Brandbegrenzungsdecken für Elektrofahrzeuge: Innovative Sicherheit und neue DIN SPEC 91489 Standards im Praxiseinsatz
Elektromobilität bringt nicht nur innovative Antriebstechnologien mit sich, sondern stellt Einsatzkräfte und Betreiber von Verkehrsflächen im Brandfall vor neue Herausforderungen. Wie lassen sich periphere Schäden nach Unfällen oder technischen Defekten bei Elektrofahrzeugen wirkungsvoll begrenzen? Welche Lösungen bieten echten Mehrwert und welche Rolle spielen Normen wie die DIN SPEC 91489 bei der Etablierung einheitlicher Standards? Im Gespräch mit Jens Erbstößer, Geschäftsführer der Erbstößer GmbH und einem der maßgeblichen Köpfe hinter der Entwicklung der neuen DIN SPEC, beleuchten wir die Rolle von Brandbegrenzungsdecken für Elektrofahrzeuge.


GIT SICHERHEIT: Herr Erbstößer, Sie waren maßgeblich an der Entwicklung der DIN SPEC 91489 beteiligt. Was war der Auslöser für die Initiative zur Normierung von Brandbegrenzungsdecken für Elektrofahrzeuge?
Jens Erbstößer: Es gab, im wahrsten Sinne des Wortes, viele Auslöser. Bei Betriebsstörungen und Havarien von Elektrofahrzeugen, häufiger ohne Brandschadensereignis als mit, standen den sekundär beteiligten Firmen, z. B. Abschleppunternehmen, Kfz-Händler, Parkraumbetreiber, usw. kaum technische Lösungen zur Verfügung, den peripheren Schaden zu begrenzen, bis im Brandfall gerufene Feuerwehreinsatzkräfte vor Ort eintreffen. Wenn es doch zu einer Entzündung kommt, greift man schnell auf die „gute, alte Löschdecke“ zurück. Leider war bei Ernstfällen festzustellen, dass diese nur sehr bedingt geeignet war. Viele, auch internationale, Hersteller hatten zwar schnelle Lösungen an der Hand, jedoch ohne dass die Anwender den tatsächlichen Nutzen zuverlässig verifizieren konnten. Daher der Druck der Marktbeteiligten zumindest Lösungsansätze für einen Produkt-/Prüfstandard zu definieren. Aus zeitlichen Gründen wählte man den Weg über eine DIN SPEC.
Welche konkreten Herausforderungen haben sich bei der Arbeit im Normungsgremium ergeben – insbesondere im Hinblick auf die Vielzahl an beteiligten Akteuren aus Industrie, Feuerwehr und Versicherungswirtschaft?
Jens Erbstößer: Wir betreten hier Neuland – besonders deutlich wird das bei der Frage der Versicherungswirtschaft: Wie ordnet man Brandbegrenzungsdecken ein? Zum vorbeugenden Brandschutz (z. B. F30/F90) zählen sie nicht, obwohl sie vor dem Brandausbruch eingesetzt werden. Zum abwehrenden Brandschutz ebenfalls nicht, da kein aktives Löschen erfolgt. Daher der Begriff „proaktives Hilfsmittel“. Ziel ist es, eine Feuerwiderstandsdauer bis mindestens zum Ende der üblichen Hilfsfrist zu erreichen, damit sich Einsatzkräfte schnell und sicher nähern und Löschmaßnahmen ergreifen können. Gleichzeitig soll der Einfluss des Brandes auf die Umgebung – etwa durch Hitze, Rauch oder Flammen – begrenzt werden.
Die Decke muss mobil, durch höchstens zwei Personen einsetzbar und dennoch aus robustem, dämmendem Material gefertigt sein. Dieser Spagat aus Schutzwirkung und Handhabbarkeit bestimmt Art und Umfang der erforderlichen Prüfungen.
In welchen realen Anwendungsszenarien sehen Sie den größten Nutzen von Brandbegrenzungsdecken – etwa bei Quarantäneplätzen, Tiefgaragen oder Transporten?
Jens Erbstößer: Dies ist meine persönliche Meinung und als Diskussionsgrundlage gedacht – eine Norm existiert noch nicht, es handelt sich um einen Vorschlag zum Sammeln von Erfahrungen. Den größten Nutzen sehe ich in der präventiven Vorhaltung: Wie Feuerlöscher sollten Brandbegrenzungsdecken in „umhausten“ Bereichen mit stehendem Verkehr (Tiefgaragen, Parkhäuser, Fähren etc.) Standard sein. Passende Halterungen gibt es bereits im Handel; besonders sinnvoll ist der Einsatz in älteren Bestandsbauten mit ergänzendem Serviceangebot. Bleibt ein Fahrzeug liegen, können Decken die Fluchtzeit verlängern, da sie in Tests die Gasausbreitung zuverlässig verringerten. Betreiber sollten klare Anweisungen geben, z. B. auffällige Fahrzeuge einpacken – etwa fahrtüchtige E-Autos mit Karosserieschäden auf Fähren. Daher sehe ich die Decken nicht als Teil der Feuerwehrausrüstung, sondern als stationäre Ausstattung. Im Freien sind sie vor allem für Abschleppunternehmen bei verunfallten Fahrzeugen sinnvoll. Werkstätten oder Entsorgungsbetriebe können zusätzlich ihre Quarantäneplätze damit ausrüsten.
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