transparentes Gesamtsystem, indem alles ineinander greift und vernetzt ist. Was sagt uns das über die Fertigungswelt der Zukunft?

Peter Adolphs: Der Begriff Industrie 4.0 ist ja derzeit in aller Munde. Gemeint ist damit der umfassende Einzug von Web-Technologien in die Fertigungswelt. Dabei geht es um Vernetzung von Komponenten einer Produktionsanlage untereinander, aber auch um die Vernetzung ganzer Fabriken mit anderen Fabriken, die als Zulieferer oder Abnehmer in Beziehung zueinander stehen. Dabei handelt es sich aus meiner Sicht eher um eine Evolution, in der wir schon mittendrin stecken, als um eine Revolution. In diesem Sinne war es unser Anliegen mit „Smart Bridge" aufzuzeigen, welche Möglichkeiten eine konsequente Verwendung von Web-Technologien heute schon bietet. Der besondere Charme dieses Systems liegt darin, dass hier die Evolution von unten beginnt. Wir ertüchtigen den Sensor per Bluetooth zur direkten Kommunikation mit einem Tablet ohne weitere Anforderungen an das Steuerungssystem. Damit kann Smart-Bridge jederzeit und ohne Umstellungen sehr lokal eingeführt werden. Wir sind davon überzeugt, dass wir dadurch einen einfachen Einstieg in die Industrie 4.0 aufzeigen und dabei schon vom ersten Tage an einen erheblichen Mehrwert bieten. Deshalb haben wir das Konzept auch mit dem Begriff Sensorik 4.0 umschrieben.

Man spricht in diesem Zusammenhang ja von Cyber-Physical Systems. Wie genau hängt das mit dem Begriff Industrie 4.0 zusammen?

Peter Adolphs: Ein Cyber-Physical-System(CPS) ist zunächst einmal eine Komponente mit Embedded Software, integrierter Sensorik und vor allem einem Kommunikationskanal zur Vernetzung. Typische Vertreter von CPS sind Smartphones oder aber moderne Haushaltsgeräte mit Internet-Anschluss. Der Grundgedanke dabei ist, dass ein CPS-Teilnehmer im Internet sein kann. Man spricht deshalb auch gerne vom Internet der Dinge, weil sich hier solche CPS miteinander vernetzen und Daten und Services austauschen. Durch eine intelligente Kooperation der CPS entstehen Funktionalitäten, die keines der Geräte alleine darstellen können. Moderne Kfz sind z. B. solche CPS, die mittels ihrer Sensoren und Fahrdaten Informationen generieren, die per Internet an andere Fahrzeuge weitergegeben werden. Aus der Vielzahl der Informationen, die auf einem solchen Wege ankommen, können dann Aussagen über Staus und Verkehrsbehinderungen abgeleitet werden, die kilometerweit entfernt vorhanden sind. Das einzelne Fahrzeug wäre niemals in der Lage, Gleiches zu leisten. Diese grundlegende Architektur einer sinnvollen Kooperation in einer nicht-hierarchischen Struktur lässt sich auch in das Produktionsumfeld übertragen und dann spricht man von Industrie 4.0. Für das Zusammenspiel solcher Automationskomponenten nach der Methode der Industrie 4.0 hat man auch noch den Begriff des Cyber-Physical-Production-Systems (CPPS) geprägt, der ebenfalls oft in diesem Zusammenhang zu hören ist. Dieser beschreibt ein Produktionssystem (z. B. eine Maschine), die sich aus vielen Industrie-4.0-tauglichen Komponenten zusammensetzt und nach außen eine definierte Funktionalität bietet.

Können Sie uns einmal die Auswirkungen dieser Entwicklungen auf die Produktion noch etwas näher skizzieren?

Peter Adolphs: Ein wesentliches Ziel, das mit Industrie 4.0 verbunden wird, ist die Steigerung der Effizienz bei der Herstellung kleiner Losgrößen mit sehr kundenindividuellen Produkten. Heutige Produktionssysteme bedürfen bei der Umstellung auf Varianten eines Produktes vielfältiger Umbauten, die nur durch qualifiziertes Fachpersonal durchgeführt werden können und zudem die Produktionsanlage über längere Zeit außer Funktion setzen. Beides bedeutet hohe Herstellkosten für das Produkt. Von Industrie 4.0 verspricht man sich, dass diese Umbauten durch Selbstorganisation mehr oder minder automatisch ablaufen und somit den Produktionsablauf nicht unterbrechen. Man stelle sich z. B. die Herstellung eines mechanischen Bauteils vor, welches mit Bohrungen ausgestattet ist. In der Werkhalle stehen nun mehrere Bohrmaschinen, die den Service „Loch bohren" anbieten, unterschieden nach Durchmesser und Toleranz. Wünscht der Kunde nun ein Werkstück mit einem anderen Bohrloch, so wird sich das Werkstück per Service-Request eine Bohrmaschine mit dem richtigen Bohrer suchen und sich dann von einem flexiblen Transportsystem per Service Request zu dieser Maschine bringen lassen. Ein manueller Eingriff ist nicht mehr notwendig. Das gleiche gilt für den Fall, dass andere Materialen verwendet werden sollen. Die herstellende Fabrik bestellt per Internet das gewünschte Material in einer anderen Fabrik und setzt seine Produktion darauf auf.

Was ist hier eigentlich noch ferne Zukunfts­musik, was wird heute schon gemacht - und was auf absehbare Zeit?

Peter Adolphs: Manches davon ist noch sehr ferne Zukunftsmusik, einzelne Komponenten davon sind aber sehr wohl heute schon verfügbar. So sind die Technologien für die Vernetzung der Komponenten schon heute vorhanden und vielfach auch in die Produkte implementiert. Die Bereitstellung von so genannten Diensten für die Produktion steht aber noch am Anfang der Entwicklung. Dazu sind noch viele informationstechnische Probleme zu lösen, die eigentliche Herausforderung ist aber die Entwicklung von modularen Maschinen-Modulen zu vertretbaren Preisen. Ich denke dies ist einleuchtend, wenn man sich den mechanischen Aufwand vorstellt, der hinter einer von mir beschriebenen service-orientierten Bohrmaschine steckt, verglichen mit einer einfachen Ständerbohrmaschine, die in-line in eine Serienproduktionslinie integriert ist.

Es handelt sich um ein Megathema - und hat sicherlich für Pepperl+Fuchs eine erhebliche strategische Bedeutung?

Peter Adolphs: Wir sind der Überzeugung, dass die grundlegenden Gedanken von Industrie 4.0 das Produktionsumfeld in den nächsten Jahren ganz wesentlich verändern werden. Und diese Veränderungen werden Einfluss auf die Sensoren und auch die Connectivity der Sensoren mit der Steuerungsebene haben. Diese Chance wollen wir nutzen und mit innovativen Ideen die Entwicklung mit gestalten. Das ist auch der Grund, warum wir uns für die Realisierung des Smart-Bridge-Konzeptes entschieden haben.

Geben Sie uns einen Überblick über Ihre Aktivitäten und Entwicklungen insoweit?

Peter Adolphs: Wir kommen mit unseren Produkten aus der Feldebene und dort konkret aus der Sensorik. Deshalb haben wir uns vorgenommen auch von dort aus beginnend nach Ansätzen zu suchen, wo Web-Technologien für den Kunden einen Mehrwert bieten. So sind wir zu Smart-Bridge gekommen. Durch den digitalen Kommunikationskanal vom Tablet direkt in das Innere des Sensors können wir viele Funktionen bieten, die bisher so nicht möglich waren. Das reicht vom Monitoring von Messwerten über die Parametrierung bis hin zum Daten-Recording. Damit wird das Tablet der ideale Helfer für die Inbetriebnahme und Fehlersuche direkt am Sensor und damit auch am Prozess. Das ist echter Mehrwert für den Kunden, der auch schon, bevor die ganze Anlage nach Industrie 4.0 aufgebaut ist, nutzbar ist. Es gibt also kaum eine Einstiegsbarriere und darin sehen wir den Vorteil dieses Konzeptes. Konkret arbeiten wir daran, auf diesem Wege mit allen IO-Link fähigen Sensoren kommunizieren zu können. Dazu bedienen wir uns eines zwischengeschalteten Adapters, der lediglich während der Inbetriebnahme oder einer Fehlersuche angeschlossen wird. Dadurch wird auch das Security-Thema sehr elegant umschifft, da der Sensor ja nur temporär am Netz hängt. Darüber hinaus werden wir aber auch Geräte direkt mit einem Bluetooth-Kanal ausstatten. Dies insbesondere dann, wenn höhere Bandbreiten gefordert werden.

Sie haben auf der SPS/IPC/Drives ja verschiedene Ideen präsentiert. Wie gestalten sich Ihre Kontakte in den Markt, wo finden sich hauptsächlich die relevanten Märkte und welche Resonanz beobachten Sie?

Peter Adolphs: Zunächst einmal haben wir eine Studie vorgestellt, die die Resonanz für solche Konzepte abfragen sollte. Dabei waren wir extrem überrascht über die positiven Rückmeldungen. In vielen Gesprächen wurde uns bestätigt, dass die von uns vorgestellten Anwendungsfälle in der realen Produktionsumgebung sehr häufig anzutreffen sind und derzeitig keine praktikablen Lösungen existieren. Dabei können wir keine spezifischen Märkte ausmachen, sondern sehen diese Technologie als interessant für den gesamten Maschinen- und Anlagenbau.

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